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Burgau: Erste medizinische "Koma-Leitlinie" trägt die Handschrift aus Burgau

Burgau

Erste medizinische "Koma-Leitlinie" trägt die Handschrift aus Burgau

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    Professor Dr. Andreas Bender, Chefarzt des Therapiezentrums Burgau.
    Professor Dr. Andreas Bender, Chefarzt des Therapiezentrums Burgau. Foto: Therapiezentrum Burgau

    Den 19. September 1987 wird der Augsburger Unternehmer Max Schuster niemals vergessen. An diesem Tag kam er an einer Unfallstelle vorbei, erkennt den Motorroller und findet daneben seine schwer verletzte Tochter. Sie wird reanimiert und intensivmedizinisch behandelt. Trotz schwerster Schädel-Hirn-Verletzungen überlebt sie, bleibt aber im Wachkoma. Von den Ärzten wird sie aufgegeben. Was in Deutschland Ende der Achtzigerjahre noch als unmöglich galt, fand Schuster in den USA und der Schweiz: Eine Rehabilitation für Menschen mit schwersten Hirnschäden, die seiner Tochter half. Vor diesem Hintergrund wurde Schuster zum Pionier und etablierte mit der Gründung des Therapiezentrums Burgau die Nachsorge für Menschen mit schwersten Hirnschädigungen in

    Nach vierjähriger Arbeit ist nun eine erste deutschsprachige Leitlinie zum Thema „Neurologische Rehabilitation bei Koma und schwerer Bewusstseinsstörung im Erwachsenenalter“ veröffentlicht worden. Ausgearbeitet wurde diese von Vertretern von 18 Fachgesellschaften unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation (DGNR). Der Chefarzt des Therapiezentrums Burgau, Professor Dr. Andreas Bender, leitet diese Projektgruppe. "Der Fachbereich ist seit Langem mein Forschungsschwerpunkt. Daher hatte ich der DGNR den Vorschlag gemacht, die

    Einrichtungen wie die in Burgau schaffen die Grundlage

    "Wachkoma und Hirnschädigungen können jeden treffen, ob nach einem Herz-Kreislaufstillstand, Schlaganfall oder einem Schädel-Hirntrauma nach einem schweren Unfall", sagt Bender. Einrichtungen wie die in Burgau schaffen die Grundlage dafür, dass Patienten nach mehrwöchigem Koma rehabilitiert werden können. Das Ziel dabei ist, dass die Betroffenen zu Bewusstsein kommen und wieder kommunikationsfähig werden, also im Idealfall "mit ihren Angehörigen und der Umwelt in Verbindung treten können.

    Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die in der Leitlinie empfohlen werden. Neben der Verabreichung von Amantadin, einem Wirkstoff, der die Wachheit unterstützt, wird eine Empfehlung beschrieben, die unter Therapeuten schon immer weitverbreitet war: Man muss die Patienten so früh wie möglich aus dem Bett holen und in eine senkrechte Körperposition stellen. Dafür gibt es Geräte, ein Stehbrett mit robotischem Beintreten, mit denen man die Patienten trotz fehlenden Bewusstseins aktiv werden lassen kann. Sie haben so die Möglichkeit, die Schwerkraft wieder zu erleben. "Ein wichtiger Reiz für das Gehirn, um die Umgebung wahrnehmen zu können", erklärt Bender. Auch Musiktherapie sei zielführend und ist meist der erste Kommunikationskanal nach einer schweren Hirnschädigung. "Lieblingslieder können eine ungeahnte Wirkung erzeugen", sagt Bender. Musiktherapeuten setzen dabei Klangschalen und Musikinstrumente ein, singen etwas vor und achten dabei auf Stimulation und kleinste Zeichen.

    Gibt es einen Kosten- und Zeitdruck in der Rehabilitationstherapie?

    Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass Hirnschädigungen so stark sein können, dass eine weiterführende Reha nichts mehr bewirken kann, merkt Bender an. "Wir stehen mit dem, was wir tun, natürlich auch in Verantwortung gegenüber den Kostenträgern und müssen uns da rechtfertigen". Die durchschnittliche Rehadauer aller Patienten liege bei rund sieben Wochen. Die Schwankungsbreite des Therapiezeitraums sei groß und könne auch mal mehr als ein halbes Jahr betragen. Wichtig sei dabei eine positive Prognose. Würden Patienten hingegen über sechs bis acht Wochen wenig bis keine Fortschritte machen, müsse befürchtet werden, dass die Ziele in der Reha nicht erreicht werden können. Das bedeute eine Verlegung in eine Pflegeeinrichtung verbunden mit einer Therapiezieländerung. 

    Im Feld der Komaforschung gebe es noch zu wenig Studien, sodass in Bezug auf Verbindlichkeit alle Rehaeinrichtungen nach den DGNR-Empfehlungenhandeln „sollten“, erklärt Bender. Wer von Empfehlungen abweicht, müsse generell Fragen beantworten können, die das jeweilige Handeln begründen. Die Arbeit der Leitliniengruppe ist jedenfalls noch nicht beendet. Jährlich werden die Wissenschaftsdatenbanken auf neue Erkenntnisse überprüft, damit der Weg von Komapatienten zurück in den Alltag weiter geebnet werden kann.

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