Eine quietschende Mädchenstimme schallt durch den Raum in der evangelischen Kindertagesstätte in Günzburg. "Friiiiiedaaa, wo bleibst duuu?" Die kleine Mia ruft nach einer ganz bestimmten Kindergartenfreundin. Eine schwarze Hundedame kommt schwanzwedelnd aus einem Nebenraum. "Ach, hier warst du."
Manchmal zieht sich Frieda etwas zurück, wenn es ihr zu viel Trubel wird. Dann legt sie sich in ihren Korb im Büro von Martina Dittmayer, der Leiterin des evangelischen Kindergartens und gleichzeitig Friedas Besitzerin. Seit über zwei Jahren ist Frieda fester Bestandteil im Team des Günzburger Kindergartens. Die Schäferhund-Labrador-Mischlingshündin hat einen pädagogischen Zweck, aber keine Arbeitszeiten wie die anderen Erzieherinnen.
"Hunde können stressreduzierend auf Menschen wirken"
Martina Dittmayer, Leiterin des evangelischen Kindergartensundefined
"Feste Frieda-Zeiten gibt es so gesehen nicht", erzählt Dittmayer."Wenn wir aber beispielsweise merken, dass ein Kind in der Krippe sich bei der Eingewöhnung schwertut, darf die Frieda mit in diese Gruppe." Da Hunde stressreduzierend auf Menschen wirken können, fühlen sich gerade die neuen und noch sehr jungen Kinder in Friedas Nähe sehr wohl. Und andersrum merke Frieda auch, wo sie unterstützen kann, sagt Dittmayer. Wenn ein Kind sich verletzt oder hinfällt, lege sich die Hundedame meistens dazu. Das habe eine tröstende Wirkung auf die Kleinen. "Bei uns gibt es einige Kinder, die gerade am Anfang unsere Sprache nicht sprechen. Der Hund kann da ein wichtiger Vermittler von Bedürfnissen sein." Woher die Kindergartenleiterin das alles weiß?
Dittmayer ist mitten in ihrer Weiterbildung - an einer Schweizer Hochschule studiert sie tiergestützte Arbeit. Die Idee, Tiere mit in den Kindergartenalltag einzubinden, kam ihr jedoch früher. Frieda sei ab und zu mal bei der Arbeit dabei gewesen. Wenn sie mal nicht mitkam, hätten die Kinder sofort nach ihr gefragt. Auch die Rückmeldung der Eltern auf die Einbindung von Haustieren sei sehr positiv gewesen, sodass schnell neue Bewohnerinnen und Bewohner dazukamen: zum Beispiel Herr und Frau Barsch oder die Kaninchen Leopold und Aloisia. Insgesamt sind es mittlerweile zwölf Kaninchen und zwei Aquarien. So viele Tiere gibt es in keinem Kindergarten im Landkreis. Jedes der knapp 60 Kinder in der Kindertageseinrichtung hat sein eigenes Lieblingstier - wobei Frieda bei allen ganz vorne steht.
Die Tiere in der Günzburger Kita sind Co-Pädagogen
undefinedundefined
Die Tiere sind nicht nur witzige Spielpartner, sie agieren auch als Co-Pädagogen. Dittmayer beschreibt ein Beispiel: Zwei Jungs toben in der Büchereiecke, es wird lauter, eine Erzieherin fragt, ob sich Frieda dazulegen darf. "Die Kinder werden sofort ruhiger, da der Hund den Stress aus der Situation nimmt. Letztendlich haben die zwei Jungs dann Frieda vorgelesen, und sie ist eingeschlafen", sagt Dittmayer und lächelt. Frieda habe, wie auch ihre Artgenossen, eine körperliche, psychische und soziale Wirkung auf Menschen. Die Kindergarten- und Krippenkinder werden in verschiedenen Weisen - auch unbewusst - gefördert. Da der Hund von Natur aus viel auffordert, gebe es mehrere Möglichkeiten, das einzubinden.
Im Günzburger Kindergarten sieht das so aus: Die Kinder merken beispielsweise, Friedas Napf ist leer, da muss man Wasser nachfüllen. Oder sie liegt in ihrem Korb, also lässt man sie in Ruhe. Die Kleinen lernen auch, wie man den Kaninchenkäfig sauber macht oder wie viel Futter die Fische bekommen. "Bei vielen ist die Bindung zu den Tieren sehr eng", erzählt die Pädagogin. "Manche Kinder bringen täglich Karotten zum Füttern mit. Und es gibt auch Kolleginnen, die ihre Mittagspause im Sommer bei den Kaninchen im Garten verbringen. Die strahlen so eine Ruhe aus", sagt die Tierexpertin. An diesem Vormittag spielen Mia und Moritz draußen und wollen die Kaninchen füttern.
Moritz springt zu dem grünen Futterhäuschen und öffnet die Türe. Es kruschtelt, dann kommt er mit einer Hand voll Rosenkohl und Karottengrün wieder heraus. "Die Kaninchen mögen das." Er nicht so, wie er auf dem Weg in den Kaninchenkäfig erzählt. Hier lernen die Kinder, was Geduld bedeutet. Man muss sich ruhig verhalten, am besten nicht herumspringen, wenn man möchte, dass Leopold und seine Familie aus der Hand fressen. Auffällig ist auch die riesige "Wohnanlage" der Haustiere aus Holz. Die Leitern und Häuser haben die Kindergartenkinder selbst zusammengebaut.
Auch mit dem Thema Tod wurden die Kinder konfrontiert
undefinedundefined
Drinnen wird es mittlerweile ein bisschen ruhiger. Dittmayer hat einen "Suchteppich" für Frieda mitgebracht. Der fördert Hündin und Kinder gleichermaßen. Erst einmal haben aber die Kinder Spaß, Friedas Leckerlis in den Löchern des Teppichs zu verstecken. Egal ob drei oder fünf Jahre alt - die Kleinen wissen schon genau, wie sie mit Frieda sprechen und umgehen müssen. Auf "Sitz" oder "Such" reagiert die Hündin und findet am Ende fast jedes Leckerli.
Egal ob Spielen, Füttern, Saubermachen: Im Alltag sind die Tiere und die Kitakinder ein eingespieltes Team. Aber es gab auch schon dunkle Momente. Vor einiger Zeit mussten kleine Kaninchen beerdigt werden. "Die Jungs haben eine Grabstätte gebaut, ein Schild hingestellt und sogar eine Grabrede bei der Beerdigung gehalten", erzählt Dittmayer. "Ja, und auch das gehört zur Entwicklung der eigenen Kompetenzen und zur tiergestützten Arbeit dazu." Die Leiterin will die Arbeit mit Tieren weiterentwickeln, den Kindern vermitteln, wie wichtig das Zusammenspiel von Mensch und Umwelt ist. Dazu gehören nicht nur die Tiere, sondern auch Themen wie Vielfalt, Ernährung oder Respekt vor der Natur. Für dieses Bewusstsein hat der evangelische Kindergarten seit 2019 das Zertifikat "Eine-Welt-Kita".