Herr Prof. Hamann, Sie verabschieden sich nach mehr als zehn Jahren als Ärztlicher Direktor der Klinik für Neurologie und Neurologische Rehabilitation am Bezirkskrankenhaus (BKH) Günzburg in Kürze in den Ruhestand. Welches Feld übergeben Sie Ihrem designierten Nachfolger Prof. Michael Ertl vom Universitätsklinikum Augsburg?
PROF. GERHARD F. HAMANN: Ich empfinde die Klinik, deren ärztliche Leitung ich übergebe, als wohlgeordnet. Wir haben 59 Betten in der Akutneurologie und 16 Früh-Reha-Betten, eine große Intensivstation mit einer überregionalen Stroke Unit.
Ihr Haus ist Teil des NEVAS-Netzwerks. Was bedeutet das?
HAMANN: NEVAS steht für Neurovaskuläres Netzwerk Südwestbayern. Wir sind da zusammen mit dem Klinikum München-Großhadern und dem Klinikum Ingolstadt eines der drei Zentren in Süddeutschland innerhalb des Schlaganfallnetzwerkes. Jedes dieser Zentren hat ihm zugeordnete regionale Partner: Bei uns sind das die Krankenhäuser in Günzburg, Krumbach, Nördlingen, Donauwörth, Memmingen, Kaufbeuren, Füssen, Mindelheim, Immenstadt und Kempten. Wir haben mit diesen Partnerkliniken enge Kooperationen. Im vergangenen Jahr haben wir 226 Patienten thrombektomiert, das heißt mechanisch Gerinnsel aus Hirnarterien entfernt. Dieses Jahr werden wir im Bereich von 250 bis 270 Patienten landen. Wir sind da eines der größten Thrombektomie-Zentren in Bayern.
Sie behandeln aber längst nicht nur Schlaganfälle?
HAMANN: Richtig. Daneben haben wir eine Schmerzabteilung, eine Früh-Reha-Abteilung, machen Intensivmedizin, und wir klären das gesamte Spektrum an neurologischen Akuterkrankungen ab, also auch Multiple Sklerose, Parkinson, Bewegungsstörungen, oder Veränderungen des peripheren Nervensystems.
Welche Bedeutung hat Ihre Klinik für die Region?
HAMANN: Wir sind der primäre Schlaganfallversorger und die primär einzige neurologische Klinik für die drei Landkreise Günzburg, Dillingen und Neu-Ulm. Wir sind natürlich in Nachbarschaft mit der Uni Ulm und dem Universitätsklinikum Augsburg.
Die Behandlung von Schlaganfällen soll nach der neuen Krankenhausreform künftig nur noch in Spezialkliniken stattfinden. Sind die Menschen in Mittelschwaben besonders im Vorteil, weil es Ihre Klinik in Günzburg gibt?
HAMANN: Mittelschwaben ist eine ländliche Region. Das ist kein Vorteil für eine Schlaganfallversorgung, weil die Wege über Landstraßen zum Teil länger und die zeitlichen Entfernungen weiter sind. Die Alarmierungsketten brauchen länger als im städtischen Umfeld. Da wir aber ein guter Versorger für die Region sind, würde ich sagen: Das eine wiegt das andere auf.
Wie sieht es in Ihrem Haus personell aus?
HAMANN: Die Stellen sind im Gegensatz zu vielen anderen Häusern besetzt. Wir haben Oberärzte in langjähriger Funktion, und die Pflege hat sich in den vergangenen Jahren positiv entwickelt. Es gibt derzeit keine freien Stellen. Gleiches gilt für Stellen im Bereich der Physio-, Ergo- und Logopädie. Und das ist schon eine Besonderheit in der heutigen Zeit, wo Fachkräftemangel und gesperrte Betten in Kliniken allerorten ein Problem sind.
Was macht den Standort Günzburg aus?
HAMANN: Wir sind hier in Günzburg ein Fachkrankenhaus. Wir haben die Neurochirurgie, Neurologie, Neuroradiologie, Neuroanästhesie, Neuropathologie, eine sehr große Psychiatrie und eine Forensik. Wir sind spezialisiert auf ein nervenheilkundliches Fachgebiet und arbeiten eng mit den Kreiskliniken Günzburg-Krumbach zusammen, die zahlreiche somatischen Fachabteilungen vorhält. In unserer Frührehabilitation gelingt es, 50 Prozent der in der Regel über 70-, 80-jährigen Patienten nochmal nach Hause zu bringen. Das ist toll. Dafür lohnt sich der Einsatz.
Sie haben an zahlreichen klinischen Studien mitgewirkt. Welche hat aus Ihrer Sicht den nachhaltigsten Erfolg mit sich gebracht?
HAMANN: Der nachhaltigste und grundlegendste Erfolg war sicherlich meine Arbeit in Großhadern mit der mechanischen Thrombektomie. Wir haben in den Jahren 1996 bis 2004 den Grundstein gelegt für das, was heute gemacht wird. Wir hatten eigentlich nur die falschen Werkzeuge zur Hand. Das Zweite sind Studien zur Thrombolyse, also zur medikamentösen Gerinnselauflösung. Ich habe das schon zu einer Zeit gemacht, wo die Methode noch in den Kinderschuhen steckte, und habe wesentlich mitgewirkt, sie zu verbreiten.
Ein Blick zu Ihrem bevorstehenden Ruhestand. Welche Pläne haben Sie?
HAMANN: Ich werde mich mehr um meine Familie kümmern. Wir werden wahrscheinlich von Neu-Ulm-Reutti nach Wiesbaden zurückziehen. Mein jüngster Sohn wohnt in Frankfurt/Main, mein ältester mit Enkelkind in Darmstadt, meine Tochter in Düsseldorf. Meine Frau hat über die Jahrzehnte schon sehr unter meiner beruflichen Einspannung gelitten. Deshalb möchte ich ihr etwas zurückgeben.
Bleiben Sie als Arzt tätig?
HAMANN: Ich werde die Stroke-Unit-Audits und Gutachten weitermachen, aber nicht mehr in der Patientenversorgung tätig sein. Die Honorarprofessur an der Uni Ulm erlischt mit meiner Tätigkeit hier. Meine Apl-Professur an der LMU besteht weiter. (AZ)
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