Seit ein paar Tagen sind Sommerferien. Eigentlich müssten jetzt die Großkampftage für Sie beginnen. Aber hier ist heute nicht viel los. Zu kalt, zu windig, zu regnerisch. Wie ist das für Sie als Bademeisterin?
BIANKA SCHERLE: Stimmt, seit zwei Wochen haben wir eine Durststrecke. Für die Badegäste ist das nicht lustig. Aber für uns als Personal ist es eigentlich gut, wir können mal nach den Hitzetagen durchschnaufen. Außerdem können wir das Wetter nicht ändern. Schlechtes Wetter ist etwas, woran ich nicht schuld bin.
Gibt man Ihnen etwa dafür die Schuld?
SCHERLE: Nein, aber heutzutage wird man ja schnell für alles Mögliche verantwortlich gemacht. Zum Glück leben wir hier noch in einer heilen Welt, Ichenhausen ist eine kleine Stadt, das Freibad ist familiär. In anderen Freibädern geht es ganz anders zu. Aber man merkt auch hier, dass die Gewaltbereitschaft gestiegen ist, dass man vor einer Bademeisterin keinen Respekt mehr hat.
Wer ist "man"?
SCHERLE: Im konkreten Fall ist es eine Gruppe halbstarker Jugendlicher, aber auch noch eine Gruppe erwachsener Männer. Sie treten nicht im Freibad in Erscheinung, sondern an der Badestelle an der Günz. Das ist gerade unser Brennpunkt.
Können Sie das näher beschreiben?
SCHERLE: Da kommen manchmal 20 bis 25 Personen zusammen. Die führen sich auf, zerstören Glasflaschen, betrinken sich. Es ist viel Alkohol im Spiel und leider auch Drogen. Und dann werden sie aggressiv. Wenn wir kommen und eingreifen, werden wir beschimpft. Einmal mussten wir sogar die Polizei rufen. Wir werden nicht mehr respektiert, obwohl wir nur unseren Job machen. Und unser Job ist es, für Sicherheit im Bad zu sorgen, dass kein Unfall passiert. Wir kümmern uns um alle Badegäste, egal ob jung oder alt, deutsch oder nicht-deutsch, wir machen keinen Unterschied. Wenn sich jemand nicht an die Regeln hält, egal welcher Nationalität er oder sie ist, und das wiederholt, da verstehe ich keinen Spaß.
In anderen Freibädern gab es heuer schon Randale und Schlägereien. Warum brennen bei manchen Badegästen die Sicherungen durch?
SCHERLE: Ich wünsche mir manchmal Corona zurück, da gab es das alles nicht. Da haben sich alle Badegäste an die Regeln gehalten. Da war es ruhig. Jetzt ist das erste Jahr nach der Pandemie und manche schießen drüber hinaus, als ob sich in den Jahren zuvor etwas aufgestaut hätte. In anderen Bundesländern ist es extrem, aber es schwappt auch hierher in diese kleine Stadt. Es ist nicht mehr so brav, wie es mal war. Es ist ein Wahnsinn, was da gerade passiert. Es werden ja nicht nur Bademeister nicht mehr respektiert, diese Respektlosigkeit trifft auch Polizisten oder Feuerwehrleute. Das wird immer schlimmer und fängt schon bei den Kleinsten an. Dabei haben wir alle nur ein Ziel, wir machen unseren Job und wollen Leben retten.
Als Frau und Bademeisterin haben Sie es wahrscheinlich noch schwerer.
SCHERLE: Als Frau hat man es noch schwerer, das stimmt. Ich bin eine sehr dominante und konsequente Bademeisterin, anders geht es nicht. Mit Nett-sein kommt man nicht weit. Ich mache klare Ansagen und wer sich nach der dritten Verwarnung nicht daran hält, muss aus dem Wasser raus oder bekommt sogar Hausverbot. Und wer sich auch daran nicht hält, kassiert eine Anzeige. Meistens sind es die Gleichen, die nicht hören wollen. Alleine sind die Jungs harmlos, sobald sie in der Gruppe sind, hauen sie drauf. Es ist doch nicht zu viel verlangt, dass man seinen eigenen Müll wegbringt. Und dass man keine Glasscherben im Sand vergräbt. Aber wenn ich darauf hinweise, bekomme ich zu hören: 'Was willst Du eigentlich, das ist deine Aufgabe.' Insgesamt geht es hier in Ichenhausen ja noch harmlos zu. Aber die Beleidigungen haben zugenommen. Und beleidigen und bedrohen lasse ich mich nicht.
War das auch schon der Fall?
SCHERLE: Einer hat mal gesagt, 'Da hinten steht dein Auto, wir schlitzen die Reifen auf.'
Wie weit muss es kommen, dass Sie die Polizei rufen?
SCHERLE: Wenn ich eine Gefahr sehe, für die Jugendlichen selbst oder für andere Badegäste. Und wenn eine größere Gruppe zusammenkommt, Alkohol im Spiel ist, wenn ich alleine nicht mehr weiterkomme und wir auch zu dritt nichts ausrichten können, dann rufe ich die Polizei. Einmal war das heuer der Fall. Es wäre cool, wenn wir an Spitzentagen von einem Ordnungsdienst unterstützt werden könnten. Es würde reichen, wenn der sich zwei- bis dreimal am Tag im Bad zeigt. Das würde uns entlasten. Security braucht es meiner Meinung nach nicht. Aber ein Ordnungsdienst wäre, glaube ich, eine tolle Sache für alle Freibäder.
Wie lange sind Sie eigentlich schon Bademeisterin?
SCHERLE: Rettungsschwimmerin bin ich seit 20 Jahren, hier im Bad bin ich in der vierten Saison Bademeisterin. Vorher war ich in einem Team im Donaubad in Neu-Ulm. Ich komme also aus einem großen Bad und habe schon viel erlebt. In Ichenhausen ist es im Vergleich ruhig, es ist familiär, wie ein großer Garten. An Spitzentagen sind hier 600 Badegäste und an der Badestelle noch einmal 150 bis 200. Im Donaubad habe ich schon 5000 bis 7000 Badegäste erlebt, das ist eine andere Welt. Da passieren dann schon mal größere Unfälle, da sind wir hier zum Glück bisher verschont geblieben.
Es gibt ja so das Klischee, dass ein Bademeister ein tolles Leben hat, immer an der Sonne ist, eigentlich jeden Tag Urlaub hat ...
SCHERLE: Schön wär's, Urlaub gibt es im Sommer überhaupt keinen. Wir sind an sieben Tagen im Einsatz, fangen morgens um 8 Uhr an und gehen oft erst abends um 21 Uhr raus. Was wir vor und nach dem Badebetrieb alles machen, das sieht keiner. Wir mähen, schneiden die Hecken, jäten Unkraut, sorgen dafür, dass die Anlage hier läuft, dass alle Parameter stimmen.
Und dann müssen Sie nebenbei noch mit Eltern diskutieren, die ihre kleinen Kinder rutschen und planschen lassen, während sie selbst fernab sitzen und sich anderweitig beschäftigen. Da haben kürzlich erst Bademeister in Krumbach und Burgau Alarm geschlagen.
SCHERLE: Das ist tatsächlich ein Riesenproblem. Die Aufsichtspflicht an den Bademeister abgeben, das ist das Motto. Man bezahlt ja Eintritt, also kann der Bademeister auf das Kind aufpassen. Die Eltern liegen dann selbst im hintersten Eck, sind nur am Handy dran, während der Dreijährige ohne Schwimmflügel rumspringt. Wenn die Kinder aber unter sechs Jahre alt sind, haben die Eltern die Aufsichtspflicht, das ist nicht unsere Aufgabe. Wir können viel, aber wir sehen nicht alles. Ich bin für die Sicherheit für alle zuständig, aber ich mache keine Einzelbetreuung. Ich habe schon mal eine Kinderleiche aus dem Wasser gezogen. Hier ist Gott sei Dank noch nichts passiert, aber wir sind nicht davor gefeit, dass es hier nicht auch passieren kann. Der Großteil der Eltern reagiert vernünftig, wenn man sie anspricht. Aber es gibt auch Eltern, die es nicht einsehen.
Ist es trotz allem noch ihr Traumjob?
SCHERLE: Definitiv. Es ist zwar viel Arbeit und Stress, die Kommunikation funktioniert nicht mit allen, aber ich würde es immer wieder machen. Ichenhausen ist ein schönes Bad, ich bin froh, dass ich es übernommen habe. Wasser, Leben retten, das war immer meins und bleibt meins. Und wenn wir Bademeister es nicht machen, macht es keiner, dann werden am Ende Freibäder geschlossen. Ich würde mir nur ein bisschen mehr Anerkennung wünschen. Es reichen schon Worte, die machen viel aus.
Noch eine letzte Frage: Was macht eigentlich eine Bademeisterin im Winter, wenn das Freibad geschlossen hat?
SCHERLE: Ich gebe Schwimmkurse. Ich habe 2003 eine eigene Schwimmschule eröffnet, da gibt es auch im Winter genug zu tun. Mein Team und ich haben inzwischen fast 10.000 Kindern das Schwimmen beigebracht. Den Schwimmkursen gehört mein Herz, das ist mein Lebenswerk und meine Hauptarbeit. Bademeisterin ist mein Hobby.
Zur Person
Bianka Scherle, 52, ist seit drei Jahren Bademeisterin im Freibad Ichenhausen. Die gelernte Verkäuferin hat 2003 eine eigene Schwimmschule eröffnet. Außerdem hat sie eine Ausbildung für Fachangestellte für Bäderbetriebe gemacht. Scherle ist verheiratet und hat drei Kinder.