Startseite
Icon Pfeil nach unten
Günzburg
Icon Pfeil nach unten

Dürrlauingen/Günzburg: Junger Mann rastet in Dürrlauingen aus und droht Polizei mit Bombe

Dürrlauingen/Günzburg

Junger Mann rastet in Dürrlauingen aus und droht Polizei mit Bombe

    • |
    Das Förderungswerk in Dürrlauingen (Vordergrund).  Hier lebt der junge Mann, der ausgerastet ist.
    Das Förderungswerk in Dürrlauingen (Vordergrund). Hier lebt der junge Mann, der ausgerastet ist. Foto: Bernhard Weizenegger (Archiv)

    Die Warnung ist überdeutlich gewesen: Entweder der Angeklagte „funktioniert“, wie es Jugendrichter Walter Henle ausdrückte, oder ihm droht ein mehrjähriger Aufenthalt hinter Gittern. Zunächst bleibt das dem 20-Jährigen aber erspart, der im Dürrlauinger Nikolausheim ausrastete. Alkoholisiert hatte sich der junge Mann mit zwei Polizeistreifen angelegt und sogar damit gedroht, in der Günzburger Inspektion eine Bombe zu legen. Das Jugendschöffengericht verhängte eine Bewährungsstrafe mit einigen Auflagen.

    Der Notruf in der Augustnacht vergangenen Jahres bedeutete nichts Gutes: In einem Wohnheim des Förderwerks randaliere ein Bewohner mit einer Eisenstange und drohe damit, aus dem Fenster zu springen. Vor Ort fanden vier Polizisten aus Burgau und Günzburg zunächst eine relativ friedliche Lage. „Der Angeklagte wollte sich wohl umbringen, weil er sich von seiner Freundin getrennt und Alkohol getrunken hatte“, sagte einer der Beamten nun als Zeuge. Was sich damals dann abspielte, zeigten die Aufnahmen einer polizeilichen Bodycam „eindrucksvoll“, wie es Jugendrichter Henle beschrieb.

    Bodycam-Aufnahmen dokumentieren das Verhalten des Mannes

    Zunächst hatten die Beamten engelsgleiche Geduld mit dem 20-Jährigen, der wegen Selbstgefährdung ins Bezirkskrankenhaus gebracht werden sollte. Ganz so friedlich blieb es nicht: Auf dem Weg zum Rettungswagen trat der Angeklagte auf dem Flur des Heimes gegen einen Beistelltisch, der zu Bruch ging. Den Vorwurf der Sachbeschädigung stellte das Gericht ein, weil nicht zu klären war, ob der Tisch schon vorher beschädigt war.

    Richtig zur Sache ging’s dann im Rettungswagen. Dort wehrte sich der junge Mann dagegen, liegend angeschnallt zu werden, schlug mehrfach um sich und betitelte die Beamten als „Scheißbullen“. Außerdem weigerte er sich, seinen Mund-Nasen-Schutz korrekt aufzusetzen, er habe keine Angst vor Corona – im Vergleich zu den Polizisten. Auch diese Szenen zeigten die Bodycam-Aufnahmen. Das brachte ihm die Anklage wegen Widerstands und Beleidigung ein. Dieses Verhalten veranlasste den Jugendrichter zu einem kleinen Ausflug in die Staatsbürgerkunde. „Haben Sie ein Problem mit der Polizei?“, fragte Henle den 20-Jährigen, der sich über Repressalien beklagt hatte und die Beamten als Nazis beschimpfte. Die Polizei sei auch dazu da, ihn zu schützen und erledige ihren Job, der nicht nur Spaß mache. So müsse sie beispielsweise Nazis bei Demonstrationen schützen, weil das deren Grundrecht sei. Nicht ganz freiwillig entschuldigte sich der Angeklagte bei den Polizisten.

    Jugendgerichtshilfe hält Verbleib im Förderungswerk für geboten

    Die Blutprobe des 20-Jährigen hatte einen Wert von knapp einem Promille ergeben. „Zwei Gläser Wodka-Orange und Weißwein“ habe er getrunken, so der Angeklagte, obwohl das durch die Hausordnung untersagt ist. Nach dem Vorfall im Nikolausheim befand sich der junge Mann eine Woche auf einer geschlossenen BKH-Station, informierte sein Anwalt Mehmet Pektas, seitdem trinke sein Mandant keinen Alkohol mehr. Die eingesetzten Polizeibeamten beschrieben übereinstimmend deutliche Stimmungsschwankungen des Angeklagten von „ziemlich ruhig“ bis zur Aggression. Dies habe wohl seiner Profilierung gegenüber anderen Heimbewohnern dienen sollen, eine echte Verletzungsabsicht hätten sie aber nicht festgestellt.

    Eine Reifeverzögerung bei dem in Brasilien geborenen Mann sei vorhanden, so die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe (JGH), der als Adoptivkind unter schwierigen sozialen Verhältnissen aufwuchs. Schädliche Neigungen seien nicht völlig auszuschließen. Eine weitere Unterbringung im Förderungswerk sei sinnvoll, „um Regeln zu lernen“, ein Alkohol- und Drogenentzug wäre notwendig. Die Staatsanwältin forderte eine einjährige Jugendstrafe auf Bewährung als „vielleicht letzte Chance“.

    Ihm drohen mehrere Jahre hinter Gittern - wenn er sich nicht fängt

    Erschwerend wirke sich aus, dass der Mann einschlägige Vorverurteilungen hat, unter anderem wegen ähnlicher Delikte wie in Dürrlauingen. Verteidiger Pektas plädierte für eine Jugendstrafe auf Bewährung, die Bedrohung sei nicht ernst zu nehmen. Sein Mandant sei reuig und einsichtig. Das Jugendschöffengericht nutzte eine Besonderheit des Gesetzes und verhängte eine Jugendstrafe mit zweijähriger Bewährung. Die Strafhöhe kann zunächst offenbleiben.

    Sollte der 20-Jährige gegen die Auflagen verstoßen, drohen ihm drei bis dreieinhalb Jahre hinter Gittern. Auch muss er 80 Stunden gemeinnützige Arbeit absolvieren, in den nächsten zwei Jahren nachweisen, dass er weder Alkohol noch Drogen konsumiert und seine Berufsvorbereitung zum Schreiner fortsetzen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

    Lesen Sie auch:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden