Gerade ist Markus Söder ins Auto gestiegen, die Kolonne des Ministerpräsidenten macht sich auf den Weg zum nächsten Termin. Draußen atmen diejenigen, die ihn zum Fahrzeug begleitet haben, tief durch. Man sieht Philipp Rauner die Freude an, alles ist glattgegangen - doppelt glatt aus seiner Sicht sogar. Für den Vorsitzenden des TSV Wasserburg kann jetzt das fünftägige Fest zum 100-jährigen Bestehen so langsam ausklingen, das in den vergangenen Tagen stattgefunden hat. Und für den Ortsvorsitzenden der CSU Günzburg - denn dieses Amt bekleidet Rauner ebenfalls - ist zugleich auch der große Wahlkampftermin im Vorfeld der Europawahl geschafft.
Und Markus Söder? Der hat wie gewohnt abgeliefert. Frisch zurück von seiner Italien-Reise, bei der er mit Ministerpräsidentin Giorgia Meloni Handynummern ausgetauscht und bei einer Audienz Papst Franziskus ein Amulett aus Augsburg überreicht hatte, gibt er am Muttertag den Landesvater. Einzug ins Festzelt zum Bayerischen Defiliermarsch, Händeschütteln, Anstoßen über dem Biertisch mit Landrat Hans Reichhart, Oberbürgermeister Gerhard Jauernig, der Landtagsabgeordneten Jenny Schack, dem mit seiner ganzen Familie angereisten Bundestagsabgeordneten Alexander Engelhard und dem Europaabgeordneten Markus Ferber, alles spricht eine fröhliche, volksnahe Sprache.
Ministerpräsident Markus Söder in Günzburg: So lief der Auftritt im Festzelt
Die ernsten Blicke der Personenschützer, dem Anlass entsprechend statt im Sakko mit Janker bekleidet, sagen allerdings etwas anderes. Sie haben das Festzelt und die Menschen, die sich Söder nähern, genau im Blick. Dass einer von ihnen mit einem transparenten Regenschirm bewaffnet ins Zelt gekommen ist, deutet darauf hin, dass der Ministerpräsident sich trotz aller Begeisterung doch auch vor unverhofften Attacken beschützt wissen will.
Doch in Günzburg bleibt alles weitgehend friedlich. Eine Handvoll Demonstranten hat draußen vor dem Zelt Schilder hochgehalten und gegen das bayerische Genderverbot demonstriert, später wird bei der Abreise Söders eine Frau auf die verzweifelte Lage ihrer Tochter in einem Heim aufmerksam machen. Das war es auch schon mit Protesten. Günzburgs neuer Polizeichef Andreas Fichtl, der als Einsatzleiter mit seinen Kolleginnen und Kollegen auf dem Gelände aufpasst, braucht bei seinem ersten großen Einsatz im neuen Amt nicht einzugreifen.
Auf der Bühne hat Markus Söder das Heft in der Hand. Die Mütter im Festzelt erhalten Glückwünsche zum Muttertag, Söhne und Töchter den Auftrag, dankbar für sie zu sein. Und der TSV Wasserburg bekommt natürlich ebenfalls Jubiläumsglückwünsche zu seinem Fest, verbunden mit dem Versprechen, dass die Staatsregierung es Vereinen künftig vereinfachen wolle, wiederkehrende Feste mit weniger Bürokratie zu veranstalten. Er gehe einfach gerne auf solche Volksfeste, sagt Söder. Denn die Zukunft des Landes werde vom ländlichen Raum geprägt. Und weil es so schön passt, darf ein bekanntes Söder-Zitat natürlich auch hier nicht fehlen: "In jedem schwäbischen Dorf steckt mehr Verstand als im Berliner Regierungsviertel."
Söder in Günzburg: "Echte Patrioten knien nicht vor Despoten"
Kritik an der Ampelregierung, Bekenntnis zu Europa und der "Bayern-Werbeblock", in dem der Ministerpräsident die Vorzüge und Errungenschaften des Freistaats preist, kommen gut an bei den Besucherinnen und Besuchern. Deutliche Worte richtet Söder an die AfD. Angesichts von Spionage-Verdacht für China und Zahlungen an Abgeordnete aus Russland würden sich nun mehr Menschen überlegen, ob sie diese Partei aus Protest wählen sollten, so Söder. "Echte Patrioten knien nicht vor Despoten."
Selbstverständlich fehlen auch nicht die aktuellen Aufreger-Themen Cannabis-Legalisierung ("in China haben sie den Bundeskanzler schon gefragt, ob man jetzt bei uns kiffen muss"), vegane Ernährung ("ein Leben ohne Bratwurst ist möglich, aber doch nicht sinnvoll") und Genderdebatte ("Privat finde ich das völlig in Ordnung. Aber in der Schule gibt es kein Gendern und dabei bleibt es auch"). Und ganz selbstverständlich erhält der Ministerpräsident dafür auch sehr viel Applaus.
Selfies mit Söder sind in Günzburg vor allem bei Jugendlichen beliebt
Als Grußwort-Redner nach dem Ministerpräsidenten hat es Europaabgeordneter Markus Ferber naturgemäß schwer, die gleiche Aufmerksamkeit im Festzelt zu erhalten. Vor der Bühne tummeln sich Selfie-Jäger, mit denen Söder bereitwillig Fotos macht und in die Kamera lächelt. Auch später, als der Ministerpräsident auf dem Weg aus dem Zelt und zum wartenden Auto ist, bleibt der Pulk um ihn immer wieder stehen. Es sind vor allem junge Leute, die ihn um ein gemeinsames Foto bitten. "Jedes Selfie ist mehr wert als jedes Wahlplakat", hört man aus der Entourage Söders. Auch auf dem Instagram-Account des Politikers sind bereits wenige Minuten nach seiner Abfahrt in Günzburg Bilder von dem Auftritt online - die wichtigsten Aussagen aus seiner Rede inklusive.
Nur einen Gefallen tut der Ministerpräsident den Günzburgern nicht. "Posten Sie die Brotzeitplatte bitte als #söderisst, wenn es geht?" Dieser Wunsch der Veranstalter geht nicht in Erfüllung - denn Söder hat an diesem Sonntag zumindest auf seinem Instagram-Account schon gegessen: Spiegeleier und Räucherfisch standen am Morgen bereits unter dem berüchtigten Hashtag online.
Auf der Social-Media-Seite war zu Ostern auch das Schokoladen-Osterei mit dem Konterfei des Ministerpräsidenten verlost worden, das die Günzburgerin Alexandra Rentsch gewonnen hatte. Aus der eigentlich geplanten Übergabe in Wasserburg wurde nichts, die Gewinnerin war verhindert. Ganz exklusiv ist das Günzburger Söder-Ei ohnehin nicht mehr: Ende April hatte der Ministerpräsident auf Instagram drei weitere Schokoladeneier gezeigt, eines davon sei für Friedrich Merz reserviert, sagte er dazu im Video die beiden anderen sollten ebenfalls verlost werden.
Für Markus Söder gibt es an diesem Muttertag auch ein Geschenk aus Günzburg - ein Lego-Modell eines Sturmtruppler-Helms, passend für den bekennenden Star-Wars-Fan. Der bedankt sich stilecht - und vermutlich auch mit Blick auf die kommenden Wahlen, als er sagt: "Möge die Macht mit euch sein."