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Dürrlauingen: Weniger Interesse an Heilerziehungspflege: "Wir steuern auf Versorgungslücke zu"

Dürrlauingen

Weniger Interesse an Heilerziehungspflege: "Wir steuern auf Versorgungslücke zu"

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    Die Fachschule für Heilerziehungspflege und Heilerziehungspflegehilfe der Katholischen Jugendfürsorge (KJF) in Dürrlauingen feiert das 50-jährige Bestehen. In diesem Kurs geht es um die Krankenpflege.
    Die Fachschule für Heilerziehungspflege und Heilerziehungspflegehilfe der Katholischen Jugendfürsorge (KJF) in Dürrlauingen feiert das 50-jährige Bestehen. In diesem Kurs geht es um die Krankenpflege. Foto: Bernhard Weizenegger

    Berufsmessen sind reihenweise ausgefallen. Und auch Schulen bieten keine Orientierungstage in Präsenz an. Die Corona-Pandemie macht es vielen Arbeitgebern und Ausbildern schwer, junge Menschen auf sich beziehungsweise ihren Beruf aufmerksam zu machen. Vor diesem Problem steht auch die Fachschule für Heilerziehungspflege und

    Angefangen habe alles mit sieben Schülern im ersten Jahr. Nachdem man zuerst gewissermaßen Untermieter beim damaligen Förderungswerk - dem heutigen Berufsbildungs- und Jugendhilfezentrum - gewesen war, wurden 1975 eigene Räume auf dem Campus bezogen. Inzwischen kämen gut zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler aus anderen Einrichtungen in einem 50-Kilometer-Radius, früher habe man sogar ein bayern- und deutschlandweites Einzugsgebiet gehabt, da es kaum solche Schulen gegeben habe. Heute betreibt selbst die KJF mehrere. In der Behindertenhilfe, der Kinder- und Jugendhilfe, bei Menschen mit psychischen Erkrankungen oder anderen Bereichen: Wer hier seine (duale) Ausbildung absolviert hat, ist vielseitig einsetzbar.

    Bis zu fünf Jahre kann der Weg zum Heilerziehungspfleger dauern

    Die Ausbildung zum Heilerziehungspfleger dauert drei Jahre, zum Heilerziehungspflegehelfer ein Jahr. Vorgeschaltet sind zwei Jahre Praktikum oder eine einschlägige anderweitige Tätigkeit, auch die Zeit im FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr) oder als Bufdi (Bundesfreiwilligendienst) kann angerechnet werden. Das ist das andere Problem: Dass es so lange dauert, bis jemand wirklich in den Beruf starten kann, schrecke mitunter ab. Bei Erzieherinnen und Erziehern sei das auch so gewesen. Hier wurde nachjustiert, weil der Personalmangel so groß ist - und das wünscht sich Wenger auch bei der Heilerziehungspflege. 124 Schülerinnen und Schüler sind es derzeit in Dürrlauingen, es waren schon mal deutlich mehr.

    Das Foto zeigt die stellvertretende Schulleiterin Petra Wenger mit Lehrer Elmar Mader.
    Das Foto zeigt die stellvertretende Schulleiterin Petra Wenger mit Lehrer Elmar Mader. Foto: Bernhard Weizenegger

    Die Einrichtung hatte gemeinsam mit dem Dominikus-Ringeisen-Werk in Ursberg in der Region lange Zeit so etwas wie ein Monopol, sagt Petra Wenger. Das war einmal. Als es noch schwer war, Ausbildungsplätze zu bekommen und in wirtschaftlich schwierigen Zeiten seien es in Dürrlauingen mehr als 160 Schüler gewesen. Was nicht heißen solle, dass dies keine guten, motivierten Leute seien. Pro Woche müssen ihre Schützlinge jedenfalls 18 bis 20 Schulstunden leisten, je nach Einrichtung kommen 20 (in Dürrlauingen 25) Praxisstunden dazu. "Es ist viel gefordert von den jungen Menschen", sagt Wenger. Dafür erhielten sie aber eine hochwertige Qualifikation.

    Im Beruf werde das mit dem Fordern nicht anders. Es gebe einen "absoluten Mitarbeitermangel", deshalb müssten schon die Auszubildenden immer mal wieder Überstunden leisten. Der stetig wachsende Bedarf könne einfach nicht mehr gedeckt werden. Der Schichtdienst und die Anforderungen an die Persönlichkeit - was das bedeutet, dazu später mehr - würden das Übrige tun, um für schwindende Bewerberzahlen zu sorgen. Hinzu komme, sagt Elmar Mader, der früher selbst in Dürrlauingen ausgebildet wurde und inzwischen als Lehrer hier arbeitet, dass die jungen Leute große Wahlmöglichkeiten hätten. Alle Betriebe suchten händeringend Personal. Doch wer eine sinnstiftende Arbeit wolle - was viele täten -, sei hier in jedem Fall richtig.

    In Dürrlauingen zum ersten Mal Spaß im Unterricht empfunden

    Das bestätigt Emma Gemünd. Sie ist im zweiten Ausbildungsjahr zur Heilerziehungspflegerin. Über mehrere Ecken sei sie hier "hineingerutscht", der persönliche Kontakt zu jemandem aus der Branche habe sie auf diesen Weg gebracht. Und in Dürrlauingen habe sie zum ersten Mal das Gefühl gehabt, in einem Unterricht angenommen zu werden, ein Miteinander gespürt. "Dass Schule so großen Spaß machen kann", sei eine völlig neue Erfahrung gewesen. Sie wohnt wie andere auch im ehemaligen Schwesternkonvent auf dem Campus und leistet den Praxisteil ihrer Ausbildung in der Einrichtung selbst. Das sei sehr angenehm. Was es heißt, viel arbeiten zu müssen, habe sie bereits in ihrem Vorpraktikum erfahren: In einer heilpädagogischen Tagesstätte habe sie 40 Stunden in der Woche arbeiten müssen, aber nur 325 Euro dafür bekommen. In Dürrlauingen werde man für die 25 Arbeitsstunden hingegen fair bezahlt.

    Emma Gemünd ist eine der Schülerinnen der Dürrlauinger Fachschule.
    Emma Gemünd ist eine der Schülerinnen der Dürrlauinger Fachschule. Foto: Bernhard Weizenegger

    Gemünd schätzt die Abwechslung an ihrem künftigen Beruf, man mache die Freizeitaktivitäten der Jugendlichen mit. Im Sommer seien sie ganz viel mit ihnen unterwegs gewesen, um sie für das Corona-Jahr zu entschädigen. Aber man reflektiere auch viel über sich und die Schicksale, die einem hier begegneten. Viele kämen aus schwierigen familiären Verhältnissen. Da tue es gut, mit Kolleginnen und Kollegen zu sprechen, die nachvollziehen können, was man hier erlebt.

    In festen Strukturen wie der Hausaufgabenbetreuung, den verschiedenen Diensten und dem gemeinsamen Abendessen bleibe auch Raum zur freien Gestaltung, für Kreativität. Und durch die Flüchtlinge, die hier betreut werden, habe sie nochmal eine ganz neue Perspektive erfahren. Plötzlich habe sie das, was sie zuvor nur aus den Medien kannte, aus erster Hand erzählt bekommen: Geschichten über Schleuser bis zum Leiden im Heimatland. Letztlich sei es wie bei allen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, um die man sich hier kümmert: Sie brauchten Unterstützung, um ihre eigene Ausbildung zu schaffen. Ihr Alter möchte Gemünd - wie es in diesem Bereich in Dürrlauingen üblich ist - übrigens nicht nennen. Aus Gründen der Autorität. Vereinzelt brauche es auch einen Mann, um etwas durchzusetzen in der Weltanschauung und durch Vorerfahrungen mancher Schützlinge. Wiederum würden Frauen oft leichter als Vertrauensperson akzeptiert.

    Der Zivildienst hat viele an den Beruf Heilerziehungspfleger herangeführt

    Eher untypisch für soziale Berufe: Immerhin ein Drittel derjenigen, die hier zum Heilerziehungspfleger oder -helfer werden, seien Männer. "Das hat sich schon verändert", sagt Elmar Mader. Gerade bei den Helferinnen gebe es viele ältere Damen, die nach der Kinderbetreuung oder einem anderen Beruf nochmal "durchstarten" wollen, ergänzt Wenger. Die Altersspanne der Schülerinnen und Schüler reiche von 17 bis über 50. Und ungelernte Helfer werden auch weiterqualifiziert. Insgesamt gibt es 20 Lehrkräfte, viele davon in Teilzeit.

    Kreatives mit den Schützlingen zu machen ist wichtig. Das lernen die Schülerinnen und Schüler der Fachschule in diesem Kurs.
    Kreatives mit den Schützlingen zu machen ist wichtig. Das lernen die Schülerinnen und Schüler der Fachschule in diesem Kurs. Foto: Bernhard Weizenegger

    Mader, 53, ist über den Zivildienst eingestiegen, wenngleich er zuvor noch eine andere Ausbildung gemacht hatte. Dann blieb er hier "hängen". Auch wenn es FSJler und Bufdis gibt: Dass der Zivildienst abgeschafft wurde, trage zum Personalmangel bei, sagt er. Trotz aller Widrigkeiten verließen nur wenige den Beruf, eher sattelten sie ein Studium oben drauf. Durch die Pandemie hätten aber mehr als sonst ihre Ausbildung abgebrochen, der persönliche Kontakt und somit die Begleitung sei schwierig gewesen.

    Wenn aber die Politik die Zugangsvoraussetzungen nicht anpasse, "werden wir auf eine Versorgungslücke zusteuern", warnt die stellvertretende Schulleiterin. Wie in der Krankenpflege oder bei Erzieherinnen und Erziehern müssten auch die Arbeitsbedingungen und Verdienstmöglichkeiten attraktiver werden. Als Berufseinsteiger gebe es für einen staatlich anerkannten Heilerziehungspfleger circa 1800 bis 2000 Euro netto im Monat, plus Zulagen für Schicht- oder Wochenendarbeit. "Ich fürchte aber", sagt Elmar Mader, "der

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