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Kreis Günzburg/Memmingen: Kokain-Prozess gegen Männer aus Kreis Günzburg: Nach "Deal" gesteht auch vierter Angeklagter

Kreis Günzburg/Memmingen

Kokain-Prozess gegen Männer aus Kreis Günzburg: Nach "Deal" gesteht auch vierter Angeklagter

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    Vor dem Landgericht Memmingen müssen sich vier junge Männer aus dem Landkreis Günzburg wegen Drogengeschäften verantworten.
    Vor dem Landgericht Memmingen müssen sich vier junge Männer aus dem Landkreis Günzburg wegen Drogengeschäften verantworten. Foto: Ralf Lienert (Archiv)

    Drei der vier jungen Männer aus dem Kreis Günzburg, denen unter anderem Kokainschmuggel und -handel beziehungsweise die Unterstützung dabei vorgeworfen werden, hatten bereits am ersten Verhandlungstag am Landgericht Memmingen ihre Beteiligung eingeräumt (wir berichteten). Nun hat am Montag auch der vierte Angeklagte über seine Anwältin ein Geständnis abgelegt. Vorausgegangen war unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein knapp einstündiges Rechtsgespräch zwischen den Beteiligten direkt zu Beginn des zweiten Verhandlungstages – an dessen Ende eine Verständigung stand, ein sogenannter „Deal“.

    Auch wenn die Staatsanwältin „nur mit Bauchschmerzen“ zustimmte, stellte das Gericht den beiden Hauptangeklagten B. und R. Haftstrafen zwischen drei Jahren und sechs Monaten sowie vier Jahren und sechs Monaten in Aussicht. Die Vertreterin der Anklage hätte die beiden eigentlich zwischen fünfeinhalb und sechseinhalb beziehungsweise sechs bis sieben Jahre ins Gefängnis schicken wollen.

    Doch wie der Vorsitzende Richter Thomas Hörmann sagte, sei die Menge an Kokain bei der ersten Beschaffungsfahrt nur schwer nachweisbar. Und so pochten die Verteidiger von B. und R. auch darauf, dass es nur 100 Gramm gewesen seien; ein Teil sei wie auch bei der zweiten Fahrt für eigene Zwecke gedacht gewesen, der Rest für den Handel. Die beiden weiteren Beschuldigten K. und W. sind nicht Teil der Verständigung, ihre Anwälte gehen von Bewährungsstrafen für ihre Mandanten aus. Angeregt hatte das Rechtsgespräch Kai Wagler, dessen Mandant R. ist.

    Schon als Jugendliche begannen zwei der Männer mit Drogen

    So konnte das Gericht am Montag auf einen Großteil der geladenen Zeugen verzichten. Gehört wurden aber unter anderem zwei Experten, die Haargutachten bei den vier Männern erstellt hatten. Sie bestätigten damit mehr oder minder, was die Angeklagten selbst sagten. B. nimmt regelmäßig Drogen, nach seinen Worten fing er mit 16 mit Gras an, vor zwei Jahren mit Kokain. „Es wurde stetig mehr“, zuletzt habe er jeden zweiten Tag „eine Nase gezogen“. Wie auch R. will er eine Therapie machen, um von den Drogen los zu kommen.

    Der andere stieg mit 15 mit Gras ein, seit dem 18. Lebensjahr nimmt er Koks, außerdem probierte er beispielsweise schon Speed, Ecstasy oder LSD aus. Es gebe Tage, da rauche er bestimmt zehn Joints am Tag. Hingegen sagte K., er habe nie Drogen genommen, und W., dass er Gras und Kokain nur ausprobiert habe. Ein weiterer Sachverständiger geht davon aus, dass bei B. und R. eine große Rückfallgefahr gegeben sei – bei einer Therapie rechnet er mit einer Behandlungsdauer von zwölf bis 18 Monaten. Auch wenn es dafür keine Bestätigung gebe, weil der Angeklagte die Einsicht in diese Behandlungsakte verwehr habe: B. habe ihm gesagt, dass er schon wegen einer Überdosis Kokain im Günzburger Bezirkskrankenhaus behandelt worden sei. R.s Vater sei nach Angaben dieses Angeklagten selbst Heroinkonsument gewesen.

    Anwältin bringt Kriminalbeamten mit Nachfragen ins Schwitzen

    Eigentlich hätte es am Montag darum gehen sollen, wie die Polizei darauf kam, dass die Angeklagten der Jahrgänge 1997, 1998, 1999 und 2001 in die Drogengeschäfte verstrickt sind. B.s Anwältin hatte wegen massiver Zweifel an der Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen der Verwertung dieser Beweise bereits widersprochen. So hätten die Abhörprotokolle der Telefonüberwachung und Chatverläufe verlesen werden sollen, doch wegen des „Deals“ wurde darauf verzichtet. Klar ist, dass eine Vertrauensperson der Polizei einen Tipp gab, wie es am ersten Verhandlungstag hieß.

    Ein Kriminalhauptkommissar der Kripo in Neu-Ulm hatte beim Prozessauftakt erklärt, dass sich schnell herauskristallisiert habe, dass die Angeklagten B. und R. ihre Finger im Spiel hatten, später seien K. und W. als Beteiligte hinzugekommen. „Verschiedene operative Maßnahmen inklusive der Observation“ hätten den Verdacht bekräftigt, zu Details wollte sich der Kriminaler nicht äußern, um die Taktik der Ermittler nicht preiszugeben. Es habe sich gezeigt, dass mit Betäubungsmitteln gehandelt worden sei. Die Anwältin brachte ihn mit ihren Nachfragen ins Schwitzen, der Vorsitzende Richter musste ihm Brücken für die Antworten bauen. Wie es weiter hieß, behauptete B. übrigens, nach der Festnahme während der Fahrt zur Polizeidienststelle, von Beamten gewürgt worden zu sein. Zudem habe er gemeint, mit diesen schon fertig zu werden.

    Notfallsystem des Autos verrät der Polizei immer den genauen Standort

    Was auch feststeht: Vor der Fahrt, bei der die Polizei an der Autobahnausfahrt Günzburg zugriff, seien die Maßnahmen intensiviert worden. Die SIM-Karte, die im Wagen für das Notfallsystem verbaut war, sei überwacht worden – so habe man immer gewusst, wo sich das Fahrzeug befand. Zusätzlich habe man es über einen längeren Zeitraum beobachtet. Ein anderer Polizist erklärte, von Hockenheim aus sei man den Zielpersonen Richtung Günzburg gefolgt. Wie berichtet, waren an dem Tag nach Angaben der Beamten 300 Gramm recht hochwertiges Kokain von den Niederlanden aus geschmuggelt worden, die erst mit viel Aufwand im Auto gefunden wurden – es musste auseinander genommen werden.

    Gehört wurde am Montag aber die Kriminalpolizistin, die den Fall federführend bearbeitet hat. Als bei einem anderen Mann das Telefon überwacht worden war, wurde der Kontakt zu B. und R. klar, sodass auch gegen sie Maßnahmen beantragt wurden. Später wiederum wurden W. und K. relevant. Letztlich leitete die Polizei auch gegen gut 25 Abnehmer von Drogen Ermittlungen ein. Auch wenn es sich nur um eine Mutmaßung handelt, gehen die Beamten davon aus, dass es bei der Beschaffung und dem Handel insgesamt um mehrere Kilo Marihuana und Kokain ging.

    Führer der V-Person soll doch nicht gehört werden

    Bei B. wurden keine regelmäßigen Kontoeingänge festgestellt, obwohl er hohe Fixkosten gehabt habe – alleine für die Pacht einer Shishabar in Günzburg, die er habe betreiben wollen. Er selbst sprach übrigens von einem Bistro. Und auch seine Anwältin (wie auch der Vorsitzende) sagte, in den Überwachungsprotokollen sei nie das Wort Shishabar gefallen. Hier zeige sich wieder, wie ungenau die Polizei arbeite, so die Anwältin. Anders als beantragt, verzichtet Julia Weinmann wie auch ihr Kollege Wagler aber darauf, den Führer der Vertrauensperson zu hören.

    Was, so die Ermittlerin, festgestellt wurden, seien unregelmäßige Bareinzahlungen. Bei R. sei es ähnlich gewesen, die Beträge waren demnach aber deutlich niedriger.

    Angeklagter B. verhält sich respektlos in der U-Haft

    Die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe sprach sich bei K. und W. für die Anwendung des Jugendstrafrechts aus, da sie sich eher wie Jugendliche verhalten hätten, eine Verwarnung und Geldauflagen reichten. Bei K. sei seine Zeit in der Untersuchungshaft Warnung genug gewesen. Apropos: Während er aus dem Gefängnis entlassen worden war, sitzen B. und R. weiter darin. R. verhalte sich tadellos, steht im Führungsbericht, den der Richter verlas. Doch B. sei oft respektlos gegenüber dem Personal und wolle sich gegenüber den Mithäftlingen profilieren. Drei Mal habe sein Verhalten schon disziplinarisch geahndet werden müssen.

    Am nächsten und letzten Termin am Montag, 26. April, 14 Uhr, sollen dann die Plädoyers gehalten und die Urteile gesprochen werden.

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