Bis 2028 braucht der Landkreis Günzburg den Neubau von rund 700 Wohnungen – und zwar pro Jahr. Diese Prognose für die kommenden vier Jahre hat das Pestel-Institut in einer aktuellen Regional-Analyse zum Wohnungsmarkt ermittelt. „Der Neubau ist notwendig, um das bestehende Defizit – immerhin fehlen im Landkreis Günzburg aktuell rund 960 Wohnungen – abzubauen: Aber auch, um abgewohnte Wohnungen in alten Häusern nach und nach zu ersetzen. Hier geht es insbesondere um Nachkriegsbauten, bei denen sich eine Sanierung nicht mehr lohnt“, sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut.
An dem Wohnungsbedarf im Kreis Günzburg ändere auch die Zahl leer stehender Wohnungen nichts, so das Institut in einer Pressemitteilung: Der aktuelle Zensus registriert für den Landkreis Günzburg immerhin rund 2950 Wohnungen, die nicht genutzt werden. Das seien fünf Prozent vom gesamten Wohnungsbestand im Landkreis. Ein Großteil davon – nämlich rund 1970 Wohnungen – stehe jedoch schon seit einem Jahr oder länger leer. „Das sind immerhin rund 67 Prozent vom Leerstand. Dabei geht es allerdings oft um Wohnungen, die auch keiner mehr bewohnen kann. Sie müssten vorher komplett – also aufwendig und damit teuer – saniert werden“, so Günther.
Wohnungen im Kreis Günzburg: Auch ein Leerstand ist notwendig
Grundsätzlich sei ein gewisser Wohnungsleerstand aber immer auch notwendig. „Rund drei Prozent aller Wohnungen, in die sofort jemand einziehen kann, sollten frei sein. Schon allein, um einen Puffer zu haben, damit Umzüge reibungslos laufen können. Und natürlich, um Sanierungen überhaupt machen zu können. Aber es wird nur selten gelingen, Wohnungen, die lange leer stehen, wieder zu aktivieren und an den Markt zu bringen“, so das Fazit von Matthias Günther.
Viele Hauseigentümer hielten sich offenbar mit einer Sanierung zurück, etwa aus Verunsicherung über entsprechende Vorschriften. Außerdem hapere es bei vielen auch am nötigen Geld für eine Sanierung. Weitere Gründe, warum leer stehende Wohnungen nicht vermietet werden, seien Erbstreitigkeiten oder die Sorge, sich einen Mieter ins eigene Haus zu holen, mit dem man sich am Ende vielleicht nicht versteht. Das Pestel-Institut hat die Regional-Analyse zum Wohnungsmarkt im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) durchgeführt. Für dessen Präsidentin macht die Untersuchung eines deutlich: „Es ist eine Milchmädchenrechnung, die leer stehenden Wohnungen gegen den aktuellen Bedarf an Wohnungen gegenzurechnen. Das funktioniert so nicht“, sagt Katharina Metzger.
Verbandschefin will Baustandards senken
Für die Verbandschefin vom Baustoff-Fachhandel steht fest: „Der Wohnungsbau ist auch im Kreis Günzburg das Bohren dicker Bretter.“ Um voranzukommen, fordert Metzger, die Baustandards zu senken: „Einfacher bauen – und damit günstiger bauen. Das geht, ohne dass der Wohnkomfort darunter leidet. Andernfalls baut bald keiner mehr.“ Es müsse ein „starkes Abspecken“ bei Normen und Auflagen geben – im Bund, bei den Ländern und Kommunen.
Scharfe Kritik richtet Metzger an den Bund: „Es passiert zu wenig. Und was jetzt passiert, kommt zu spät.“ Ohne eine deutlich stärkere staatliche Unterstützung würden weder der notwendige Neubau noch die Sanierungen von Wohnungen im erforderlichen Umfang gelingen. Zudem fehlten laut Metzger im Bundeshaushalt für 2025 dringend notwendige Fördermittel, speziell auch für den sozialen Wohnungsbau. Der benötigt nach Berechnungen des Pestel-Instituts mindestens zwölf Milliarden Euro pro Jahr von Bund und Ländern. Der Bund stelle für 2025 jedoch lediglich 3,5 Milliarden Euro bereit. Auch die Perspektive sei schlecht: Bis 2028 wolle die Bundesregierung Sozialwohnungen mit weniger als 22 Milliarden fördern. „Das reicht hinten und vorne nicht“, sagt Katharina Metzger.
Aktuell erlebe die Wohnungsbau-Branche „einen regelrechten Absturz“. Viele Unternehmen hätten bereits Kapazitäten abbauen müssen. Die Situation sei fatal: „Wohnungsnot trifft auf Nicht-Wohnungsbau. Diese toxische Entwicklung muss dringend gestoppt werden.“ Denn Wohnungsmangel schaffe soziale Spannungen. „Wenn sich Menschen wochen- und monatelang um eine neue Wohnung kümmern müssen, dann braut sich da etwas zusammen. Das ist Gift für das soziale Miteinander in der Gesellschaft“, so Katharina Metzger. (AZ)
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