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Interview
15.06.2024

"Die Gewalt des Wassers konnte sich niemand vorstellen"

Während des Hochwassers im Landkreis Günzburg war Landrat Hans Reichhart (Mitte) fast pausenlos im Einsatz.
Foto: Mario Obeser

Der Landkreis Günzburg war von der Flut massiv betroffen. Landrat Reichhart spricht über Helfer am Limit und die Frage, ob beim Hochwasserschutz Zeit vertrödelt wurde.

Wenn Sie an die Tage der Flut zurückdenken, was kommt Ihnen als Erstes in den Sinn? 

Hans Reichhart: Ach, ganz viel. Ich erinnere mich vor allem an die Nacht von Samstag auf Sonntag, da hieß es plötzlich, Offingen ist überflutet. Ich habe die Meldung eines brennenden Autos in Erinnerung. Ein brennendes Auto – mitten im Hochwasser. Kurz darauf brannte ein Haus, schließlich die Nachricht, es sei keine Person drin, da waren wir wieder etwas entspannter. 

Und dann kenterte ein Rettungsboot …

Hans Reichhart: Ja, das brachte zwei bis drei Stunden völlige Unsicherheit. Einer der Feuerwehrleute an Bord hat sich im Wasser an einem Baum festgehalten. Er hat sein Handy rausgezogen und die Rettung alarmiert, das hat trotz des Wassers noch funktioniert. Drei DLRGler saßen auf einer Insel fest. Wir wussten nicht, wie es ihnen ging, wie ihre Lage war. Wir versuchten verzweifelt, einen Hubschrauber zu holen, aber die Piloten konnten aufgrund des Wetters und der Wolkenlage nicht fliegen, das wäre lebensgefährlich gewesen.

Ein Auf und Ab, Stunde für Stunde, am Ende konnten die vier Rettungskräfte in Sicherheit gebracht werden … 

Hans Reichhart: Genau und dafür bin ich sehr dankbar. Ich bin Samstagnacht erst die B16 entlanggefahren. Man kam wieder über die Kammel, Neuburg war ok, in Wettenhausen hieß es, wird schon. Dann kam die Nachricht, nachts: Offingen steht unter Wasser. Einer der Zugführer der Feuerwehr sagte mir: Dieser Einsatz war Wahnsinn. Wir üben regelmäßig für Katastrophenfälle. Aber hätten wir das, was in diesen Tagen im Landkreis passiert ist, als Übungsszenario vorgegeben, hätte man uns für verrückt erklärt. Die Gewalt des Wassers konnte sich niemand vorstellen, das hat ja Pflastersteine aus dem Boden gerissen. Am emotionalsten aber war für mich das Gespräch mit der Mutter des vermissten Feuerwehrmanns.

Besteht hier noch Überlebenshoffnung?

Hans Reichhart: Wir suchen weiter. 

Wann wurde Ihnen klar, dass das angekündigte Hochwasser eine Katastrophe zu werden drohte? 

Hans Reichhart: Unser Katastrophenschutz hatte die Wetterprognosen seit der ersten Vorwarnung des Deutschen Wetterdienstes im Blick. Schon zu dieser Zeit haben wir die Bevölkerung informiert. Am Freitagvormittag haben wir dann die prognostizierten Pegelstände für das Wochenende erhalten und eine erste Runde mit Experten einberufen. Auch die Lechwerke, ein großer Kraftwerksbetreiber, schätzten die Lage ähnlich kritisch ein. Ab Mittag haben wir das THW und die Feuerwehren gebeten, Sandsäcke vorzubereiten. Im Lauf des Nachmittags wurde klar, dass mit einem hundertjährigen Hochwasser gerechnet werden muss. Wir haben dann früh den Katastrophenfall ausgerufen. Wir hatten bereits am Samstag im südlichen Landkreis eine schwere Belastung. Zur Katastrophe wurde es dann in der Nacht von Samstag auf Sonntag, als sich die Scheitel der Pegel alle in Offingen und Günzburg getroffen haben – Donau, Kammel, Günz, Mindel. Das war unvorstellbar. Wir hatten in Offingen 1,5 Meter Wasser stehen. Selbst die DLRG kam stellenweise wegen der Strömung mit ihren Booten nicht mehr durch, das waren Naturgewalten. 

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Warum ist eigentlich der Landrat der oberste Krisenmanager? 

Hans Reichhart: Die eigentliche Arbeit liegt natürlich bei den Feuerwehren und Bürgermeistern vor Ort. Aber wir im Landratsamt weisen zu, verteilen Kräfte, unterstützen und treffen im Zweifel auch die Entscheidungen vor Ort. Unsere Behörde hat den Überblick, und es war ja tatsächlich der ganze Landkreis betroffen. Wir haben im Keller einen Krisenstab eingerichtet, der auch in der vergangenen Woche immer noch getagt hat. Mehrmals am Tag kamen wir mit allen Experten zusammen. Es gab ja eine tolle Solidarität, so viele helfen ehrenamtlich mit. Wenn es darauf ankommt, halten die Leute zusammen.

Sonntagmittag musste auf einmal alles schnell gehen, die Unterstadt in Günzburg unverzüglich geräumt werden. Warum kam das so plötzlich?

Hans Reichhart: Die Günz hatte vorher ja schon Babenhausen überflutet. In Günzburg kamen die Peaks der Donau und der Günz zusammen. Das Wasser aus der Günz ist nicht mehr richtig abgeflossen. Es war einfach zu viel Wasser. Und viel Wasser kam aus Bereichen, wo man es nicht vorhersagen konnte. Es ist Wasser aus den Überläufen zurückgelaufen. Das war für die Polder und Dämme nicht mehr zu bewältigen. Irgendwann ist der Retentionsraum voll und das Wasser läuft von den Wiesen und Feldern im weiteren Flusslauf in die Günz zurück, Für die Unterstadt bedeuteten diese Wassermassen dann eine kritische Lage. 

Im Landkreis sind praktisch sofort Hilfsaktionen angelaufen, Sie bekamen aber auch Unterstützung aus ganz Bayern – unter anderem von der Bundeswehr.

Hans Reichhart: Wir hatten außerdem Wasserrettungstrupps aus Thüringen, Oberfranken, Mittelfranken, Unterfranken und der Oberpfalz da – was die geleistet haben, das war gigantisch. Asylbewerber aus Syrien halfen, alle halfen. Bei uns haben sich sogar Leute aus dem Ahrtal gemeldet, die helfen wollten. Es ist großartig, was die Bundeswehr geleistet hat, etwa unten an der Bleiche in Günzburg, wo die Soldaten aus Volkach bis nachts um vier gearbeitet und geräumt haben. Das hat auch den Menschen hier sehr gutgetan. In Jettingen, wo eine Siedlung schon wiederholt vom Hochwasser betroffen war, haben die Leute der Bundeswehr zugejubelt. Sie sahen: Der Staat ist da und hilft. 

Legoland stellte seine Hotels zur Verfügung …

Hans Reichhart: … eine riesige Hilfe. Das Haus von Legoland-Chefin Manuela Stone selbst stand unter Wasser. Trotzdem rief sie mich an und bot uns Übernachtungsmöglichkeiten im Legoland an, dort konnten wir bis zu 700 Helfer unterbringen. Soldaten aus Murnau sagten: Wir waren schon auf vielen Einsätzen, aber so toll waren wir noch nie untergebracht. Ich habe vor ein paar Tagen einen Blumenstrauß vorbeigebracht und einfach Danke gesagt. 

Was auffällt, ist, wie unterschiedlich stark das Hochwasser zugeschlagen hat. An der Mindel in Thannhausen ging es fast ohne Schäden ab, in Offingen wurde der gleiche Fluss zur tödlichen Falle. Ist Hochwasserschutz die entscheidende Erklärung?

Hans Reichhart: Jedenfalls eine wichtige. Das Projekt Mindeltal ist richtungsweisend, wie Hochwasserschutz laufen sollte. Das ist ein Gemeinschaftsprojekt. Die Balzhauser beteiligen sich am Hochwasserschutz in Offingen und die Offinger am Hochwasserschutz in Balzhausen. Das ist das richtige Miteinander. Aber es dauert halt lange. Man muss oben am Flusslauf anfangen. Erst wenn oben alles gemacht ist, kann ich unten den letzten Damm hochziehen.

Der Flutpolder an der Donau in Leipheim soll jetzt als Teil des Flutpolderprogramms kommen, hat Umweltminister Glauber nun angekündigt. Hätte dieses Projekt Schlimmeres verhindern können, wenn es schon umgesetzt wäre? 

Hans Reichhart: Man muss sagen, der Hochwasserschutz wirkt. Wo die Maßnahmen gebaut waren, gab es wenige oder gar keine Überschwemmungen. Der Polder in Balzhausen, der Hochwasserschutz in Thannhausen – da hatten wir überall wenig Probleme. Was Leipheim angeht: Es gibt unterschiedliche Aussagen dazu, ob der Polder an der Donau etwas gebracht hätte oder nicht. Wesentlich ist, dass nun dem Letzten hoffentlich klar ist, dass wir Hochwasserschutz brauchen. Der Schaden für Leib und Leben ist so groß, dass es einfach Sinn ergibt, Dämme und Polder zu bauen.

Zuletzt schrieben drei Bürgermeister aus Nachbarlandkreisen einen Brandbrief an den Umweltminister, in dem sie kritisieren, dass beim Hochwasserschutz zu wenig passiert sei. Dazu passt, dass Hubert Aiwanger nach der Landtagswahl 2018 Flutpolder im Gespräch mit unserer Redaktion als überflüssig und zu teuer bezeichnete. Wurde hier wertvolle Zeit vertan?

Hans Reichhart: Auf jeden Fall. Wenn man das Signal sendet, dass Polder von Koalitionsverhandlungen abhängen, dann ist das einfach falsch. Man muss mit Nachdruck dahinterstehen. Wir brauchen das Signal: Wir stehen dazu, wir bauen das jetzt.

An vielen Stellen hätte Hochwasserschutz wenig geholfen, denn das Wasser kam aus dem Boden, Grundwasser, und von den Feldern. So wie beim Hochwasser 2013. Was kann man hier tun? 

Hans Reichhart: Dezentralen Hochwasserschutz und Regenrückhaltebecken auch an unseren Bächen und kleinen Flüssen. Was wir auch brauchen, ist mehr Personal in den Wasserwirtschaftsämtern, und wir brauchen mehr Geld für den Hochwasserschutz. Von dem Geld, was die Schäden jetzt kosten, könnten Sie viele Dämme bauen.

Muss man künftig bei der Begutachtung von Bauanträgen und der Ausweisung von Baugebieten verstärkt darauf schauen, dass diese nicht in vom Hochwasser bedrohten Gebieten liegen? 

Hans Reichhart: Die Menschen suchen händeringend Wohnungen, daher muss gebaut werden. Es wurden diesmal viele Bereiche überschwemmt, die in keiner Karte ausgewiesen waren. Das waren Orte, da hat niemand gerechnet, dass hierhin Hochwasser vordringt. Wir hatten eben nicht nur ein hundertjähriges Hochwasser, sondern ein extremes. Aber es stimmt schon: Lokale Starkregenereignisse werden künftig öfter kommen. Wir können nie jedes Risiko ausschließen. Diskussionen, ob Dämme erforderlich und sinnvoll sind oder nicht, sind jetzt hoffentlich vorbei.

Ministerpräsident Markus Söder hat Günzburg während des Hochwassers besucht. Er fordert angesichts der Schäden eine Pflichtversicherung, ähnlich wie beim Brandschutz. Sehen Sie das auch so? 

Hans Reichhart: Wir brauchen eine Pflichtversicherung für Elementarschäden, das dient dem Schutz jedes Einzelnen. Und wenn wir den Versicherungen wegen des hohen Risikos etwas zuschießen müssen, damit sie bezahlbar bleiben, dann ist das in Ordnung. Denn wenn wir ehrlich sind: Wir zahlen heute alle Schäden über Steuermittel, auch die Soforthilfe. Manche im Landkreis haben ja bereits eine Versicherung. Da stand der Bautrockner schon da, als das Wasser noch nicht weg war. Andere konnten keine abschließen. Und die Menschen sind unterschiedlich betroffen. Ein Betroffener sagte mir, die 5000 Euro Soforthilfe würden ihm reichen, damit sei für ihn alles erledigt. Andere haben ganz andere Sorgen, weil sie wirklich alles verloren haben.

Das Jahrhunderthochwasser hat auch Firmen getroffen. Wie ist hier die Situation? 

Hans Reichhart: Viele Schäden kommen jetzt erst zum Vorschein. Ich habe ein Unternehmen besucht, da ist jede Maschine kaputt. Der Schaden liegt wahrscheinlich bei 15 Millionen Euro. Im Gebäude stand einen Meter hoch das Wasser, da ist jede Steuerungstechnik kaputt. Das sind dramatische Situationen. Man kann heute noch keine endgültigen Gesamtschadenssummen nennen. Aber eine halbe Milliarde Euro, so sagen mir Experten, sei für unseren Landkreis nicht zu klein. 

Die Hilfe bei der Aufarbeitung der Schäden ist das eine. Aber nach dem Hochwasser dürften viele Menschen auch psychische Unterstützung brauchen. Wie wird die organisiert?

Hans Reichhart: Da gibt es zum Glück viele Angebote. Der Offinger Pfarrer war beispielsweise unterwegs, die evangelische Kirche hat viel angeboten, und unser psychosozialer Dienst und die Kriseninterventionsdienste waren auch draußen. Ich kann an jeden, auch die freiwilligen Helfer nur appellieren, solche Hilfe auch in Anspruch zu nehmen. 

Wann wird die Region diese Krise überwunden haben, wie lange dauert das?

Hans Reichhart: Das lässt sich schwer sagen. Jetzt geht das Adrenalin weg, jetzt, wo die Gefahr schon eine Weile vorbei ist. Jetzt wird das Ausmaß der Schäden sichtbar, es ist ja schon irre: Von außen sehen Sie vielen Häusern gar nichts an, wenn sie durch manche Straßen fahren, das sieht aus wie immer. Und dann gehen sie rein … Wenn das Wasser abläuft, fängt die Arbeit an, sagt man. Wir müssen zusammenhalten. Und das werden wir. 

Zur Person: Hans Reichhart, 41, ist seit Mai 2020 Landrat im Kreis Günzburg. Zuvor war der CSU-Politiker Mitglied des Landtags und Staatsminister für Wohnen, Bau und Verkehr.

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