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Krumbach: Lotta hat zwei Mamas: Zu Besuch bei Regenbogenfamilien

Krumbach

Lotta hat zwei Mamas: Zu Besuch bei Regenbogenfamilien

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    Beim Regenbogenfamilientreff in Krumbach treffen sich einmal im Monat Familien, die von der vermeintlichen Norm abweichen. Sozialpädagogin Sonja Tietz (rechts) ist sehr froh über das neue Angebot.
    Beim Regenbogenfamilientreff in Krumbach treffen sich einmal im Monat Familien, die von der vermeintlichen Norm abweichen. Sozialpädagogin Sonja Tietz (rechts) ist sehr froh über das neue Angebot. Foto: Celine Theiss

    "Hat jemand von euch einen Tipp, wie man wackelnde Zähne rausbekommt?", fragt Caro in die Runde. Im Kreis, auf grünen Gummimatten, sitzen vier junge Familien. Vor ihnen liegen in Brotdosen Wienerle und klein geschnittenes Gemüse, Brezen und Aufstriche. Tochter Lotta hüpft um sie herum, klettert auf die Schultern ihrer Mutter. Gekommen sind die Mütter zum Regenbogenfamilientreff des Landkreises. Einmal im Monat kommen hier Familien zusammen, die in Konstellationen leben, die vermeintlich von der Norm abweichen. Aktuell besteht die Gruppe aus mehreren Mütterpaaren. Dort tauschen sie sich aus, frühstücken gemeinsam und zeigen ihren Kindern, dass es mehr Familien gibt, die nicht aus Vater, Mutter, Kind bestehen. 

    "Wir haben ja die Babycafés im Landkreis und da ist uns aufgefallen, dass die Regenbogenfamilien einen anderen Redebedarf haben, als andere Familien", erklärt Sonja Tietz von der Koordinierungsstelle Frühe Hilfen (KoKi) des Landkreises Günzburg. In Kooperation mit der Adoptionsstelle wurde schließlich der Regenbogenfamilientreff zu Beginn des Jahres ins Leben gerufen. Die Mütter, die sich aktuell treffen, kannten sich bereits über die Adoptionsstelle. Diese hatte die Familien zum gegenseitigen Austausch vernetzt. Für die Sozialpädagogin ist es wichtig, dass der Treff aber für alle Menschen offen ist. Die anwesenden Mütter fänden es schön, wenn ihre Gruppe Zuwachs bekommen würde und auch etwas gemischter wäre. Das würde den Kindern zeigen, dass es viele unterschiedliche Familienkonstellationen gibt. Derzeit ist der Regenbogenfamilientreff laut Tietz der einzige seiner Art im Landkreis.

    Die Regenbogenfamilien tauschen sich viel über das Thema Adoption aus

    Sabine und Martina sind mit ihrer einjährigen Tochter Paula dazugestoßen. Sie erzählen, dass sie die halbe Stunde Fahrt gerne für den Treff in Kauf nehmen. Bevor es den Regenbogenfamilientreff des Landkreises gab, hatten sie einen ähnlichen Treff in Neu-Ulm besucht. Ihnen war der Austausch wichtig, als es bei ihnen um die Adoption ihrer Tochter ging. Ein Problem, das viele andere Familien nicht haben. Die Erzählungen der Paare zeigen, dass der Weg beschwerlicher ist, als es sein müsste. Von ärztlichen Gutachten, Notfalltestamenten und das abschließende richterliche Urteil ist alles dabei. 

    Für was steht der Begriff LGBTIQ?

    L für Lesbisch: Menschen, die sich als Frauen identifizieren und sich zu Frauen hingezogen fühlen 

    G für Gay (das englische Wort für schwul): Menschen, die sich als Männer identifizieren und sich zu Männern hingezogen fühlen

    B für Bisexuell: Die lateinische Vorsilbe bi bedeutet zwei und bezieht sich hierbei auf die sexuelle Orientierung, sich zu zwei oder mehr Geschlechtern hingezogen zu fühlen

    T für Transgeschlechtlich: Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde

    I steht für Inter: Menschen mit körperlichen Geschlechtsmerkmalen, die nicht ausschließlich männlich oder weiblich sind.

    Q für Queer: Sammelbegriff für alle von der Norm abweichenden Sexualitäten und Geschlechtsidentitäten. Darunter fallen auch intersexuelle Menschen, die sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtsmerkmale aufweisen

    "Zumal das ja alles absolute Wunschkinder sind", sagt Sabine über die Adoption. Ein "Unfall" könne ihnen ja nicht passieren, scherzt die Mutter. In ihrem Fall hat ihre Partnerin ihr gemeinsames Kind bekommen. Sabine hat Martina immer begleitet. "Das ist bei heterosexuellen Paaren ja nichts anderes", sagt sie. Dennoch hätten sie in ihrem Umfeld einen Fall mitbekommen, bei denen das Gericht die elterliche Bindung angezweifelt und die Adoption in die Länge gezogen hat.

    Wenn Kinder von Gleichaltrigen geärgert werden, weil sie keinen Vater haben

    Aber auch im Alltag tun sich manchmal Probleme auf, über die sich die Familien bei ihren Treffen austauschen. "Lotta ist einmal heim gekommen und hat erzählt, dass sie geärgert wird, weil sie keinen Vater hat", sagt Caro. Bei ihren Zwillingskindern hätte das recht früh und heftig begonnen, dass sie solche Auseinandersetzungen hatten. Mittlerweile kämen keine blöden Kommentare mehr. Wichtig sei hier, dass mit den Eltern und Kindern darüber gesprochen wird. Sabine erklärt, dass es heute auch für Kinder Bücher gibt, die andere Familienkonstellationen erklären und normalisieren. Ihre Partnerin erzählt, dass die Tochter eines befreundeten Paares einen Kalender besitzt, der jeden Tag einen anderen Begriff erklärt – unter anderem auch Regenbogenfamilie. "Sie kam dann zu uns drei und hat gesagt: 'Ihr seid eine Regenbogenfamilie'", sagt Martina. Für Kinder sind alle Familienformen normal, wenn sie in diesem Wissen aufwachsen. 

    Die Mütter erzählen, dass sie häufig beäugt werden – als lesbisches Paar mit Kind. "Viele Fragen sich dann immer, wie wir zu dem Kind gekommen sind", erklärt Nadine. Die meisten würden die Eltern damit nicht konfrontieren, sondern hinter ihrem Rücken spekulieren. Manch andere würden den Eltern, ohne sie näher zu kennen, unverblümt Fragen stellen. Und das stört auch Nadine und Partnerin Anja, denn grundsätzlich sei es ihre Privatsache, wie sie zu ihrem Kind gekommen sind. Fragen würden sie trotzdem gerne beantworten – je nachdem, wie gut sie ihr Gegenüber kennen. Caro sieht das nicht so kritisch. "Natürlich sind die Menschen neugierig. Ich finde es legitim, dass sie nachfragen", sagt die Zwillingsmutter. Dabei sei es in einigen Fällen, wie auch bei Nadine und Anja, eine einfache Samenspende. Ein kostspieliges Unterfangen.

    Regenbogenfamilien haben "auch ganz normale Probleme".

    "Wie sagen eigentlich eure Kinder zu euch?", fragt Sabine in die Runde. Sie selbst bezeichnen sich als Mama und Mami, "aber das Mami bekommt sie irgendwie nicht raus". Nadine und Anja werden von ihrer kleinen Frieda Mam und Mama genannt, während die Zwillinge ihre Eltern Mama-Caro und Mama-Brina nennen. In ihren monatlichen Treffen tauschen sich die Familien über alle erdenklichen Themen rund ums Kind aus. "Wir haben auch ganz normale Probleme", sagt Sabine. Wenig später steht Caro im Raum. In der einen Hand der Zahn ihrer Tochter, in der anderen die Breze, die den Wackelzahn hat ausfallen lassen. Ganz normale "Probleme" einer Familie eben. 

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