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Eishockey-Ultras in Burgau: Die „Hurricanes“ wollen wieder wirbeln dürfen

Eishockey-Ultras in Burgau

Die „Hurricanes“ wollen wieder wirbeln dürfen

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    Beim Heimspiel gegen Neu-Ulm war die Stimmung im Stadion deutlich besser als sonst. Die „Hurricanes“ waren ausnahmsweise als Gruppe zugelassen.
    Beim Heimspiel gegen Neu-Ulm war die Stimmung im Stadion deutlich besser als sonst. Die „Hurricanes“ waren ausnahmsweise als Gruppe zugelassen. Foto: Ernst Mayer

    Sportlich flitzt der Eishockey-Landesligist ESV Burgau bisher überaus erfolgreich durch die Saison. Als Meister ihrer Gruppe spielen die Eisbären derzeit um den Aufstieg in die Bayernliga – ein beeindruckendes Comeback für ein Team, das ein Jahr zuvor noch gegen den Abstieg gekämpft hatte.

    Doch alle Glanzlichter vermögen die düsteren Schatten nicht zu vertreiben, die über dem Eis schweben. Viele Sportfreunde fragen sich zum Beispiel, warum trotz hoher Besucherzahlen keine Stimmung in der schmucken Eisarena aufkommen mag. Aus Sicht der Mannschaft sei das sehr schade, sagt Stürmer Ronny Zientek, der kopfschüttelnd zusammenfasst: „Wir haben leider die Situation, dass wir auswärts Heimspiele und daheim Auswärtsspiele haben, was die Stimmung angeht.“ Dazu sorgt ein Stadionverbot für die Burgauer Ultra-Gruppierung „Hurricanes“ für Unruhe.

    Es gibt also Gesprächsbedarf. Anlass für unsere Zeitung, die handelnden Personen an unseren Konferenztisch zu bitten. Unserer Einladung folgten für die Stadt Burgau Bürgermeister Konrad Barm, für die örtliche Polizei Inspektionsleiter Stefan Eska und der szenekundige Beamte Christian Orban, für die „Hurricanes“ Mitbegründer Henry Burkert und Neu-Mitglied Alexander Wirth sowie für den Verein Ronny Zientek (Mitglied des Mannschaftsrates) und Christian Leitner (Zweiter Vorsitzender).

    Der Mythos Stadionverbot

    Nicht einmal die Ultra-Gruppierung „Hurricanes“ selbst bestreitet, dass einige ihrer etwa 40 Mitglieder in der Vergangenheit „Mist gebaut“ haben. Die Liste der Vorwürfe, die Eska und Barm äußern, umfasst vergleichsweise harmlose Vorfälle, aber auch Straftaten. Aufgrund ihrer gesammelten Erkenntnisse sind Polizei und Stadt gemeinsam zu einer Entscheidung gekommen, die Eska so zusammenfasst: „Es gibt in Burgau ein Stadionverbot für die Fangruppierung Hurricanes. Und es gibt konkrete Stadionverbote für vier Mitglieder der Hurricanes.“

    Mit anderen Worten bedeutet das dreierlei: Das Stadionverbot gilt nur für die Spielstätte in Burgau. Konkret von einem „Hurricanes“-Stadionverbot betroffen sind lediglich vier Personen. Und, das Wort „Fangruppierung’“ deutet es an: Alle weiteren Mitglieder der „Hurricanes“ sind nur in sofern vom Platzverbot betroffen, als sie durch ihre Kleidung oder ihr Verhalten deutlich als Block erkennbar sind. Eska erklärt ausdrücklich, niemand erhebe Einwände, wenn „Hurricanes“-Mitglieder einzeln und in Alltagskleidung oder, besser noch, in Vereinsfarben in die Halle kämen.

    Versteinerte Mienen zum Anfang des Gesprächs in der GZ-Redaktion mit den Redakteuren Jan Kubica (am Laptop) und Christian Kirstges (links daneben). Mit dabei waren (von links) Alexander Wirth und Henry Burkert von den „Hurricanes“, Christian Leitner vom ESV, Bürgermeister Konrad Barm, Stefan Eska und Christian Orban von der Polizei sowie ESV-Spieler Ronny Zientek. Zum Ende hin zeichnete sich aber eine mögliche Kompromissbereitschaft beider Seiten ab.
    Versteinerte Mienen zum Anfang des Gesprächs in der GZ-Redaktion mit den Redakteuren Jan Kubica (am Laptop) und Christian Kirstges (links daneben). Mit dabei waren (von links) Alexander Wirth und Henry Burkert von den „Hurricanes“, Christian Leitner vom ESV, Bürgermeister Konrad Barm, Stefan Eska und Christian Orban von der Polizei sowie ESV-Spieler Ronny Zientek. Zum Ende hin zeichnete sich aber eine mögliche Kompromissbereitschaft beider Seiten ab. Foto: Bernhard Weizenegger

    Das alles entlarvt den Satz der Ultras, „die Hurricanes haben ein Stadionverbot in Burgau“, als Mythos. Ob diese Erkenntnis alle Fans hatten, die sich vor ein paar Wochen an der von der Mannschaft unterstützten Unterschriftenaktion der „Hurricanes“ beteiligt haben, bei der es um eine Aufhebung des vermeintlichen Stadionverbots für die Gruppierung ging, darf bezweifelt werden. Tatsache ist aber auch, dass im nachfolgenden Heimspiel gegen Neu-Ulm, das Mitglieder der Ultras aufgrund der überwältigend positiven Resonanz auf die Unterschriftenaktion ausnahmsweise besuchen durften, Feuer in der Arena war. 

    Das Ultra-Dilemma

    Beim Gedankenaustausch tritt das aus der Stadiondiskussion im Profifußball bekannte Ultra-Dilemma zutage. Verkürzt formuliert sagt es aus, dass ausgerechnet diejenigen, die mangelnde Stimmung in den Stadien beklagen, sich über das Verhalten oder das äußere Erscheinungsbild derjenigen beklagen, die für Stimmung sorgen. Ultra-Gruppierungen fühlen sich deshalb häufig angegriffen oder ausgegrenzt.

    Das kreiert Kommunikationshürden. Während Barm sagt, er „verstehe nicht ganz, was Stimmung mit Kleidung zu tun hat“, definieren sich Ultra-Gruppierungen unter anderem durch ihr uniformartiges Auftreten. Die „Hurricanes“ bevorzugten früher schwarz, besitzen jetzt rote Jacken. Als der Verein anbot, die Ultras mit Eisbären-Trikots auszustatten, lehnten sie dankend ab – für Eska ein klares Indiz dafür, „dass sie das Spiel nur als Plattform für anderes benutzen wollen“. Aus Wirths Perspektive dagegen „macht es keinen Unterschied, welche Klamotten man anhat, wenn man wirklich auf Stunk aus wäre. Warum sollte ich plötzlich ein anderer Mensch sein, wenn ich ein Trikot des Vereins anziehe?“ Er, der auch Tischtennis-Jugendleiter des SV Unterknöringen ist, richtet sich, wie er betont, „absolut gegen Gewalt“. Er ist nach eigenen Angaben relativ neu in der Ultra-Gruppierung, um sich ein Bild machen zu können.

    Die Vorwürfe

    Eska führt aus der Vergangenheit einige Straftaten an, die auf das Konto der „Hurricanes“ gehen. Er hat Polizeiberichte aus diversen Gastgeberorten gesammelt und weiß, dass es immer wieder mal Ärger gab. „Andere Städte deklarieren Partien gegen Burgau als Hochsicherheitsspiele“, berichtet er. Das Verhalten der Ultras verursache bei den Unterstützern der anderen Mannschaften auch Gegenreaktionen. Orban fügt hinzu: „Oft können feindselige Treffen – auch außerhalb der Hallen – nur durch massives Polizeiaufgebot verhindert werden. Ich persönlich kann nicht nachvollziehen, dass ich unbedingt dieses Ultra-Ding durchziehen muss. Durch dieses Ultra-Gehabe suche ich ja geradezu die Konfrontation.“

    Bürgermeister Barm stößt als „letztlich Verantwortlicher für die Halle“ ins gleiche Horn, indem er sagt: „Dieser Fanklub hat auch andere emotionale Beweggründe, als nur den Verein im Stadion zu fördern. Warum mache ich nicht einfach Stimmung und lasse alles andere sein? Dass man aggressiv reagiert, wenn man gereizt wird, ist ja in Ordnung. Aber ich darf als Erwachsener meine Emotionen auch in den Griff kriegen. Jedes Handeln hat doch irgendeine Konsequenz.“

    Das Zauberwort Vertrauen

    Burkert leugnet die Geschehnisse keineswegs, „das sind Vorfälle, die tun uns leid“, sagt er. Nur über das Fehlverhalten der „Hurricanes“ zu diskutieren helfe auf dem Weg zu Kompromissen aber nicht weiter. Zwischenzeitlich hätten sich die „Hurricanes“ besonnen und auch neu aufgestellt. „Mit Leuten, die noch nicht negativ aufgetreten sind. Wir wollen einen neuen Versuch starten, wieder in die Halle zu kommen. Und wir haben die klare Ansage gemacht, dass keine beleidigenden Äußerungen kommen sollen.“ Die Kleidungsfrage einmal ausgeklammert, sei die Kompromissbereitschaft der Ultras groß, bekräftigte Burkert. An die Vertreter von Polizei und Stadt gerichtet, sagt er: „Ich denke, wir haben eine zweite Chance verdient. Ich hoffe, dass wir es schaffen. Und wenn’s nicht klappt, sind wir selber schuld.“

    Die Unterschriftenliste gegen das vermeintliche Stadionverbot.
    Die Unterschriftenliste gegen das vermeintliche Stadionverbot. Foto: Bernhard Weizenegger

    Konrad Barm hört die Worte wohlwollend, entgegnet jedoch vorsichtig: „Man muss Vertrauen erst wieder aufbauen.“ Ein großer Schritt in diese Richtung wäre, wenn sich die „Hurrricanes“ inmitten der anderen Fans in ganz normaler Kleidung oder in Fanfarben präsentieren könnten. Eska ist noch eine Spur zurückhaltender. Ein kurzfristiges Ende der Auflagen schließt er jedenfalls kategorisch aus. „Jetzt haben wir genau drei kleine Monate, in denen es einigermaßen gut läuft. Das ist viel zu kurz. Deshalb werden wir diese Saison von unserem Standpunkt nicht mehr abweichen.“ Anschließend werde es selbstverständlich weitere Gespräche geben.

    Und was ist mit der Stimmung?

    Offen bleibt nach all dem, warum es die vielen Hundert Besucher im Burgauer Eispalast trotz teilweise glorreicher Vorstellungen ihrer Mannschaft nicht schaffen, auch nur ansatzweise eine Hexenkessel-Atmosphäre herzustellen. Der Hinweis auf die – offenbar wegen reiner Äußerlichkeiten – fehlenden „Hurricanes“ erklärt auch nicht, warum 700 andere Besucher kaum aus den Schuhen kommen. Zientek spricht aus, was viele seiner Teamkollegen genauso denken: „Mich wundert’s, wenn ich hoch schaue und sehe, wie viel da los ist – und wie wenig Stimmung letztlich aufs Eis kommt.“ Vor allem deshalb habe die Mannschaft die vorweihnachtliche Unterschriftenaktion unterstützt. Mit Erfolg, wie er in der Rückschau auf das Heimspiel gegen Neu-Ulm berichtet: „Der Versuch, in der Halle den Unterschied zu zeigen, ist sehr gut gelungen.“

    Leitner hält sich in Sachen „Hurricanes“ bedeckt. Die Entscheidungen hätten die Stadt und die Polizei getroffen, der Verein setze sie um, führt er aus. Er sieht in Sachen Stimmung auch andere Ansatzpunkte. Als ersten Schritt habe der ESV einen neuen Stadionsprecher installiert. Der macht, wie die Tribünengespräche belegen, einen sehr guten Job. Es fehlt nur noch die Umsetzung in Feierlaune. Hierzu meint Leitner achselzuckend: „Vielleicht muss man unseren Zuschauern erst Fanunterricht geben. Stimmung ist wirklich wichtig. Aber – das ist meine ganz persönliche Meinung – nicht um jeden Preis.“

    Lesen Sie hier den Artikel: Burgauer Ultras müssen in Burgau draußen bleiben“

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