Keine Faschingsbälle, keine Faschingsumzüge, eigentlich gar nichts, weil ja Corona nach wie vor alles zunichtemacht. Der Fasnachtsverein Burkhardia hätte in diesem Jahr sein 33-jähriges Bestehen feiern wollen. Auch die Fahnenweihe vor 200 Jahren, obwohl es die Fahne schon wesentlich früher gegeben haben soll. Ebenso lange gibt es den Jettinger Faschingsumzug. „Was hätte sich da besser angeboten, als in die Vergangenheit zu schauen? Wie haben unsere Eltern und Großeltern die Jettinger Fasnacht gefeiert?“, fragt Burkhardia-Schriftführerin Heike Reitsam. Entstanden ist eine Fotoausstellung, die am Mittwoch, 9. Februar, beginnt. Rund 350 Fotografien laden an acht Stellwänden im Vortragsraum im Eingangsbereich des Jettinger Rathauses zu einer Reise in fast 100 Jahre Jettinger Fasnacht ein.
Übrigens: In Jettingen heißt es „Fasnacht“ und nicht „Fasching“. Und wie würde sich das anhören, wenn von einem „Jettinger Karneval“ die Rede wäre? Das Herz eines jeden Fasnachters würde wohl bluten. Aber zurück zur Ausstellung. Wie kommt man denn an so viele Bilder? Die Anzeige im Marktboten, dem Amts- und Mitteilungsblatt des Marktes Jettingen-Scheppach, dass sie auf der Suche nach alten Fasnachtsbildern sei, habe nicht allzu viel gebracht, erzählt Reitsam. „Mir war schnell klar: Ich musste auf die Leute persönlich zugehen.“ Die Kontakte, vor allem die zu den „Jettinger Fasnachts-Urgesteinen“, hatte Martina Goldstein, die Ehefrau von Burkhardia-Vizepräsident Kurt Goldstein hergestellt. Reitsam fährt fort: Die Leute seien sofort begeistert gewesen und hätten sich einverstanden erklärt, dass die Bilder ausgestellt und veröffentlicht werden dürften. Manche hätten auch welche bei ihr vorbeigebracht. Aus dem Bilderabgeben seien dann schon mal zwei Stunden geworden, in denen man nur über die Jettinger Fasnacht geratscht habe, sagt die Jettingerin und lacht. Eines habe man ihr aber stets mit auf den Weg gegeben: „Pass‘ mir ja gut auf die Bilder auf“ oder „Bring‘ mir die Fotos ja wieder zurück“. Schließlich hängen an diesen auch persönliche Erinnerungen.
Früher waren die Themen mehr auf das Geschehen in Jettingen ausgerichtet
Die Originale sind inzwischen wieder bei ihren Besitzern. Die davon angefertigten Abzüge sind nach Jahrzehnten sortiert und auf farbiges Papier geklebt. Schließlich soll es an den Stellwänden auch ein bisschen bunt ausschauen. Viele stammen von den Umzügen, auch die beiden ältesten aus den 20er-Jahren: Wolfgang Amadeus Mozart, in Begleitung einer Dame und auf einem Gig, einem zweirädrigen offenen Wagen, von einem Pferd gezogen. Auf einem anderen, es könnte aus den 50ern stammen, rollt die „Stadtbahn Jettingen“ inklusive Schaffner und einer Schar maskierter Kinder durch die Straßen des Marktes. Überhaupt waren die Jettinger schon immer sehr einfallsreich, wenn es um die Fasnacht ging. Eine ältere Jettinger Fasnachterin – ihr Name brauche nicht in der Zeitung stehen, man kenne sie ja ohnehin – erzählt von dem Karussell, das ihr Vater gebaut und auf einen „Baurawagen gestellt“ habe. „Man hat es ang‘schupft und die Kinder haben Karussell fahren können.“
Bei dem Riesenrad später seien sie in richtigen Gondeln gesessen und für den Antrieb habe jemand an einer Kurbel drehen müssen. Auf einem Balkengestell befestigt sei es dann hinterhergezogen worden. „Der Umzug war früher auch viel mehr auf das Ortsgeschehen ausgerichtet“, fährt die Fasnachterin fort. Mit Jettinger Themen, bei denen man gleich gewusst habe, welche Personen damit gemeint gewesen seien. Gestandene Männer, auch Geschäftsleute, hätten auch schon einmal auf die Schnelle eine Fußgruppe gebildet, oder man sei hergegangen und habe sich von der Pappenfabrik Pappendeckel geholt, bemalt und an einen Wagen genagelt. Etwas Besonderes aber sei schon das Motto „Der Empfang von Karl V.“ gewesen, jeder in schöne Gewänder gekleidet, die man sich extra besorgt habe.
Das Rathaus als Start- und Zielort der Jettinger Fasnacht
Neben alten Fotografien von den Fähnrichen mit ihren Fähnrichsbräuten, vom Hanswurst, dem Trommler und dem Fahnenschwenker, vom Rumäckra oder von den Hausbällen in den vielen Wirtschaften, die es früher in Jettingen gab, gibt es auch zahlreiche Bilder neueren Datums: ein Vergleich zwischen damals und heute. „Manch einer wird sich wiederfinden oder einen guten Bekannten. Das ist doch das Schöne“, versichert Burkhardia-Präsident Max Behrendt. Das Jettinger Rathaus habe man gerade deswegen gewählt: „Es ist öffentlich, zentral, und es befindet sich dort, wo die Jettinger Fasnacht beginnt und endet." Seitens des Marktes sei man sehr unterstützt worden. Bürgermeister Christoph Böhm, selbst ein großer Freund der Jettinger Fasnacht, erklärt: „Sie gehört zu unserem Markt.“ Die Ausstellung sei natürlich kein Ersatz, aber sie erinnere zumindest ein bisschen an den schönen Brauch.
Öffnungszeiten Die Ausstellung kann während der Öffnungszeiten des Jettinger Rathauses nur in kleinen Gruppen mit maximal vier bis fünf Personen und nach Anmeldung bei Heike Reitsam unter Telefon 0151/56023755 besichtigt werden. Es herrschen die 2G-Regel und Maskenpflicht, beides wird kontrolliert. Der Eintritt ist frei, die Burkhardia freut sich aber über eine Spende. Die Ausstellung endet am Freitag, 4. März.