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Ichenhausen: Zuschläger, Messer, Mistgabeln: Was die Telchinen-Schmiede in Ichenhausen machen

Ichenhausen

Zuschläger, Messer, Mistgabeln: Was die Telchinen-Schmiede in Ichenhausen machen

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    Schmieden, was das Zeug hält – und das dreimal die Woche: Die Schmiede selbst ist ein umgebauter Lkw-Auflieger.
    Schmieden, was das Zeug hält – und das dreimal die Woche: Die Schmiede selbst ist ein umgebauter Lkw-Auflieger. Foto: Peter Wieser

    Was sind eigentlich Telchinen? Roland Dirr klärt auf: „Telchinen sind feuer- und metallwissende Wesen aus der griechischen Mythologie, die dem Hephaistos, dem Gott des Feuers und der Schmiedekunst, zu Diensten standen und für ihn geschmiedet haben.“ Auch den Dreizack des Poseidon hätten sie geschmiedet und ihm Zauberkräfte eingehaucht. Telchinen gibt es auch in Ichenhausen, nämlich die Telchinen-Schmiede:

    Für den Namen Telchinen-Schmiede sei ein Percy-Jackson-Buch verantwortlich gewesen, in dem Telchinen eine Rolle gespielt hätten. So sei der Name entstanden.

    Und wie kommt man zum Schmieden? „Man fängt einfach irgendwann an“, sagt Dirr. Es sei immer so ein Traum gewesen, etwas mit einer Schmiede zu machen, und er habe zu sammeln begonnen: Die eine Esse stamme aus Norddeutschland, der 120 Kilogramm schwere Amboss gar von einem früheren Schiff. Das Schmieden hat Roland Dirr um das Jahr 2006 begonnen, kurze Zeit später kam Andreas Trautwein als Zuschläger dazu.

    Die Schmiede ist in einem umgebauten Lkw-Auflieger

    Dirr erklärt: „Der Schmied gibt mit dem Hammer vor, war zu tun ist, der Zuschläger potenziert die entsprechende Verformung mit dem Gewicht des Vorschlaghammers.“ Das sei reine Übungssache, man müsse ein eingespieltes Team sein und es sei Präzision gefragt. Gesprochen werde nichts, kommuniziert werde über die Hammerschläge. Später kam Armin Lechner dazu. Seine Frage nach der Herstellung zweier Messer für ihn war schnell beantwortet: Er müsse sich diese aber schon selber machen. Sebastian Malecha ist seit 2017 dabei. Als Lehrer wollte er das Thema Schmieden im Rahmen einer AG seinen Schülern nahebringen und holte sich bei Roland Dirr Informationen. Dadurch sei er ebenfalls beim Schmieden hängen geblieben, erzählt er.

    Schmieden aus Leidenschaft und nach altem Wissen: (von links) Andreas Trautwein, Sebastian Malecha, Fotograf Rainer Kraus, Armin Lechner und Roland Dirr. Den selbstgeschmiedeten Grill dahinter ziert eine geflügelte Telchine.
    Schmieden aus Leidenschaft und nach altem Wissen: (von links) Andreas Trautwein, Sebastian Malecha, Fotograf Rainer Kraus, Armin Lechner und Roland Dirr. Den selbstgeschmiedeten Grill dahinter ziert eine geflügelte Telchine. Foto: Peter Wieser

    Die Schmiede selbst befindet sich in einem umgebauten Lkw-Auflieger. Wenn dienstags, donnerstags und samstags aus den Schornsteinen Rauch dringt, dann wird geschmiedet. Bei den Telchinen-Schmieden ist nahezu alles Handarbeit. Lediglich die Luftzufuhr, die in den beiden Essen die Glut anfacht, funktioniert elektrisch. Auch die Zangen haben einen historischen Touch. „Ein Schmied kann nie genügend Zangen haben; sind es 500, dann hat er immer noch eine zu wenig, weil jedes Werkstück anders gegriffen werden muss“, sagt Roland Dirr und lacht. Bei ihnen seien es aber nur etwas über hundert.

    Die Schmiede wollten etwas Bleibendes hinterlassen

    Im August waren die Telchinen-Schmiede für zwei Tage auf der Klosterbaustelle Campus Galli bei Messkirch. Dort entsteht ohne modernes Werkzeug, sondern mit Mitteln des 9. Jahrhunderts ein Kloster auf Grundlage des sogenannten St. Galler Klosterplans. Man habe nicht nur einfach mitmachen, sondern etwas Bleibendes hinterlassen wollen. Die Vision sei gewesen: das Sammeln von Eisenerz, die Verhüttung des Eisens im Rennofen sowie das Schaffen des fertigen Produkts nach alten Methoden. Wegen Corona hatte sich dies nur auf das Produkt beschränkt: das Schmieden von historischen Beschlägen für die Eingangstür der dortigen Holzkirche.

    Bei den Telchinen-Schmieden geht es nicht ums Geldverdienen, sondern um den Erhalt und die Weitergabe von Wissen. Alles wird dokumentiert und auf die Internetseite gestellt. Ihre Texte werden sogar von Berufsschulen verwendet, sind mittlerweile auch Bestandteil von Lehrtexten an Universitäten. Zudem sind sie Mitglied im Internationalen Fachverband gestaltender Schmiede und gleichzeitig mit Schmieden auf der ganzen Welt vernetzt. „Keiner wird von sich behaupten, dass er ausgelernt hat“, erklärt Andreas Trautwein.

    "Wenn etwas misslingt, ist es eben ein Kerzenständer"

    Man rede miteinander und lerne voneinander. Man könne ein Messer auf zehn, 20 verschiedene Arten herstellen, aber im Endeffekt komme das gleiche Ergebnis heraus und das sei das Schöne. Vor allem bei Damastmessern aus verschiedenen Stahl- und Eisensorten, bei denen die unterschiedlichen Materialeigenschaften zusammengebracht würden und auch die Musterung gesteuert werden könne.

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    Grundsätzlich machen die Telchinen-Schmiede alles, von Möbeln, Tischen und Stühlen bis hin zu Dekoartikeln – zumeist für Freunde oder Bekannte. Armin Lechner verrät scherzend: „Man sagt vorher nicht, was es wird und wenn etwas misslingt, dann ist es eben ein Kerzenständer.“ Auch ein Recycling-Gedanke spielt mit: Vieles werde weggeworfen und könne wiederverwertet werden. Zumeist handelt es sich um hervorragendes Material, wenn es umgeformt und einer neuen Funktion zugeführt werde, fügt Roland Dirr hinzu.

    etwas andere

    Kurse

    Spannend werde es, wenn man die Legierungsbestandteile kenne und die Reaktion des Stahls oder des Eisens erst im Feuer erkenne. Auch Kurse geben die Telchinen-Schmiede, aber etwas anders: Wenn jemand etwas bestimmtes herstellen möchte, sei es die selbstgeschmiedete Mistgabel oder das Pizzamesser, dann macht er das komplett selbst. Worin liegt die Leidenschaft, mit der die Telchinen-Schmiede schmieden?

    Man gestalte etwas mit den eigenen Händen, man könne es nicht beschleunigen, denn das Werkstück gebe das Tempo vor, das es vertrage. „Das Eisen sagt dir sofort, wenn du etwas falsch gemacht hast und du dich blamierst“, sagt Roland Dirr. Er drückt es so aus: „Erfahrung ist das, was man vor zwei Minuten gebraucht hätte. Du kannst mit einem einzigen Schlag alles kaputtmachen.“

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