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Kammeltal: Schon der "Baierische Hiasl" kehrte im Ettenbeurer Gasthaus Adler ein

Kammeltal

Schon der "Baierische Hiasl" kehrte im Ettenbeurer Gasthaus Adler ein

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    Seniorchef Markus Schweimeier zeigt historische Bierkrüge in einer Vitrine im Gang des Gasthauses.
    Seniorchef Markus Schweimeier zeigt historische Bierkrüge in einer Vitrine im Gang des Gasthauses. Foto: Wolfgang Kahler

    Es ist schon eine Art Institution in Ettenbeuren: das Gasthaus Adler in der Ichenhauser Straße. Jahrhunderte hat die Dorfwirtschaft überdauert und sich dank des nicht immer einfachen Engagements der heutigen Eigentümer gehalten. Im 16. Jahrhundert war der Adler seiner Zeit weit voraus und diente der Nahversorgung. Heute ist das

    In der Sonne glänzt unübersehbar am Ausleger das goldene Nasenschild der Wirtschaft mit dem Doppeladler. Ein deutlicher Hinweis auf die Geschichte, weiß Seniorchef Markus Schweimeier.

    Warum das Gebäude im 15. Jahrhundert ein Haus für das ganze Dorf war

    Denn im 14. Jahrhundert gehörten Teile von Ettenbeuren noch zum Herzogtum Österreich, nachdem es zuvor Teil der Lehensherrschaft unter dem Markgrafen von Burgau war, wie im Werk "Landkreis Günzburg" von Professor Wolfgang Wüst beschrieben ist. Erstmals wurde das Gebäude 1372 erwähnt, damals aber noch als "Taverne", die früher oft übliche Bezeichnung für eine Tafernwirtschaft, also Gastwirtschaft.

    Ein Fachwerk prägt das Ettenbeurer Gasthaus Adler aus dem 14. Jahrhundert, in dem schon der „Bairische Hiasl“ eingekehrt sein soll.
    Ein Fachwerk prägt das Ettenbeurer Gasthaus Adler aus dem 14. Jahrhundert, in dem schon der „Bairische Hiasl“ eingekehrt sein soll. Foto: Wolfgang Kahler

    Der nächste kaum weniger bemerkenswerte Besitzerwechsel erfolgte 1434. Damals kaufte das Kloster Wettenhausen das österreichische Lehen samt Taverne. "Es war damals ein Haus fürs Dorf", schmunzelt Senior Schweimeier. Der 82-Jährige hat einen dicken Ordner mit historischen Informationen gesammelt und betätigt sich auch als Ahnenforscher. Die damalige Taverne sorgte gewissermaßen für die Nahversorgung der Bevölkerung. Neben dem Ausschank von Bier, Wein und Branntwein gehörte zur Wirtschaft eine Bäckerei und eine Metzgerei. Es durfte im eigenen Ofen gebackenes Brot verkauft werden. Außerdem galt laut Wikipedia die Verpflichtung, Handwerksgesellen auf Wanderschaft Unterkunft zu bieten, und bei Todesfällen fand dort der Leichenschmaus einschließlich der Nachlassverhandlungen statt.

    Zeigt aus welcher Zeit die frühere Taverne Adler stammt: Der österreichische Doppeladler im goldfarbenen Nasenschild.
    Zeigt aus welcher Zeit die frühere Taverne Adler stammt: Der österreichische Doppeladler im goldfarbenen Nasenschild. Foto: Wolfgang Kahler

    Bis Ende 1803 blieb die Wirtschaft beim Kloster, dann kaufte sie der Ettenbeurer Anton Bestler. Bereits 24 Jahre später ging das Anwesen über den jüdischen Makler Samuel Schwab für 5000 Gulden – heute etwa 28.000 Euro – an Käufer aus dem heutigen Ichenhauser Stadtteil Autenried. Der Name Schweimeier kommt schließlich 1869 ins Spiel. Anton, der Urgroßvater des Seniorchefs, kaufte die Wirtschaft. Die Familie Schweimeier war zu dieser Zeit in Ichenhausen Besitzer mehrerer Brauereigasthäuser, wie der Seniorchef herausfand. Dann folgten mit den gleichen Vornamen Großvater und Vater, bis Markus Schweimeier 1969 den Adler übernahm. Als fünfte Generation führt nun der älteste Sohn Markus seit 2004 das Gasthaus.

    Der Adler diente nach dem Zweiten Weltkrieg als Notunterkunft für Flüchtlinge

    Zur wechselvollen Vergangenheit des Adlers gehört eine Zeit, in der der Wirtshaussaal im Obergeschoss zweckentfremdet wurde: Er diente als Übergangs-Notunterkunft, als nach dem Zweiten Weltkrieg zahllose Flüchtlinge und Vertriebene nach Bayern kamen. "Das Essen für die Menschen wurde aus dem Kloster geliefert", erinnert sich Schweimeier senior.

    Verständlich, dass an einem derart alten Bauwerk der Zahn der Zeit nagt. Bereits in den 50er-Jahren wurde der Saal mit Bühne auf die heutige Kapazität von circa 140 Personen erweitert. Bei diesem Umbau wurde ein damals etwas "anrüchiges" Thema beseitigt: Früher gab es für menschliche Bedürfnisse zwei Plumpsklos und für Männer eine außen am Gebäude angebrachte Pissoirrinne. Sanierungen an einem solchen historischen Bauwerk können jedoch durchaus beachtliche Schwierigkeiten verursachen, denn seit den 60er Jahren steht der Adler unter Denkmalschutz.

    Alt aber urgemütlich: Das Nebenzimmer der Dorfwirtschaft.
    Alt aber urgemütlich: Das Nebenzimmer der Dorfwirtschaft. Foto: Wolfgang Kahler

    Die Besitzer standen 1994 vor der Frage, ob das Gebäude renoviert oder abgerissen werden soll. Doch dem Abriss schob der Denkmalschutz einen Riegel vor. Also blieben nur Verschönerungsarbeiten, unter anderem mit neuen Sanitäranlagen. Eigentlich sollten damals auch die Sprossenfenster erneuert werden – und zwar im gleichen Stil, betont der Seniorchef. Das gefiel den Denkmalschützern allerdings nicht, also blieben die alten Fenster drin, die mittlerweile immer mehr unter Witterungseinflüssen leiden. Erst bei den Arbeiten am Außenputz kam die aufwendige Fachwerkkonstruktion des Dachgeschosses zum Vorschein.

    Im Erdgeschoss wurde eine moderne Gastroküche eingebaut. In Corona-Zeiten blieb sie aber viel zu oft kalt, gesellige Veranstaltungen fielen aus.

    Der Saal im Ettenbeurer Gasthaus Adler: Hier war schon Theo Waigel zu Gast

    Urgemütlich geht's in der alten Gaststube im Erdgeschoss zu, die von der dunklen Holzeinrichtung dominiert wird. Ein kleines Nebenzimmer bietet Platz für Vereinssitzungen. Ein besonders eindrucksvoller Gussofen aus dem Jahr 1872 prägt die Optik. Dort sind die Namen von Anton und Creszentia Schweimeier geprägt, dem damaligen Gastwirtspaar. "Wenn's ordentlich Minusgrade hat", erzählt der Seniorchef, "wird der Ofen angeheizt." Sonst reicht ein modernerer Ölofen für Wärme. Weitere Holzöfen werden als Ergänzung zur Gasheizung im Saal angefeuert.

    Markanter Oldtimer: Dieser gußeiserne Ofen aus dem Jahre 1872 dient heute noch als Wärmespender in der Gaststube.
    Markanter Oldtimer: Dieser gußeiserne Ofen aus dem Jahre 1872 dient heute noch als Wärmespender in der Gaststube. Foto: Wolfgang Kahler

    Bis Ende der 80er-Jahre hatte der Adler noch ganztags für die Gäste geöffnet. Aber durch Konkurrenz von Vereinslokalen ging die Nachfrage zurück. Heute kann die Wirtschaft an drei Tagen in der Woche ab 17 Uhr besucht werden und sonntags zum Frühschoppen.

    Für Vereine und besondere Festveranstaltungen wird der Saal natürlich nach wie vor genutzt, mit entsprechender Reservierung. Vor Wahlen haben dort schon häufiger Versammlungen stattgefunden, die von bekannten bayerischen Politikerinnen und Politikern wie dem früheren Finanzminister Theo Waigel besucht wurden. Zu nicht ganz so renommierten Gästen soll übrigens sogar schon Matthias Klostermayer gehört haben – ein als "Bayerischer Hiasl" bekannter Wilderer und Räuber im 18. Jahrhundert.

    Aber nicht nur die Politik hat schon für zahlreichen Besuch gesorgt: Seit gut 15 Jahren veranstaltet die Organisation Bürgerkultur im Schweimeier-Saal (BkiSS) dort Musikevents der besonderen Art, meist vor großem Publikum bis weit über die Landkreisgrenzen hinaus.

    Der Schweimeier-Saal des Gasthofs Adler, so benannt nach der Eigentümer-Familie, für private Feiern und kulturelle Veranstaltungen mit bis zu 140 Personen.
    Der Schweimeier-Saal des Gasthofs Adler, so benannt nach der Eigentümer-Familie, für private Feiern und kulturelle Veranstaltungen mit bis zu 140 Personen. Foto: Wolfgang Kahler

    Wie es mit dem Adler weitergeht – das weiß Gastwirtssenior Schweimeier nicht. Die Wirtschaft wird ja nicht als Haupterwerb betrieben, vielmehr sind er und Sohn Markus mit ihrer Landwirtschaft, zu dem ein Landhandel und eine Schweinemast gehören, gut genug beschäftigt. Außerdem "hat die Corona-Pandemie erhebliche Auswirkungen hinterlassen", sagt der Senior, es werde Jahre dauern, bis sich das wieder normalisiere.

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