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Günzburg: Prozess um sexuelle Nötigung endet mit Freispruch, Kritik an Diözese und vielen Verlierern

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Prozess um sexuelle Nötigung endet mit Freispruch, Kritik an Diözese und vielen Verlierern

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    Das Schöffengericht in Günzburg musste darüber urteilen, ob ein Geistlicher eine Frau sexuell genötigt hat. Unmittelbare Zeugen des Vorfalls gab es nicht.
    Das Schöffengericht in Günzburg musste darüber urteilen, ob ein Geistlicher eine Frau sexuell genötigt hat. Unmittelbare Zeugen des Vorfalls gab es nicht. Foto: Arne Dedert, dpa (Symbolbild)

    Es war ein stundenlanger und schwieriger Prozess, an dessen Ende es viele offene Fragen und eigentlich nur Verlierer gab - auch wenn er mit einem Freispruch für den Angeklagten endete. Auf der einen Seite eine 83-jährige Frau, die nach vielen Jahren des Zweifelns und sich Schämens den Schritt vor Gericht wagte und eine schlimme Tat ans Licht bringen wollte, die ihr Bekannter, ein ehemaliger Pfarrer aus dem Landkreis Günzburg begangen haben soll. Sie warf ihm einen sexuellen Übergriff vor, ausgerechnet nach einer Messe für ihren verstorbenen Ehemann. Auf der anderen Seite der ebenfalls hochbetagte Pfarrer außer Dienst, der die Vorwürfe vehement abstritt und um seinen guten Ruf kämpfte. Dazwischen Richter Martin Kramer und zwei Schöffen, die sich mit vielen Widersprüchen und Unsicherheiten konfrontiert sahen. "Ob es sich so zugetragen hat, davon sind wir nicht überzeugt. Wir möchten aber auch nicht ausschließen, dass es einen Vorfall gab."

    Mit zwei Problemen hatte das Gericht von Beginn an zu kämpfen: mit einem Fall, der Jahre zurückliegt, und mit betagten Protagonisten, die zum Teil nur schwer der Verhandlung folgten konnten. Ob sich der Fall Anfang oder eher Ende Juli 2017 zugetragen habe, sei nicht ganz klar, machte die Staatsanwältin aus Memmingen, die die Anklage verlas, deutlich. Der damals noch aktive Pfarrer einer Gemeinde im Landkreis Günzburg soll an einem Sommerabend eine Messe für einen verstorbenen Freund gehalten haben und anschließend dessen Witwe zu einer kleinen Brotzeit ins Pfarrhaus eingeladen haben. Dabei seien außerdem die Haushälterin des Pfarrers sowie der Organist anwesend gewesen. Sie hätten das Pfarrhaus nach dem Essen verlassen, während der Geistliche der Witwe noch etwas in seinem Büro habe zeigen wollen. Als sie sich verabschieden wollte, habe der Pfarrer sie an der Brust gepackt, sie gegen den Türrahmen gestoßen und ihr in die Genitalien gegriffen.

    Bistum Augsburg untersagt Ausübung der priesterlichen Dienste

    Der angeklagte Geistliche war noch bis 2018 im aktiven Dienst. Das Bistum hatte erst im Juni von dem Fall erfahren und ihm mit sofortiger Wirkung die Ausübung seiner priesterlichen Dienste untersagt. Jetzt saß der Pfarrer vor Gericht und hatte sichtlich Mühe, die Fragen von Richter Kramer nach seinem Werdegang und seiner persönlichen Beziehung zur Nebenklägerin akustisch zu verstehen. Immer wieder mussten seine beiden Verteidiger Jürgen Rechenberger und Nikolaus Fackler für ihn übersetzen. Sie waren es auch, die in seinem Namen eine Erklärung verlasen, dass er die Vorwürfe voll umfänglich abstreite.

    Die Frau, die ihm sexuelle Nötigung vorwerfe, sei die Witwe eines seiner besten Freunde gewesen. Er habe kein sexuelles Interesse an ihr gehabt. Dass er sie in seinem Alter unsittlich angefasst haben soll, empfinde er als "abwegig, ja absurd, die Tat hat schlichtweg nicht stattgefunden". Er habe die Vermutung, dass eine schwere Krankheit und der Tod ihres Mannes zu einer Wesensveränderung geführt hätten und die Frau sich die Tat einbilde. Sie habe sich sogar mit einer Karte bei ihm für die Messe bedankt und ihm dann viele Woche danach schriftlich mitgeteilt, dass sie ihn nicht mehr treffen könne. Er habe dies auf ihren gesundheitlichen Zustand zurückgeführt. Als er im Frühjahr 2021 mit den Nötigungsvorwürfen konfrontiert wurde, sei er schockiert gewesen. Er werde sich verteidigen, da er nicht wolle, dass sein guter Ruf in Gefahr gerate.

    Witwe hat in Panik mit dem Fuß zugetreten

    Die 83-Jährige hatte zwar keine Probleme mit ihrem Gehör, rang aber immer wieder nach den richtigen Worten und tat sich schwer, die Abläufe so zu schildern, wie sie es vor der Polizei getan hatte. Einmal war in ihrer Erinnerung die Tat Anfang Juli, dann doch eher Ende Juli, einmal war die Haushälterin früher gegangen, dann doch der Organist. Entgegen ihrer Aussagen bei der Polizei sagte sie, dass der Pfarrer versucht habe, sie zu küssen, sie habe das nicht gewollt. Dann habe er sie an der Brust, sogar unter der Bluse gepackt, habe sie umklammert und ihr in den Schritt gegriffen. In Panik habe sie mit dem Fuß zugetreten und habe sich losgerissen. Dann sei sie "wie eine Furie" aus dem Haus gestürmt, ins Auto gestiegen und nach Hause gefahren.

    Der Pfarrer habe in den nächsten Wochen versucht, sie anzurufen, sie sei aber nicht ans Telefon gegangen. Nur einmal habe er sie erreicht und ihr Vorwürfe gemacht, dass sie so komisch sei, sie solle aufhören mit ihrer "Weltuntergangsstimmung". Sie sei noch in Trauer um ihren Mann gewesen, enttäuscht über den Pfarrer gewesen, habe sich geschämt, an sich selbst gezweifelt. Irgendwann habe sie ihre Ruhe haben wollen und mit einer Karte an den Pfarrer einen Schlussstrich gezogen. Das Ganze habe sie aber nicht in Ruhe gelassen, habe an ihr genagt, bis sie sich einer Freundin und schließlich auch einem Seelsorger anvertraut habe. Den Rat, sich an die Diözese zu wenden, habe sie befolgt, doch sie habe keinen Erfolg gehabt. Man habe ihr von einer Anzeige abgeraten, sie solle doch vergeben. Auch als sie um ein weiteres Gespräch gebeten habe, sei sie damit abgeblockt worden, dass doch alles geklärt sei. Daraufhin habe sie sich entschieden, zur Polizei zu gehen.

    Organist bricht eine Lanze für den Pfarrer

    Die Polizeibeamtin, die sich ihrer annahm, zweifelte keine Sekunden an der Wahrheit ihrer Aussage, wie sie dem Richter klarmachte. Die Frau habe die Vorgänge plausibel widergegeben, sei strukturiert vorgegangen. Ein Interesse daran, dass der Pfarrer bestraft werde, habe sie nicht erkennen können. "Sie ist aus meiner Sicht ein Mensch, der Priorität auf Werte legt, auf respektvollen Umgang. Sie erwartet Ehrlichkeit und dass sich auch ein Geistlicher an die Spielregeln hält." Den Eindruck, dass die Frau die Wahrheit sagte, hatten auch ein Klinikseelsorger und ein Pfarrer, denen die Frau die Tat offenbarte und die als Zeugen vor Gericht auftraten. Sie habe gewirkt, als sei sie sehr verletzt, sagte der eine. Der andere habe gespürt, dass die Frau betroffen sei. Eine Freundin beteuerte, dass die Frau immer auf Frieden aus sei und den Pfarrer keineswegs vor Gericht habe ziehen wollen.

    "Ich glaube nicht, dass die Vorwürfe stimmen", brach der Organist eine Lanze für den angeklagten Pfarrer. Obwohl der Abend lange zurück liege, könne er sich daran erinnern. Bei einer Messe für einen Freund zu spielen, vergesse man nicht. Er sei als Erster gegangen an diesem Abend, es sei nett gewesen. Bereits mit ihm hatte Richter Kramer seine liebe Not, da er seine Fragen meist mehrmals wiederholen musste. Doch bei der nächsten Zeugin, der fast 90-jährigen Haushälterin des Pfarrers, die ihn überhaupt nicht verstand, gab der Richter auf. "Ich bin mit der Zeugin überfordert." Die Staatsanwältin übernahm das Fragenstellen, bekam aber oft die selben Worte zu hören. Es sei eine normale Freundschaft gewesen, ein ganz harmonischer Abend, sie habe zusammen mit dem Pfarrer die Witwe verabschiedet und habe entgegen deren Aussage das Haus nicht verlassen. "Wo soll ich als alte Frau abends um 21 Uhr noch einen Termin haben?" Sie könne beschwören, dass sie im Pfarrhaus übernachtet habe. Kramer entfuhr es schließlich: "So wie Sie das erzählen, könnten Sie es sich auch ausgedacht haben."

    Richter Kramer: Die Diözese hätte reagieren müssen

    Die Staatsanwältin aus Memmingen brachte es am Ende einer achtstündigen Verhandlung auf den Punkt: Zwei Beteiligte, keine unmittelbaren Zeugen, der eine belastet den anderen mit massiven Vorwürfen, der streitet alles ab. "Wem glaubt man? Das ist die große Frage." Alle Zeugen wüssten von der Tat nur vom Hörensagen, es gebe viel zu viele Zweifel, deshalb forderte sie einen Freispruch für den Angeklagten. Nebenklägervertreter Roland Aigner verteidigte seine Mandantin, sie habe nichts erfunden, Konfrontation sei nicht ihr Naturell. Sie habe sich erst zu diesem Schritt entschlossen, als die Diözese alles abgeblockt habe. Er forderte das Gericht dazu auf, den Angeklagten zu verurteilen. Rechtsanwalt Nikolaus Fackler hatte hingegen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen. Die Witwe sei überzeugt von dem, was sie sage. "Aber das heißt nicht, dass sie Erinnerungen mit der Lebenswirklichkeit übereinstimmen." Sein Mandant müsse freigesprochen werden.

    Richter Kramer tat ihm am Ende den Gefallen. Allerdings betonte er, dass das Gericht keineswegs überzeugt sei, dass die 83-Jährige eine Lügnerin sei. Es müsse etwas vorgefallen sein, was die Frau massiv verletzt habe. Aber er und seine Schöffen hätten keine Gewissheit und keine Beweise. Ein Strafverfahren hätte in Kramers Augen vermieden werden können, wenn die Diözese anders reagiert hätte. "Man hätte sich intensiver mit der Frau befassen und nicht alles zur Seite wischen dürfen. Dann hätte die Eskalation verhindert werden können."

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