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Offingen: Demenz-WG des BRK: Streit um Bleiberecht für Bewohner

Offingen

Demenz-WG des BRK: Streit um Bleiberecht für Bewohner

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    In Offingen betreibt das Rote Kreuz eine Demenz-Wohnanlage.
    In Offingen betreibt das Rote Kreuz eine Demenz-Wohnanlage. Foto: Bernhard Weizenegger

    Dass es beim Roten Kreuz im Landkreis Günzburg bekanntlich Probleme gibt, hat jetzt Yvonne Brunner-Sieber am eigenen Leib erfahren, wie sie unserer Zeitung sagt und weshalb sie sich an unsere Redaktion gewandt hat. Ihr Vater habe mit einer weiteren Frau zu den ersten Bewohnern der Demenzwohnanlage des BRK in Offingen gehört, die im vergangenen Herbst eröffnet wurde. Mündlich, aber vor Zeugen, sei versichert worden, dass die Bewohner bis zum Tod dort bleiben dürften. Doch am 21. Februar habe das Rote Kreuz ihr mitgeteilt, dass man die Versorgung aus Personalgründen nicht mehr sichern könne, aber einen vollstationären Platz in einer anderen Einrichtung anbiete.

    Da sie sich für ihren Vater bewusst für die Demenzwohnanlage entschieden habe, lehnte Brunner-Sieber das ab. Stattdessen beauftragte sie die Ökumenische Sozialstation Günzburg, sich um ihren Vater zu kümmern. Daraufhin habe das Rote Kreuz alle Leistungen eingestellt. Mitarbeiter der

    Sie habe Glück gehabt, angesichts dieser Situation schnell einen Alternativ-Platz bei der Heilig-Geist-Stiftung in Günzburg für ihren Vater zu bekommen. Sie habe ihn bereits vor dem Einzug in Offingen aus einer anderen Einrichtung nehmen müssen, weil die Zustände dort „miserabel“ gewesen seien. Das Rote Kreuz gehe jedenfalls „nicht nur unsozial mit seinen Mitarbeitern, sondern auch mit den Patienten um“, findet die Frau. Sie hat auch kein Verständnis, dass sie stets vertröstet worden sei, als es um einen schriftlichen Vertrag für die Unterbringung in der Wohnanlage ging.

    Die Situation ist eskaliert

    Am Montag vergangener Woche sei die Situation dann eskaliert. Der Nachfolger des entlassenen Pflegedienstleiters habe angekündigt, ihren Vater über Nacht in ein Krankenhaus einzuliefern, da man keine Pflegekräfte habe, um sich zu diesem Zeitpunkt um den Mann zu kümmern. Nach einigen hin- und hergeschickten SMS-Nachrichten sei sie dann mit ihrem Mann in die Einrichtung gefahren, wo der Pflegedienstleiter Fehler des BRK eingeräumt habe. Als sie ihn darauf aufmerksam machte, dass das Gespräch mit einem Handy aufgenommen worden sei, habe er mit einem Hausverbot und der Polizei gedroht – die dann gerufen wurde. Letztlich habe ihr Mann über Nacht bleiben dürfen, um sich um den Schwiegervater zu kümmern, der zuvor keine Hilfe in der Nacht gebraucht habe. Am nächsten Morgen habe sie ihn nach Heilig Geist gebracht.

    Der Chef der Ökumenischen Sozialstation, Stefan Riederle, sagt auf Anfrage, dass Mitarbeiter den Vater von Brunner-Sieber vom 23. bis 25. Februar versorgt hätten. Beim Erstgespräch sei betont worden, dass die ambulante Pflege schwierig sei, er brauche eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung, da er auch an Parkinson leide. Riederle schließt jedenfalls aus, dass Mitarbeiter der Sozialstation von unterlassener Hilfeleistung des BRK gesprochen hätten, das könne er sich nicht vorstellen.

    Geschäftsführer des BRK-Kreisverbands weist Vorwürfe zurück

    Burgaus Polizeichef Stefan Eska bestätigt einen Einsatz in der Einrichtung, bei dem seine Beamten in dem Streit um die Unterbringung vermittelt hätten. Um mehr sei es nicht gegangen, Straftaten stünden nicht im Raum. Unsere Zeitung hat ebenfalls beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) angefragt. Denn er begutachtet auch Pflegeeinrichtungen. Doch wie es dort heißt, dürfe aus Gründen des Datenschutzes keine Information über mögliche Beschwerden herausgegeben werden. Aber man werde die Arbeitsgemeinschaft der Pflegegemeinschaft in Kenntnis setzen. Die Heimaufsicht des Landkreises war erst in der vergangenen Woche in der Einrichtung, heißt es dort auf Anfrage. Man habe keine Probleme gesehen. Allerdings sei die Wohnanlage nur schwach frequentiert.

    Der Geschäftsführer des BRK-Kreisverbands weist die Vorwürfe von Brunner-Sieber explizit zurück. Mathias Wenzel – der den Kreisverband wie berichtet Mitte März auf eigenen Wunsch nach wenigen Monaten im Amt wieder verlässt – erklärt, sich zum konkreten Fall wegen der Schweigepflicht zwar nicht äußern zu dürfen. Die von Brunner-Sieber vorgelegte Entbindung davon reiche nicht. Grundsätzlich sei eine Demenz-WG aber keine stationäre Pflegeeinrichtung, die rund um die Uhr mit Pflegefachkräften besetzt sei. Wer auch immer einen Verbleib bis zum Tod in Aussicht gestellt habe, hätte sich nach seinen Worten darüber im Klaren sein müssen, „dass bestimmte Gesundheitszustände sowie die allermeisten Sterbeprozesse einen Verbleib in einer Demenz-WG nicht ermöglichen“. Über diese Einschätzung habe er alle Angehörigen und gesetzlichen Betreuer der Bewohner, bei denen aus Sicht des Kreisverbands ein Leben in dieser WG ihrem Gesundheitszustand nicht zuträglich sei, am 9. Januar informiert.

    Verbleib bis zum Tod ist eine Fördervoraussetzung

    Nach Informationen unserer Zeitung hatte das Rote Kreuz durchaus vorgesehen, dass die Bewohner bis zum Tod in der Einrichtung bleiben dürfen. Mehr noch: Michael Neuner vom Zentrum Bayern Familie und Soziales, das Förderanträge für den Aufbau ambulanter Wohngemeinschaften bearbeitet, darf sich aus Datenschutzgründen nicht zu konkreten Fällen äußern. Aber er erklärt auf Anfrage: Ein Punkt für die Entscheidung über die Förderfähigkeit sei, dass der Mietvertrag unbefristet und ein Verbleib in der Wohngemeinschaft bis zum Tod grundsätzlich möglich sein muss. Das sei eine Fördervoraussetzung.

    Wie Wenzel erklärt, erhält die Demenz-WG Mittel nach der entsprechenden Richtlinie. Die Vorgaben sieht er dennoch als erfüllt an. Krankheit könne gar kein Kündigungsgrund sein, „ein Verbleib in der Demenz-WG bis zum Todeseintritt berührt hingegen im Allgemeinen die Sicherstellung der medizinischen Versorgung und damit ein vom Mietvertrag unabhängiges Vertragsverhältnis“. Dabei gehe es in der Regel um einen ambulanten Pflegedienst, für den ein Bewohner ein freies Wahlrecht habe – aber kein Recht, dass eine Versorgung dadurch auch erfolgt.

    Doch wenn ein ambulanter Pflegedienst diese nicht wahrnehme, sei die medizinische Versorgung nicht gewährleistet, ein Rechtsanspruch gegenüber dem Vermieter darauf bestehe nicht. Er selbst habe zu keiner Zeit verneint, dass es die Vereinbarung zum Verbleib in der WG bis zum Tod gibt. Die Betreuung werde im Sinne des „Rahmenprogramms“ auch sichergestellt, und ebenso die ambulante Pflege, soweit das BRK sich diese zutraue und mit ihr beauftragt ist. Andere Dienste seien hier auch willkommen. Aber „wir werden definitiv unter Beachtung der Interessen der Bewohner einschreiten, wenn wir bemerken, dass die medizinische Versorgung nicht gewährleistet ist“ – und die Situation dazu führe, dass das Wohl der Bewohner nicht beachtet wird.

    Es gibt "bei Weitem keine Komplettbelegung"

    Nach seiner Auskunft sei es übrigens falsch, dass es keine Verträge für die Unterbringung gebe, ihm lägen solche von Brunner-Sieber unterzeichnete Dokumente vor – die Frau sagt jedoch, sie habe diese bislang nie zurückbekommen. Das gehe anderen auch so. Ebenso wenig gebe es nach Wenzels Erklärung Personalprobleme in der Einrichtung. Die Versorgung der Bewohner sei gesichert, sofern das Rote Kreuz für sie verantwortlich sei. In der Regel würden nur einzelne Zimmer vermietet, alles andere aber separat geregelt. Es könne dafür jeder ambulante Pflegedienst beauftragt werden, weshalb es auch falsch sei davon zu sprechen, dass nach der Beauftragung der Ökumenischen Sozialstation alle Leistungen eingestellt worden seien. Seiner Kenntnis nach bewege sich die Personalfluktuation in der Demenz-WG auf „durchschnittlichem“ Niveau.

    Wie viele Menschen inzwischen dort leben, will Wenzel aus Datenschutzgründen nicht sagen, „da wir bei Weitem keine Komplettbelegung haben“. Dies sei darauf zurückzuführen, „dass die weitere Belegung aufgrund der Umstrukturierung in der Verwaltung aktuell nicht weiter verfolgt wird“. Wie Brunner-Sieber sagt, seien es lediglich zwei oder drei Bewohner.

    Das Thema ist jetzt einem Anwalt übergeben worden

    Dass ein Mitarbeiter irgendeine Schuld des BRK eingeräumt haben soll, kann sich Wenzel auch nicht vorstellen. Ein Gespräch aufzunehmen, ohne das Gegenüber darüber in Kenntnis zu setzen, sei jedenfalls illegal. Zudem sei der Ehemann von Yvonne Brunner-Sieber vor Zeugen verbal aggressiv gegenüber Mitarbeitern geworden, wegen Anzeichen körperlicher Aggression hätten sie sich in einem Zimmer verbarrikadiert. Auch er selbst sei von ihm verbal am Telefon bedroht worden, man habe ein Hausverbot für die Kreisgeschäftsstelle ausgesprochen.

    Wie die Polizei auf Nachfrage erklärt, sind die Beamten an jenem Montag von Wenzel selbst alarmiert worden. Brunner-Sieber räumt ein, dass ihr Mann aus einer Emotion heraus „unschöne Dinge“ gesagt habe, die ihm im Nachhinein auch leid täten, aber es habe sich niemand verbarrikadiert. Das ganze Thema Demenz-Wohnanlage sei nun einem Anwalt übergeben worden. Auf eine Anzeige hat Wenzel verzichtet, da die emotionale Belastung von Angehörigen in Betracht zu ziehen sei, weshalb er zudem als Vermittler fungiert und mit der

    Stellvertretende Pflegedienstleiterin hat gekündigt

    Auch wenn es in der WG nach Ansicht von Wenzel keine übermäßige Personalfluktuation gibt: Fest steht, dass auch die stellvertretende Pflegedienstleiterin Ayse Yilmaz den BRK-Kreisverband inzwischen verlassen hat. Der Geschäftsführer hatte sie erst kürzlich gegenüber unserer Zeitung noch sehr gelobt und ihr explizit dafür gedankt, dass sie die vermeintlichen Versäumnisse des entlassenen Pflegedienstleiters – er hat inzwischen die elfte Kündigung erhalten, wie Wenzel sagt – aufgearbeitet und diesen Bereich damit vor dem Aus gerettet habe. Sie habe die Entscheidung aber selbst und primär aus privaten Gründen getroffen, vielleicht stehe sie dem Kreisverband doch noch etwas länger zur Verfügung. „Ihr Austritt ist ein herber Verlust“, betont Wenzel, und der sei rein freiwillig gewesen, sie habe sich nichts zuschulden kommen lassen.

    Kurz vor dem Abschluss von Arbeitsverträgen stehe man für neu geschaffene Stellen für Controller, Finanzbuchhalter, Personalreferent und Senior Controller, die im Januar ausgeschrieben worden waren. Sie seien für die Sanierung und Restrukturierung des Kreisverbands zwingend nötig. Fertig sei zwar auch ein neuer Hygieneplan für das Rote Kreuz im Landkreis, allerdings muss Wenzel noch klären, warum der Plan noch nicht vorliege. In Kraft treten könne dieser aber sowieso erst nach einer entsprechenden Schulung im April.

    Nachdem die längere Zeit abgemeldete Schnelleinsatzgruppe (SEG) Transport wieder verfügbar ist, hätte zum 1. März auch die SEG Behandlung erneut angemeldet werden sollen. Sie sei zwar nun wieder materiell planmäßig ausgestattet, was zuvor nicht der Fall war, aber nun scheine es an personellen Ressourcen zu hapern. „Somit ist diese Einheit leider immer noch nicht voll einsatzklar.“ Unklar sei, bis wann wieder genug Personal dafür gewonnen sein wird.

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