Ist die Angeklagte eine gerissene Betrügerin oder hat sie nach Recht und Gesetz gehandelt? Diese Frage soll Amtsrichter Martin Kramer in einer nicht alltäglichen Verhandlung klären. Einer 61-Jährigen wird vorgeworfen, nach dem Tod einer Burgauerin aus dem Nachlass Geld abkassiert und für dubiose Rechnungen aufs Konto einer Scheinfirma überwiesen zu haben. Die Beweisführung erwies sich bereits zum Auftakt des auf sechs Tage angesetzten Prozesses als kompliziert.
Der Fall kam durch das Nachlassgericht in Günzburg ans Licht. Der Sachbearbeiterin fielen nach der Übernahme des Verfahrens im Jahr 2021 Unregelmäßigkeiten auf. Die angeklagte Juristin aus Oberbayern wurde als Nachlasspflegerin für die 2018 in einem Altenheim gestorbene Frau eingesetzt, weil keine Erben bekannt waren. Da die vorgeschriebene Rechnungslegung über Ausgaben im Zusammenhang mit dem Nachlass nicht funktionierte, wurde ein Zwangsgeld angedroht und festgesetzt, denn es fehlten Belege über Barabhebungen und Zahlungen vom Konto der verstorbenen Burgauerin.
Erst mit Verspätung kamen unter anderem Eigenbelege über Fahrtkosten. „Die Rechnung kam mir komisch vor“, sagte die Rechtspflegerin als Zeugin. Als Entschuldigungen für die Verspätung wurden unter anderem ein kaputtes Faxgerät und zerstörte Unterlagen durch einen überschwemmten Keller angegeben. Aufgrund dieser Vorkommnisse wurde die Nachlasspflegerin von ihrer Verpflichtung entbunden.
Existenz der Firma der Angeklagten ist unklar
Noch stutziger wurde die Sachbearbeiterin, als sie die Firma der Angeklagten im Internet recherchierte, die als Zahlungsempfänger für Entrümpelung und Schönheitsreparaturen in Höhe von mehr als 1000 Euro in der Altenheimwohnung angegeben worden war. Die Firma sollte laut Handelsregister ihren Sitz in Oberbayern haben. Als Geschäftsführerin war die Angeklagte eingetragen. Beim Anruf der angegebenen Telefonnummer meldete sich jedoch ein Mann. Dann wendete die Rechtspflegerin einen Trick an. Sie ließ die Wachtmeisterei im Amtsgericht mit unterdrückter Rufnummer erneut bei der angegebenen Telefonnummer anrufen – es meldete sich die Angeklagte. Aufgrund dieser Ungereimtheiten wurde die Angeklagte aus etwa sieben Nachlassverfahren entlassen.
Die in den Rechnungen angegebene Firma war ursprünglich vor zwölf Jahren als Mode- und Handelsagentur in Offenburg (Baden-Württemberg) gegründet worden. Geschäftsführerin war damals eine 46-Jährige, die mit der Angeklagten und deren Mann, ebenfalls Jurist, befreundet war. Die Frau hatte jedoch mit der Firma Schiffbruch erlitten und war in Insolvenz gegangen. Als Zeugin behauptete die Frau, ihre damalige Geschäftspartnerin habe offensichtlich ihre Unterschrift auf den Entrümpelungsrechnungen mit dem Label der Modefirma gefälscht.
Verteidiger fordert vorläufige Einstellung des Verfahrens
Die Recherchen des Nachlassgerichts hatten ergeben, dass an dem angeblichen neuen Sitz der Firma in Oberbayern keine solche in der Gemeinde registriert sei. Eine vorläufige Einstellung des Verfahrens, wie von Verteidiger Stefan Pfalzgraf (Augsburg) angeregt, wurde von der Staatsanwältin abgelehnt. Er hatte angegeben, dass die angebliche Scheinfirma tatsächlich existiert habe und auch die Wohnungsräumung ausgeführt worden sei. Nach einem Rechtsgespräch erklärte Richter Kramer, dass eine Teileinstellung für die Untreuefälle wegen problematischer Beweislage denkbar sei.
Am nächsten Verhandlungstag in dieser Woche soll die 46-jährige Zeugin erneut aussagen, denn sie hatte angegeben, mit Unterlagen aus dem Geschäftsbetrieb ihre Anschuldigungen gegenüber der 61-jährigen Angeklagten beweisen zu können.
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