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Günzburg: Corona hat im Günzburger Amtsgericht "einiges durcheinander gewirbelt"

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Corona hat im Günzburger Amtsgericht "einiges durcheinander gewirbelt"

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    Der Günzburger Amtsgerichtsdirektor Walter Henle spricht davon, wie sehr die Corona-Pandemie das Gericht belastet hat. Gegenüber unserer Redaktion kündigte er auch seinen Abschied an. In gut fünf Monaten geht der 65-Jährige in den Ruhestand.
    Der Günzburger Amtsgerichtsdirektor Walter Henle spricht davon, wie sehr die Corona-Pandemie das Gericht belastet hat. Gegenüber unserer Redaktion kündigte er auch seinen Abschied an. In gut fünf Monaten geht der 65-Jährige in den Ruhestand. Foto: Till Hofmann

    Corona ist an der Justiz auch in Günzburg nicht spurlos vorbeigegangen. "Die Tätigkeit hat vor der Pandemie viel Spaß bereitet. Aber durch Corona hat der Spaß deutlich abgenommen", bringt es Amtsgerichtsdirektor Walter Henle auf den Punkt. Das liegt nicht so sehr am Krankenstand der 76 Beschäftigten (darunter zehn Richterinnen und Richter). Der sei eigentlich während der ersten und zweiten Welle nicht viel anders gewesen als in der Vor-Pandemie-Zeit. "Da waren es die Grippekranken. Sie sind bei uns durch Corona praktisch abgelöst worden", sagt der 65 Jahre alte Amtsgerichtsdirektor. Erst jetzt liege bei einem in der Regel milderen Verlauf einer Corona-Erkrankung durch die Lockerungen die Zahl erkrankter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etwas höher.

    Um arbeitsfähig zu bleiben, ist in Günzburg prophylaktisch ein Zwei-Schicht-System eingeführt worden. Die einen arbeiteten im Homeoffice, die anderem in den Büros des Amtsgerichts. Diese mussten um 15 Uhr verlassen worden sein. Ab 15.15 Uhr hatte so die Homeoffice-Schicht Gelegenheit, ans Gericht zu kommen und Akten abzugeben beziehungsweise neue zu holen. Bis Sommer letzten Jahres lief das so.

    Ein Stoßgebet des Landgerichtspräsidenten

    Insgesamt musste die Justiz in den vergangenen zweieinhalb Jahren eine schwere Belastungsprobe auf sich nehmen. Bis zum Mai sei der Dienstbetrieb erheblich durch das Coronavirus geprägt worden, stellte Landegerichtspräsident Konrad Beß Mitte Juli fest. Sein Wunsch lautet nach wie vor: "Gott bewahre uns künftig vor diesen Corona geschuldeten Auflagen." Zum Landgerichtsbezirk Memmingen gehört auch das Amtsgericht Günzburg.

    Verschärft wird Beß zufolge die Situation durch Massenverfahren im Zivilrecht (Verfahren wegen des Dieselskandals, Fluggastfälle, die insbesondere das Memminger Amtsgericht betreffen und Versicherungsfälle hauptsächlich wegen Beitragserhöhungen privater Krankenkassen) sowie die steigende Zahl an schwierigen Strafverfahren. Umfangreiche Sexualdelikte führt Beß als Beispiel an.

    Im Günzburger Amtsgericht ist mit Fleiß auf Belastung reagiert worden

    Dazu kommt, dass im Landgerichtsbezirk 4,5 Richter fehlen. Günzburg ist davon nicht betroffen. "Wir stehen relativ gut da, obwohl auch bei uns Corona einiges durcheinander gewirbelt hat", sagt der Günzburger Amtsgerichtsdirektor. Die im Vergleich zum Landesdurchschnitt höhere Mehrbelastung in Günzburg habe nur bewältigt werden können, weil sich die Richterinnen und Richter über die Maßen angestrengt hätten. Das gelte auch für die Rechtspflegerinnen, Rechtspfleger und die Mitarbeitenden der Geschäftsstelle.

    Dennoch sind einige Verfahren ausgefallen, "gefühlt" gibt Henle die Spanne mit zehn bis 15 Prozent an. Ein erkrankter Angeklagter, Zeugen in Quarantäne oder ein Anwalt mit positivem Testergebnis führten und führen dazu, Verhandlungen abzusetzen.

    Welche Abteilungen in Günzburg besonders durch Corona strapaziert wurden

    Corona hat Henle zufolge einige Abteilungen im Gericht besonders strapaziert. Dazu gehören diejenigen Personen, die sich um das Betreuungsrecht kümmern. Wegen schwerer Erkrankungen musste, falls eine Betreuung erforderlich wurde, aber keine Vorsorgevollmacht vorlag, das Gericht gegebenenfalls eine gesetzliche Betreuung bestimmen. Alle Hände voll zu tun hatte das Günzburger Amtsgericht auch mit den behinderten Waisenkindern aus der Ukraine, die nach Ursberg geholt worden sind. "Rechtliche Dinge sind nicht bei allen beachtet worden, wir mussten das dann klären", spielt der Amtsgerichtsdirektor darauf an, wer die Rechte der jungen Menschen wahrnimmt. An sich spielt das Betreuungsrecht im Amtsgerichtsbereich von Günzburg eine große Rolle, weil es entsprechende Einrichtungen in Burgau, Günzburg, Ursberg und Ichenhausen gibt.

    Gefragt war wegen der Übersterblichkeit verstärkt das Nachlassgericht. Und auch das Familiengericht tagte häufiger als üblich, was unter anderem auf eine Zunahme häuslicher Gewalt zurückzuführen sei. "Es liegt noch eine Durststrecke vor uns", sagt Henle angesichts von Altfällen, die noch abgearbeitet werden müssten. Aber: "Wir sind auf einem guten Stand."

    Elektronische Akte wird in Günzburg im Juni 2023 eingeführt

    Zu einer großen Entlastung wird nach Ansicht des Amtsgerichtsdirektors die elektronische Akte in Zivilsachen in Günzburg führen, die nun im Juni 2023 kommen soll. Bislang war das erste Quartal im kommenden Jahr angepeilt worden. Landgerichtspräsident Beß spricht gar von einer "Zeitenwende". Er hat bereits in der digitalen Welt Erfahrungen gesammelt. In Memmingen sind elektronisch geführte Verfahren im Zivilrecht seit November 2021 Wirklichkeit. Bis zum Jahresbeginn 2026 müssen alle Gerichte in Deutschland die elektronische Akte einführen.

    Die Einführung in Günzburg wird Walter Henle nicht mehr als aktiver Richter erleben. Der Günzburger Amtsgerichtsdirektor kündigte gegenüber unserer Redaktion an, er werde nach dem derzeitigen Stand der Dinge Anfang Februar 2023 in den Ruhestand gehen. In Günzburg war er mit Unterbrechungen (andere Stationen – auch in der Staatsanwaltschaft – in Augsburg, Neu-Ulm und Memmingen) seit Dezember 1985 tätig.

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