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Landkreis Günzburg: Besuch nach einem Jahr: Er war der erste Corona-Impfling im Kreis Günzburg

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Besuch nach einem Jahr: Er war der erste Corona-Impfling im Kreis Günzburg

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    Vor einem Jahr die erste Impfung, inzwischen ist er geboostert: Kurt Lange lebt seit 2013 im Kreisaltenheim in Burgau. Der Vollwaise hat sich den größten Teil seines Lebens ohne festen Wohnsitz durchgeschlagen. Nie lernte er lesen und schreiben. Mit ein wenig Unterstützung kann er aber beispielsweise seinen Vornamen setzen.
    Vor einem Jahr die erste Impfung, inzwischen ist er geboostert: Kurt Lange lebt seit 2013 im Kreisaltenheim in Burgau. Der Vollwaise hat sich den größten Teil seines Lebens ohne festen Wohnsitz durchgeschlagen. Nie lernte er lesen und schreiben. Mit ein wenig Unterstützung kann er aber beispielsweise seinen Vornamen setzen. Foto: Till Hofmann

    Im großen Saal im ersten Stock des Burgauer Kreisaltenheims läuft an diesem Nachmittag kurz nach 13 Uhr zum ersten Mal die Zeit ab. Die "Eieruhren" ticken unaufhörlich ihren Countdown herunter. Dieses Mal ist dieses Geräusch für sieben Frauen und Männer bestimmt, die ausgesprochen gerne die 15 Minuten hinter sich lassen. Dann ist sichtbar, ob der Kontrollstreifen des Schnelltests nur diesen einen Strich aufweist. Negativ bedeutet das, was ja ausgesprochen positiv ist. Denn nur mit einem negativen Corona-Testergebnis und dem Nachweis über einen vollständigen Impfschutz dürfen die Besucherinnen und Besucher tatsächlich zu ihren Angehörigen.

    Kurt Lange hat keine Familienmitglieder, die ihm Gesellschaft leisten könnten. Der im Februar 1942 geborene Seniorenheimbewohner hat als Kleinkind seine Eltern verloren. Der Vater fiel im Zweiten Weltkrieg an der Front. Die Mutter wurde bei einer Bombardierung getötet. Lange wuchs in Waisenhäusern auf. Und was er dort erlebt hat, will er tief begraben wissen und nicht hervorholen aus seinen Erinnerungen. Er sagt - und damit will es der 79-Jährige auch bewenden lassen: "Es war die schlimmste Zeit meines Lebens."

    Der Vorstand der Kreiskliniken verabreichte den ersten Piks

    Der Besuch unserer Redaktion hat einen anderen Grund. Auf den Tag genau ist es ein Jahr her, das erstmals im Landkreis Günzburg gegen das Coronavirus geimpft worden ist. Diesen ersten Piks erhielt Lange vom damaligen Vorstand der Kreiskliniken Günzburg-Krumbach, Dr. Volker Rehbein, der inzwischen aus eigenem Antrieb den stressigen und verantwortungsvollen Chefposten abgegeben und das kommunale Krankenhaus verlassen hat. Natürlich wusste Kurt Lange im Dezember 2020 über die Möglichkeit einer Virusinfektion Bescheid und dass dies unter Umständen lebensbedrohlich sein könnte. "Deshalb war für mich klar: Wenn es einen Impfstoff gibt, der einen gewissen Schutz bietet, bin ich dabei."

    Am 27.12.2020 startete die Corona-Impfkampagne für den Landkreis Günzburg im Kreisaltenheim in Burgau. Der Vorstand der Kreiskliniken Günzburg-Burgau, Dr. Volker Rehbein, war bei der Premiere als Impfarzt tätig. Erster Impfling war der damals 78 Jahre alte Seniorenheimbewohner Kurt Lange.
    Am 27.12.2020 startete die Corona-Impfkampagne für den Landkreis Günzburg im Kreisaltenheim in Burgau. Der Vorstand der Kreiskliniken Günzburg-Burgau, Dr. Volker Rehbein, war bei der Premiere als Impfarzt tätig. Erster Impfling war der damals 78 Jahre alte Seniorenheimbewohner Kurt Lange. Foto: Till Hofmann

    "Wir hatten hier bislang keinen Fall, dass ein Bewohner an Corona erkrankt ist. Wir haben immer alles umgesetzt, was verlangt wurde. Und natürlich spielt dabei auch Glück eine Rolle", sagt Markus Knöpfle. Er leitet jetzt dann bald seit zehn Jahren das Kreisseniorenheim - und steht mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach wie vor mitten in der größten Herausforderung seiner beruflichen Tätigkeit. Die Bereitschaft des Personals, sich impfen zu lassen, ist seit dem Beginn der Impfungen spürbar gestiegen. Vor einem Jahr lag die Quote der Impfwilligen nach Knöpfles Angaben "zwischen 20 und 30 Prozent". Jetzt seien dann bald von den knapp 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern um die 90 Prozent geimpft. Sieben ziehen in den kommenden Tagen und Wochen nach. Drei bleiben vorerst übrig, die sich bisher resistent gegenüber allen Überzeugungsversuchen gezeigt haben.

    Ungeimpfte Beschäftigte müssen sich täglich vor Ort testen lassen

    Kurt Lange kann das nicht so recht nachvollziehen. "Wenn alle geimpft sind, ist der Schutz doch am größten", sagt er. Eine Gefährdung der Seniorinnen und Senioren sowie des Personals soll nicht nur durch die Beachtung der Hygiene- und Abstandsregeln ausgeschlossen werden. Ungeimpfte Frauen und Männer, die im Heim arbeiten, müssen sich jeden Tag vor Dienstbeginn vor Ort und unter Aufsicht testen lassen. Geimpfte erbringen den Testnachweis zweimal in der Woche - montags und donnerstags - sofern sie die volle Woche arbeiten.

    Der 79-jährige Lange ist auch jetzt den meisten im Landkreis mit seinem Impfstatus voraus. Bereits im Januar hat er die zweite Spritze mit dem Wirkstoff der Pharmafirmen Biontech und Pfizer erhalten. Im September erfolgte dann für ihn und die allermeisten anderen Bewohnerinnen und Bewohner die Auffrischungsimpfung. Lange ist also "geboostert". Wenn er diesen Begriff hört, lächelt er, weil er der Überzeugung ist, damit einen starken Schutzschild aktiviert zu haben. Und sollten weitere Impfungen wegen der Corona-Varianten notwendig werden: "Ich bin bereit dazu", sagt der Senior.

    Ein Zimmer in Burgau wird zur Heimat für Kurt Lange

    Vor acht Jahren ist er in das Burgauer Kreisaltenheim gezogen. Das Eckzimmer, in dem er lebt, ist dem lange Jahre Heimatlosen zu einer Heimat geworden. Nach dem Waisenhaus lebte Lange auf der Straße. Ein Obdachloser, der in ganz Deutschland unterwegs war und das am liebsten allein, "weil man dann nicht von anderen abhängig ist". Mit seinem Fahrrad, beladen mit den nötigsten Utensilien und zwei Zelten, schlug er sich durch. "Irgendwann war das mal zu viel." Gelegenheitsjobs nahm der Vollwaise immer wieder an. In Offingen wurde er sesshaft und verdiente Geld mit Gartenarbeiten, später zog er nach Burgau und war dort "Platzwart" auf der Pyrolyseanlage. Doch Schlaganfälle beendeten das, was Kurt Lange so wertvoll war: Die Selbstständigkeit. Von nun an war er auf Andere angewiesen. Und zum Glück seien damals beispielsweise mit Josef und Irene Kaiser als ehrenamtlich tätige Wohnpaten Menschen dagewesen, die ihm einen Platz im Altenheim vermitteln konnten und ihn auch sonst unterstützt haben - bis heute. Das erfüllt den Einzelgänger mit Dankbarkeit.

    Schlafen, Musik hören (am liebsten Volksmusik), essen und trinken und Fernsehen bestimmen den Alltag von Lange. Die Lektüre einer Zeitung oder das Lesen eines Buches gehören leider nicht dazu. Das hat weniger mit der Augenoperation zu tun, die erst wenige Tage zurückliegt. Kurt Lange ist Analphabet, hat weder lesen noch schreiben gelernt. Er zieht einen Setzkasten aus einer Schublade. Mit ein wenig Unterstützung gelingt es ihm, die Buchstaben seines Vornamens in die korrekte Reihenfolge zu bringen. Ein großer Erfolg!

    Der Wunsch des ersten Corona-Impflings im Kreis: Einmal richtig Urlaub machen

    Und ja, das wäre schon noch so ein Ziel, lesen und schreiben zu lernen. "Aber dazu würde ich ständig Hilfe von anderen brauchen. Und in meinem Alter ...", sagt er und beendet den Satz nicht. Ausdrücken will er damit, dass dies ihm deutlich schwerer fallen würde als ein anderes Projekt, das ihm vorschwebt. "Ich will einmal für ein paar Tage oder eine Woche in den Urlaub." Frankreich wäre sein Traumziel im Ausland. Aber das müsse nicht sein. Das Allgäu oder der Bayerische Wald seien ihm genau so lieb. So richtig habe er in seinem bald acht Jahrzehnte währenden Leben noch nie Urlaub gemacht, sagt Kurt Lange. Neben dem dafür notwenigen Geld gibt es eine weitere Voraussetzung, auf die er versucht, Einfluss zu nehmen: Gesund bleiben - gerade in Corona-Zeiten. Mittel zum Zweck sind für ihn die Impfungen, von denen er alle drei hat.

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