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Lesekonzert: In der dunklen Kirche erklingt eine besondere Weihnachtsgeschichte

Lesekonzert

In der dunklen Kirche erklingt eine besondere Weihnachtsgeschichte

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    „Augsburger Weihnacht“ in der Christuskirche Burgau. Geschrieben und gelesen von Peter Dempf, musikalisch begleitet von der Chorwerkstatt Burgau unter der Leitung von Markus Putzke.
    „Augsburger Weihnacht“ in der Christuskirche Burgau. Geschrieben und gelesen von Peter Dempf, musikalisch begleitet von der Chorwerkstatt Burgau unter der Leitung von Markus Putzke. Foto: Helmut Kircher

    Schriftsteller ist er und als „Weltenerfinder“ bezeichnet er sich, der in Augsburg geborene und dort beheimatete Peter Dempf (60). Aber, so sagt er ebenfalls, nicht immer müsse es Erfundenes oder Ausgedachtes sein. Auch eine Geschichte, die sich tatsächlich so zugetragen habe wie seine Erzählung „

    Stockdunkel ist es in der restlos voll besetzten Burgauer Evangelischen Christuskirche. Nur die Kerzen des Lichterbaums strahlen. Und die LED-beleuchteten Notenhalter des dreißigköpfigen Sängerensembles geben der Szene eine irgendwie apokalyptische Dynamik. Markus Putzke stimmt die Geschichte mit seiner „Chorwerkstatt Burgau“ – einem auf das jeweilige Programm konzeptionell abgestimmten Projektchor von wechselnder Besetzungszahl – in lyrisch zeitgemäßer Expressivität an. Eine melancholische Vokalise aus dem 15. Jahrhundert widerspiegelt behutsam das mittelalterliche Augsburg in klirrender Weihnachtskälte. Peter Dempf beschreibt es in Worten, lässt es von Hannes, dem nächtlichen Torwächter, in Worte fassen, das schneebedeckte, weiße Nichts.

    Die Eiseskälte, die „die Stadt von allen üblen Gerüchen reinigt“. Als sie ankommen, die „Ägypterleut“, vor dem Tor stehen und um Einlass bitten. Sieben dunkelhäutige Gestalten. Kinder, ein altes Ehepaar und eine junge, bildhübsche schwarzhaarige Frau, die sich krümmt, den Bauch hält und wimmernde Töne von sich gibt. Lange stehen sie vor verschlossenem Tor. Vom Wächter misstrauisch beäugt. Bis dann, nach und nach, wundersame Laute das Dunkel durchdringen. Ein Choral erklingt, vierstimmig, „dessen kanonartige Melodien sich ausbreiten, klar dahinfließen, sich ineinander verflechten, verweben und in die Stadt hineinwehen und die Menschen auf die Mauern treiben“. Eine fast exakte Beschreibung dessen, was der Chor mit dem barocklyrischen Hoffnungsbild „O Heiland reiß die Himmel auf“ in schwebender Leichtigkeit, mit klangeleganter Schreibweise und glasklarem Profil, sängerisch zum Ausdruck bringt.

    Stadtschreiber Peutinger selbst leitet die Gruppe, samt schwer beladenem Esel, höchstpersönlich in ihr Quartier unter der Schranne. Ein Krippenspiel, so munkeln die Leute, werden sie aufführen, mit einer Maria, die wirklich schwanger ist. Und am Heiligen Abend niederkommen wird. „Versteht ihr, am Heiligen Abend!“ Man versteht. Zumal man durch ein seelenerfüllt geschwängertes Sopransolo (Christiane Sandor), übergehend in die chorisch hoffnungsfrohe Motette „O Virgo Splendens“ aus dem „Roten Buch von Montserrat“, bestens informiert wird. In der mit Tüchern verhängten Schrannenhalle soll das Krippenspiel samt Lebendgeburt stattfinden. Eintritt zwei Kreuzer. Ebenfalls stattfinden wird ein großer Reliquienverkauf. Kreuzspäne und der Nachlass der gesamten Heiligengemeinschaft zum Zwecke der Genesung aller Krankheiten gottgegebener Art. Schon damals mithilfe musikalisch umsatzsteigernder Unterstützung. Christoph Becker leistet sie, authentisch, auf weich gestimmtem original Krumm- und Gemshorn, Bernhard Blaschke-Wenisch per Percussion und Markus Putzke auf Kleinorgel mit Originalklangregister. Für die Ägypterleut mit verwehrter Christmette, in der Kirche will man die Fremden schließlich nicht haben. Und letztendlich ist das Jesuskind halt eine Puppe. Und die Reliquien vom „heiligen Schlagmichnicht“. Geheimnisvoll, neo-impressionistisch und mit fülligem Vokalpinsel gemalt, verhaucht das finale „O Magnum Mysterium“ der Augsburger Weihnacht, fulminant feingezeichnet, im sanften Nichts.

    Aber ist das wirklich das Ende der Geschichte? Nein, denn die Sehnsucht nach Licht und Wärme, nach menschlicher Nähe und göttlichem Beistand bleibt.

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