Diesen Sommer musste wieder die Notbremse gezogen werden: Die Île de Brehat, eine kleine bretonische Insel, die viele Günzburger als Ausflugsziel nahe der Partnerstadt Lannion kennen, lässt seit Mitte Juli und noch bis zum 23. August tagsüber maximal 4700 Besucher auf die Insel. „Surtourisme“ nennt sich in Frankreich das Problem, das auch Städte wie Venedig und Barcelona, Inseln wie Mallorca oder Gran Canaria kennen und von dem auch in Deutschland unter dem Stichwort „Overtourism“ immer häufiger die Rede ist. In Bayern sei man noch weit von Übertourismus entfernt, hatte Ministerin Michaela Kaniber im Mai bei der Tagung des Tourismusverbandes Allgäu/Bayerisch-Schwaben in Leipheim erklärt. Doch auch hier vor Ort im Landkreis Günzburg stellt sich die Frage, wie viel Tourismus zu viel ist - und vor allem, wie sich das touristische Angebot auf andere Bereiche auswirkt. Auf den Preis für eine Tasse Cappuccino auf dem Marktplatz etwa. Oder noch gravierender auf den Wohnungsmarkt.
Wie viele Ferienwohnungen verträgt Günzburg? Wirkt sich die steigende Zahl der Angebote negativ auf das Wohnraumangebot für Einheimische aus? Diese Fragen etwa hat Stadtrat Günter Renz aufgeworfen. „Eine Sorge, die, wie die Diskussion zeigte, auch von anderen Ortsvereinsvorstandsmitgliedern geteilt wird“, so Ortsvereinsvorsitzende Simone Riemenschneider-Blatter. Die Günzburger SPD fordere, dass konkrete Zahlen ermittelt werden, wie sich die Anzahl der Ferienwohnungen in Günzburg entwickelt. „Auf der Grundlage dieser Zahlen soll dann diskutiert werden, ob Maßnahmen ergriffen werden müssen, um zu verhindern, dass ein weiter steigendes Angebot an Ferienwohnungen sich nicht zu negativ aus das Wohnungsangebot für Einheimische auswirkt.“
Wie viele Ferienwohnungen gibt es in Günzburg eigentlich?
Herauszufinden, wie viele Ferienwohnungen es in Günzburg gibt, ist auf den ersten Blick tatsächlich nicht so leicht. Aktuell sind bei der Stadt Günzburg 17 Gewerbetreibende gemeldet, die eine oder mehrere Ferienwohnungen anbieten. „Wie viele Ferienwohnungen hinter jeder einzelnen Anmeldung stehen, wird statistisch nicht erfasst“, so die Stadt Günzburg auf Anfrage unserer Redaktion.
Auch bei der Regionalmarketing Günzburg gibt es keine vollständige Übersicht der angebotenen Ferienwohnungen. „In der amtlichen Statistik, bei der die Übernachtungszahlen für die Region aufgeführt werden, sind nur die Angebote ab neun Betten aufwärts erfasst“, sagt Dagmar Derck, Stellvertretende Geschäftsführerin der Regionalmarketing Günzburg. Die meisten Ferienwohnungen oder -Häuser sind allerdings auf deutlich weniger Gäste ausgelegt. Dazu kommt, dass sich auch bei den angebotenen Ferienwohnungen immer wieder etwas tut - neue Angebote kommen hinzu, „aber es geben auch immer wieder Anbieter auf“, weiß Derck.
Portale wie die offizielle Seite der Familien- und Kinderregion Günzburg bilden ebenfalls nur einen Ausschnitt dessen ab, was tatsächlich auf dem Markt ist - nicht jeder Anbieter nutzt alle Portale. Auf der von der Regionalmarketing Günzburg betriebenen Seite www.familien-und-kinderregion.de etwa werden für die Stadt Günzburg elf Anbieter von Ferienwohnungen aufgeführt, die alle zwischen einer und drei Wohnungen zur Verfügung stellen - insgesamt sind es 21. Doch dabei handelt es sich selbstverständlich nur um diejenigen Anbieter, die bei dem Portal des Landkreises registriert sind.
Auf anderen Seiten ist das Angebot deutlich umfangreicher: Das Portal „Fewo-direkt“ hat ebenfalls deutlich mehr Ferienwohnungen auf seiner Liste, 32 sind es in Günzburg. Airbnb weist sogar 39 angebotene Häusern und Wohnungen im Stadtgebiet aus. Vom Gebäude von 1780 in der Altstadt über die „Mega Fewo bis zu neun Personen mit Pool“, die Ferienwohnung Jungle Adventure oder die Casa-Luxe in der Innenstadt: Die Angebote sind vielfältig, das gilt auch für die angebotenen Preisklassen.
Gleichzeitig sind die Mieten in Günzburg in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Verschiedene Vergleichsportale kommen auf eine Durchschnittsmiete von aktuell gut 11 Euro pro Quadratmeter. Alle Portale weisen zudem eine deutliche Steigerung der Mietkosten in Vergleich zu den Vorjahren aus. Ob die Steigerung der allgemeinen Teuerung geschuldet ist, oder eine wachsende Anzahl von Ferienwohnungen dazu führt, lässt sich aus den Zahlen freilich nicht herauslesen.
Sind Ferienwohnungen überall erlaubt? Das sagt Rechtsanwalt Solmecke
Die Vorstellung, das ererbte Häuschen in der Stadt für Touristen herzurichten, oder während des eigenen Urlaubs die Wohnung an Gäste unterzuvermieten, scheint angesichts der großen Nachfrage und der wachsenden Besucherzahlen in der Region verlockend. Doch ist es tatsächlich so einfach, die eigene Wohnung oder das eigene Haus als Ferienwohnung auf den Markt zu bringen? Rechtsanwalt Christian Solmecke, Partner der Kölner Kanzlei WBS legal und bekannt durch seine YouTube-Videos zu rechtlichen Fragen, hat den Fall für unsere Redaktion eingeschätzt. „Weder sein eigenes Haus noch die eigene Wohnung darf man ‚einfach so‘ als Ferienwohnung auf den Markt bringen. Hier müssen Eigentümer die Landesbauordnungen sowie die kommunalen Bebauungspläne beachten.“ Diese seien nämlich sind entscheidend für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Ferienwohnungen in bestimmten Gebieten zulässig sind.
Städte und Gemeinden in Deutschland haben sogar eine gewisse Handhabe, um die Zahl der Angebote einzuschränken. Solmecke verweist dazu auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs unter anderem von 2019, wonach die Nutzung von Wohnungen als Ferienwohnungen durch eine Gemeinde untersagt werden kann, wenn es dadurch zu einer Verdrängung von Wohnraum komme. Dies gelte insbesondere in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt. „Eigentümern rate ich daher dringend dazu, sich zuvor rechtlich beraten zu lassen. Geklärt werden muss dann unter anderem, ob die Nutzung als Ferienwohnung mit den planungsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist und ob womöglich ein Verstoß gegen das Zweckentfremdungsverbot vorliegen könnte.“
Wer seine Mietwohnung untervermieten möchte, brauche dafür übrigens zunächst immer eine Genehmigung des Vermieters. Gelegentlich steht eine generelle Genehmigung schon im Mietvertrag. Doch selbst wenn, müssten wiederholte Kurzvermietungen – etwa via Airbnb – darin explizit erwähnt sein. Steht im Mietvertrag nichts, muss man den Vermieter jedes Mal aufs Neue fragen. „Eine Genehmigung verlangen kann der Mieter allerdings meist nicht. Dafür müsste er ein berechtigtes Interesse an der Untervermietung haben“, so Solmecke. Neben persönlichen oder familiären Gründen könne das zwar auch ein finanzieller Engpass sein. „Das gilt aber nur, wenn man das Geld braucht, um sich die Wohnung überhaupt leisten zu können. Und sollte durch die Untermiete die Wohnung überbelegt oder die Untermiete aus anderen Gründen unzumutbar sein, kann der Vermieter sie im Einzelfall trotzdem ablehnen.“ Zu beachten ist laut dem Rechtsanwalt außerdem, dass Mieter, die ihre Wohnung ohne Genehmigung des Vermieters untervermieten, hierfür zunächst vom Vermieter abgemahnt werden können. Wenn sie dann dennoch weitermachen, kann sogar fristlos gekündigt werden.
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