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Ermittlungen: Polizeieinsatz in Georg Nüßleins Heimat

Ermittlungen

Polizeieinsatz in Georg Nüßleins Heimat

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    Georg Nüßlein
    Georg Nüßlein

    „Ich bin völlig überrascht“ oder „ich kann es kaum glauben“: So reagierten viele Menschen in seiner Heimat auf den massiven Vorwurf der Bestechlichkeit gegen den Münsterhauser Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein. Er steht im Verdacht, für ein Geschäft mit Atemschutzmasken eine Provision von 660.000 Euro kassiert zu haben. Damit stellt sich nur wenige Monate vor der Bundestagswahl auch die Frage, ob Nüßlein noch einmal als Kandidat der CSU nominiert wird.

    Das schien reine Formsache zu sein. Der 51-jährige Nüßlein (er ist am 10. April 1969 in Krumbach geboren und in Münsterhausen aufgewachsen) wurde 2002 als Nachfolger von Theo Waigel im Wahlkreis Neu-Ulm (ihm gehören die Kreise Günzburg,

    Eine wichtige Rolle spielt dabei der langjährige CSU-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Alfred Sauter. Er habe über die jüngsten Ereignisse aus den Medien erfahren, sagt Sauter auf Anfrage. Nüßlein habe er nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe angerufen, aber das Telefonat sei nur kurz gewesen und wegen der laufenden Durchsuchungen abgebrochen worden. Den Sachverhalt kenne er nicht. Wichtig sei, dass die Unschuldsvermutung gelte. Wird Nüßlein wieder für den Bundestag kandidieren? Muss die CSU bereits jetzt über einen Ersatzkandidaten nachdenken? Sauter sagt, dass die weitere Entwicklung abgewartet werden müsse. Mit Blick auf die Nominierung stehe ein genaues Datum noch nicht fest, die CSU sei da flexibel.

    Ähnlich äußert sich die stellvertretende Kreisvorsitzende Stephanie Denzler aus Günzburg. Sie ist Stadträtin, Kreisrätin und Bezirksrätin und kennt Nüßlein seit vielen Jahren. Sie sei von den Vorwürfen völlig überrascht worden, kenne sie den CSU-Mann doch als „langjährigen angesehenen Politiker“, der ihr auch als Mensch wichtig sei. Vor allem für sie als Juristin sei die Unschuldsvermutung enorm wichtig. „Ich bin gegen Vorverurteilungen und möchte mich zu diesem Thema nicht äußern – weil ich auch überhaupt nichts dazu weiß“, sagt Denzler auf Nachfrage unserer Redaktion. An möglichen Spekulationen, ob die Vorwürfe zu einer Nicht-Nominierung Nüßleins für den Bundestag führen – und sie eventuell eine Ersatz-Kandidatin sei –, werde sie sich nicht beteiligen. Es habe jedenfalls keine Krisenkonferenz des CSU-Kreisverbands am Donnerstag gegeben.

    Landrat Hans Reichhart hebt ebenfalls die Unschuldsvermutung hervor und betont gegenüber unserer Redaktion die besondere Stellung von Politikern: „Man bekommt bei Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht viel mit – aber bei Politikern ist das anders. Sie stehen dann sofort im Mittelpunkt, vor allem, wenn die Immunität aufgehoben wird. Wir sollten jetzt das Ergebnis der Ermittlungen abwarten.“ Reichhart hofft, dass diese schnell abgeschlossen sind.

    Im Zuge dieser Ermittlungen fahren am Donnerstag vor der CSU-Geschäftsstelle in Günzburg gegen halb zwölf einige wenige Autos vor. Es steigen ein Mann und eine Frau aus einem silbernen VW mit Münchner Kennzeichen aus. Unter der Heckscheibe liegt eine Polizeiweste. Sie verschwinden ohne großes Aufsehen hinter der Tür von Nüßleins Wahlkreisbüro – hinter sich ziehen sie einen kleinen Rollkoffer. Auf dem Parkplatz steht zudem ein weißer

    Nüßlein im Bundestag? Das war kurz nach der Jahrtausendwende durchaus eine Überraschung. 2001, bei der Suche nach einem Nachfolger für Theo Waigel, warf Nüßlein, der damals in der Privatwirtschaft (unter anderem für das Münchner Bankhaus Reuschel) tätig war, erst spät seinen Hut in den Ring. Doch dann konnte er sich in einer parteiinternen Stichwahl um die Bundestagskandidatur in Weißenhorn überraschend mit einer hauchdünnen Mehrheit gegen seinen Neu-Ulmer Konkurrenten Thorsten Freudenberger (er ist heute Landrat im Kreis Neu-Ulm) durchsetzen.

    Nüßlein lebt in seinem Heimatort Münsterhausen in einem Postkartenidyll. Das hellgelbe Haus im schwäbischen Stil mit den roten Fensterläden liegt neben dem Bach, der ein kleines Elektrizitätswerk, das Nüßlein betreibt, speist. An dem warmen Februartag strahlt der Himmel in tiefstem Blau und die warmen Sonnenstrahlen haben auch einen Zitronenfalter herausgelockt, der in Richtung einer großen Heiligenfigur tanzt, die vor dem Haus platziert ist. Nüßleins Limousine parkt neben dem Haus. Im Hof parken weitere große Wagen mit Kennzeichen aus Berlin, München, Kempten und Augsburg. Zwei Personen mit Polizeiwesten sind zu sehen, die schnell durch Haustür und Nebeneingang gehen, dort wird also auch durchsucht. Ins Haus kann man nicht blicken. Im ersten Stock bewegt sich ein Vorhang hinter dem Fenster.

    Nüßlein ist seit Januar 2014 einer der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Unter anderem ist er auch für den Bereich Gesundheit zuständig. In den langen Monaten der Corona-Krise waren in der Bevölkerung zuletzt vermehrt Stimmen zu hören, dass Nüßlein in dieser Thematik zu wenig präsent sei. Vor Ort war Nüßlein zuletzt unter anderem zum Start im Krumbacher Impfzentrum und bei einer Feierstunde in der Krumbacher Klinik, als die Unternehmerfamilie Ehrmann den Klinikmitarbeitern als Dank für ihre Arbeit kostenlose Hotelaufenthalte spendierte.

    Überrascht reagierten auf die Vorwürfe gegen Nüßlein auch viele in seiner Heimatgemeinde Münsterhausen. Deren Bürgermeister Erwin Haider hofft, dass sich die Vorwürfe gegen den Abgeordneten als haltlos erweisen. Man müsse jetzt einfach abwarten, wie das Ergebnis der Ermittlungen ausfalle. Dr. Theo Waigel, langjähriger Bundesfinanzminister, CSU-Vorsitzender und Nüßleins Vorgänger im Bundestag, erklärte auf Anfrage, dass er sich zu den aktuellen Vorwürfen gegen Nüßlein nicht äußern möchte.

    Günzburgs Oberbürgermeister Gerhard Jauernig kennt den Krumbacher Bundestagsabgeordneten ebenfalls seit vielen Jahren. Er bezeichnet die Zusammenarbeit in all der Zeit als sehr vertrauensvoll und respektvoll. Politisch habe man gemeinsam viele Erfolge feiern können, von den jetzigen Anschuldigungen sei Jauernig „total überrascht“ worden.

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