Es war Freitagmorgen, der 6. Mai, als das 17 Jahre junge Leben von Max Lukas im Mehrzweckraum des Günzburger Dossenberger-Gymnasiums ausgehaucht zu sein schien. Gerade hielt Kunstlehrerin Maya Marschner einen Vortag über den Bauhausstil, dessen Leitmotiv es war, die Architektur als Gesamtkunstwerk mit den anderen Künsten zu verbinden. Doch das bekam der Gymnasiast nicht mehr mit. Vom einen auf den anderen Moment, erzählt Henri Jäckle, "krampfte" sein Vordermann und Freund. Er kippte schließlich seitlich vom Stuhl. Das Entsetzen stand den Mitschülerinnen und Mitschülern ins Gesicht geschrieben. Da liegt einer von ihnen auf dem Boden und rührt sich nicht mehr.
Der Freund und die Lehrerin behielten in dieser für Max Lukas lebensbedrohlichen Situation den Überblick. Der 18 Jahre alte Henri Jäckle nutzte seine Erste-Hilfe-Kenntnisse, die er etwa ein Jahr zuvor erworben hatte. Damals musste er den Kurs wegen des Führerscheins belegen. Eine Pflicht, für die er heute dankbar ist.
Notfall am Gymnasium in Günzburg: Der Puls war nicht mehr zu fühlen
Schnell war der "Maxi", wie viele den Teenager nennen, in der stabilen Seitenlage. Als dies alles geschah, rannte Mitschüler Tobias Steigleder aus dem Raum, der sich an die Aula anschließt, nach oben. Dort hatte er einen deutlich besseren Handyempfang und konnte die Rettungskräfte alarmieren. Die Kunstlehrerin wies Henri Jäckle an, den Puls des am Boden Liegenden zu fühlen. Am Handgelenk war nichts zu spüren, am Hals ebenso wenig. Es war ein Herz- und Kreislaufstillstand und damit ein Wettlauf mit dem Tod.
Auf dem Rücken liegend, erhielt Max Lukas abwechselnd von dem Mitschüler und der Lehrerin eine Herzdruckmassage. Außerdem wurde der Verunglückte beatmet. Das zeigte erste Erfolge: "Max hat nach Luft geschnappt und geröchelt", berichtet Freund Henri exakt sechs Monate später. Um zu zeigen, wo das alles passiert ist, hat Mathematik- und Physiklehrer Frank Appelt eigens am Sonntagvormittag die Schule aufgesperrt. Christian Puritscher, der Latein und Englisch unterrichtet und das Kollegium auch schon in Erster Hilfe geschult hatte, unterstützte am Tag des Unglücks die Lehrerin und den Schüler.
Max wurde zweimal defibrilliert, intubiert und ins künstliche Koma versetzt
Nach ungefähr zwölf Minuten trafen Notarzt und Rettungssanitäter ein und haben übernommen. Bereits jetzt lief die Suche nach Ursachen: Das Rettungsteam fragte nach einer möglichen Vorerkrankung, ob der Verunglückte Medikamente oder Drogen nehme. Doch niemand unter den Jugendlichen, die sich inzwischen in einem Klassenzimmer versammelt hatten, wusste etwas. Der 17-jährige Maxi wurde schließlich ins Kreiskrankenhaus Günzburg verlegt, zweimal defibrilliert, intubiert und ins künstliche Koma versetzt. Die Herzdruckmassage und dann der Defibrillator hatten ihn an diesem Vormittag insgesamt dreimal ins Leben zurückgeholt.
Dr. Gregor Kemming, der Leiter der Intensivmedizin im Kreiskrankenhaus Günzburg, konnte in den nächsten drei Tagen sagen, worauf der plötzliche Herzstillstand nicht zurückzuführen war. Für weitere, spezielle Untersuchungen wurde der junge Patient, nach wie vor im Koma, ins Universitätsklinikum Ulm gebracht. Doch auch dort gab es zunächst keine Antwort auf die drängende Frage, wie es zu dieser dramatischen Situation kommen konnte. Nach insgesamt sechs Tagen wurde Max Lukas aus der tiefen Bewusstlosigkeit geholt. "Wir hatten unseren alten Max wieder", sagt Mutter Sandra.
Eine Ablation soll dem Günzburger Schüler nun endgültig helfen
Ganz so aber war es nicht. Denn ihrem Sohn wurde ein Defibrillator außerhalb des Brustkorbs unter der Haut implantiert, um einzuspringen, falls das Herz wieder außer Takt geraten sollte. Das tat das Gerät seither mehrfach. Bei einer dieser Schockabgaben zeigten sich Auffälligkeiten, die in der Ulmer Uniklinik analysiert wurden und als Ursache des plötzlichen Herzstillstands gelten: Der 17-Jährige, der in drei Wochen volljährig wird, hat eine angeborene Herzrhythmusstörung. Vergangenen Donnerstag hat sich der junge Patient einer Operation in Ulm unterziehen müssen. Prof. Tillman Dahme, Leitender Oberarzt der Inneren Medizin II am Uniklinikum Ulm, nahm die erfolgreiche Ablation vor. Dabei werden mithilfe eines Katheters krankhafte Erregungsherde oder Leitungsbahnen am Herzen verödet. Das heißt: Muskelerregungen, die den Herzrhythmus stören, werden unterbunden, damit das Herz normal schlägt. Am Samstag ist Lukas entlassen worden. Am Montagnachmittag werden die beiden an der Rettung beteiligten Schüler nach einer schulinternen Ehrung nun auch durch den Freistaat ausgezeichnet. Die Würdigung nimmt Günzburgs Landrat Hans Reichhart im Landratsamt vor.
Dass die Ersthelfer entscheidenden Anteil am aktuellen Gesundheitszustand von Max Lukas haben, wurde dessen Eltern Sandra und Markus Lukas von den Medizinern bestätigt. Ohne diese Maßnahmen wäre der junge Mann heute ein Pflegefall oder würde nicht mehr unter uns sein, könnte somit auch nie mehr für die SG Reisensburg Fußball und Tennis spielen und könnte nie mehr seinem Lieblingsverein TSV 1860 München die Daumen drücken. Trainer und Geschäftsführer des Fußball-Drittligisten hatten dem Jugendlichen in schweren Zeiten persönliche Videobotschaften geschickt.