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Leichtathletik: Birgit Motzer ist die schnellste Frau Deutschlands

Leichtathletik

Birgit Motzer ist die schnellste Frau Deutschlands

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    In Startposition: Birgit Motzer hält in der Altersklasse W50 die deutschen Jahresbestzeiten über 200 und 400 Meter. 2021 würde sie allzu gerne nachholen, was ihr heuer aufgrund der Corona-Pandemie verwehrt blieb: die Teilnahme und, wenn möglich, einen Titelgewinn bei den nationalen Senioren-Meisterschaften.
    In Startposition: Birgit Motzer hält in der Altersklasse W50 die deutschen Jahresbestzeiten über 200 und 400 Meter. 2021 würde sie allzu gerne nachholen, was ihr heuer aufgrund der Corona-Pandemie verwehrt blieb: die Teilnahme und, wenn möglich, einen Titelgewinn bei den nationalen Senioren-Meisterschaften. Foto: Richard Motzer

    Sie muss mehr und härter trainieren als in jüngeren Jahren. Das ist zuweilen ein zähes Ringen. Auch, weil die Knie nicht mehr so mitmachen, dass es die helle Freude wäre. Aber es ist ihr egal. Denn Birgit Motzer sagt über sich selbst: „Ich bin eine Power-Frau“. Auf jeden Fall ist sie heuer auf den kürzeren Laufstrecken die schnellste Frau Deutschlands in der Senioren-Klasse W50.

    Glanzvolle Zeiten auf den Sprintstrecken

    Was die 51-Jährige in den vergangenen Monaten auf die Bahn geknallt hat, ist beinahe unglaublich. Über 200 Meter drückte sie ihre persönliche Bestmarke auf sagenhafte 27,96 Sekunden. Mit dieser Zeit wurde die in Gundremmingen lebende Sportlerin Mitte September in Friedberg Schwäbische Meisterin. Keine Frau in ihrem Alter lief 2020 auf nationaler Ebene schneller. Da wurden die glanzvollen 13,91 Sekunden, die Motzer beim gleichen Wettkampf über 100 Meter erreichte, beinahe zur Randnotiz. Obwohl ihr diese Zeit Platz drei in der nationalen Jahresbestenliste einbrachte.

    Ihre Lieblingsstrecke sind die 400 Meter

    Die größte Show hatte Motzer bereits ein paar Wochen zuvor gezeigt. Am 1. August absolvierte sie in München ein Rennen über ihre Lieblingsstrecke, die 400 Meter. Sie fühlte sich stark, sie war topfit – und doch total überrascht, als sie über die Ziellinie lief und auf die Anzeigentafel blickte. 1:02,22 Minute stand da. Damit hatte die Läuferin ihre eigene Senioren-Bestmarke aus dem Jahr zuvor um annähernd zwei Sekunden unterboten. Das ist eine ganze Welt in der Leichtathletik. Und Motzer führt seither die deutsche Rangliste ihrer Altersklasse mit beeindruckendem Vorsprung an.

    Angesichts dieser Resultate muss die Konkurrenz schon fast froh sein, dass die 51-Jährige heuer auf die 800 Meter verzichtete. Früher, als junge Frau, lief sie über diese Distanz grandiose Zeiten. Im W50-Bereich steht ihre Bestzeit seit gut einem Jahr bei 2:35,44 Minuten – auch das unterbieten auf nationaler Ebene nicht viele Läuferinnen.

    Talent in die Wiege gelegt

    Aus dem Nichts kommt derart Herausragendes im Sport selten und auch im Leben von Birgit Motzer finden sich natürlich Wegstrecken und Weichenstellungen, die Basis ihrer Leistungen sind. Das Talent wurde ihr bereits in die Wiege gelegt. „Ich hatte immer mit Sport zu tun“, berichtet die Sprinterin aus ihren Kindertagen, die sie im Landkreis Dillingen verbrachte. „Wir waren immer wahnsinnig viel draußen, im Wald, in den Bergen. Wir hatten daheim auch lange keinen Fernseher.“ Sie selbst garnierte das Läufer-Gen mit dem nötigen Ehrgeiz. Aus der Multi-Sportlerin wurde nach und nach eine leistungsorientierte Leichtathletin. In den Farben der LG Donau-Brenz wurde Motzer Bayerische Meisterin über 800 Meter und Süddeutsche Vizemeisterin über 400 Meter. Schwäbische Titel sammelte sie über die Jahre in Serie.

    Irgendwann aber, sie startete zu jener Zeit im Trikot des MTV Ingolstadt, machten die Knie nicht mehr mit. Das Problem wurde die Sportlerin bis heute nicht wirklich los, damals aber war es phasenweise schlimm. „Früher war auch das Schuhwerk nicht so toll. Ich selbst habe jedoch den Fehler gemacht, zu exzessiv zu trainieren.“ Ihr Über-Ehrgeiz zerstörte mehr, als er reparierte. Es folgten Operationen. Die Knie blieben trotzdem dick. Die besten Jahre im Leistungssport glitten vorüber.

    Das Allerwichtigste ist die Familie

    Einen Zwischenlauf legte die inzwischen zweifache Mutter ein, als sie mit 32 Jahren erneut bei der LG Donau-Brenz anfing. „Das war eigentlich meine schönste Zeit“, sagt sie mit einem Lächeln auf den Lippen. Die Motivation war unverändert da, der Einsatz hielt sich in einem vernünftigen Rahmen und die Leistungen waren nach wie vor passabel. „Es war nicht mehr so, dass ich nur gewinnen wollte“, bemerkt Motzer. Und es endete, als der Jüngste kam und sich die volle Aufmerksamkeit der Mama fortan wieder auf das Familienleben im Fünf-Personen-Haushalt in Gundremmingen richtete. Mit einem liebevollen Blick sagt Motzer: „Ich war eine Vollblut-Mama. Ich bin sehr glücklich über meine gesunden Kinder. Verwöhnt habe ich sie schon. Aber ich habe auch versucht, ihnen Werte beizubringen. Und ich bin stolz auf alle drei – auch wenn es manchmal chaotisch ist.“

    Motzer: "Und dann hat es mich wieder gejuckt"

    Laufen wurde scheinbar endgültig zum bloßen Zeitvertreib für die 1,69 Meter große, sehr schlanke Frau. Bis ihre Tochter zum TSV Burgau in die Trainingsgruppe von Manfred Skibbe wechselte. Anna-Sophie hat das Sprint-Talent zweifellos von der Mutter geerbt, hat Spaß an der Bewegung und Skibbe gilt weit über die Region hinaus als Coach, der aus seinen Schützlingen kitzelt, was drin steckt. Motzer schaute ein paar Mal zu. „Und dann hat es mich wieder gejuckt.“

    Schmerzensreicher Weg

    Es begann ein mühsamer und schmerzensreicher Weg zurück. Erst 2019 bestritt Motzer wieder Wettkämpfe, jetzt für das LAZ Kreis Günzburg. Bis in die Gegenwart muss sie extrem hart daran arbeiten, ihre Schwachstelle, die Knie, auf derart große Belastungen vorzubereiten. „Das tat schon weh, bis ich da wieder reingekommen bin. Ich bin ja auch keine 20 mehr“, schildert sie ihre Erlebnisse.

    Zwei, die sich verstehen: Sprinterin Birgit Motzer und Trainer Manfred Skibbe.
    Zwei, die sich verstehen: Sprinterin Birgit Motzer und Trainer Manfred Skibbe. Foto: Ernst Mayer

    Und dann dieses ständige Streben nach mehr, dieser ewig nagende Perfektionismus. In der Zusammenarbeit mit Skibbe lernte die Athletin erst wirklich, ihre Leistungsbereitschaft nicht länger über alles, zur Not auch über die eigene Gesundheit zu stellen. „Ich verstehe mittlerweile, dass manchmal mehr Regeneration gut ist. Du wirst in meinem Alter trotz aller Härte mit mehr Trainieren nicht mehr automatisch immer schneller“, berichtet die 51-Jährige. Was Motzer inzwischen ebenfalls einräumt: „Früher war ich sportsüchtig. Das war ein Problem.“

    Deutsche Meisterschaften - das wär was

    Heute formuliert sie vor allem einen großen Wunsch: „Die Deutsche Seniorenmeisterschaft würde ich gerne mal erleben. Alle sagen immer, dass da die Atmosphäre so toll ist.“ Bereits heuer hatte sie alles auf dieses Ziel ausgerichtet. Dann kam Corona. Ob es ihr gelingt, den aktuellen Leistungsstand ein weiteres Jahr zu halten? Gar noch einmal anzuheben? Zuversichtlich ist Motzer. Sie fasst 2020 so zusammen: „Einerseits ist es sehr schade, dass es keine Meisterschaften gab. Andererseits war ich früher bei solchen Gelegenheiten immer übernervös. Vielleicht hat mir dieses Jahr sogar mehr mentale Stärke gegeben.“

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