Ein schweres Eisentor fährt zur Seite und dahinter steht er schon, der neue Herr des ehemaligen Nato-Bunkers in Leipheim: Stefan Langer. Und ein Bunker ist es noch immer. Hinein kommt niemand, der sich nicht zuvor angemeldet hat, im und um das Gelände herum nehmen etwa 200 Kameras jede Bewegung auf. Besucher müssen zu jeder Zeit in Begleitung eines Mitarbeiters sein. Wer versucht, über den Zaun zu kommen, löst einen Alarm aus, der die Polizei auf den Plan ruft. Bis auf die Toiletten wird auch im Inneren des Bunkers jeder Raum von vier Kameras überwacht. Tote Winkel gibt es nicht. Die Fenster der Büros sind mit stabilen Gittern gesichert. Und wofür der ganze Aufwand?
Handvenen-Scanner machen Eingänge sicher
Stefan Langer leitet den Leipheimer Standort des Herrschinger Unternehmens Bavaria Weed, das sich der Herstellung von medizinischem Cannabis verschrieben hat und das Langer mit begründet hat. Aktuell werden monatlich 300 Kilogramm Hanfblüten im Wert von rund drei Millionen Euro aus Portugal und Kanada importiert.
Doch das ist nur der Anfang. Wenn der Standort komplett fertig ist und sich die Abläufe eingespielt haben, können monatlich fünf Tonnen Cannabisblüten verarbeitet werden. „Bis Ende des Jahres wird es bei den Abläufen noch quietschen“, sagt Langer voraus. Doch dann sollte alles reibungslos funktionieren. Um dem Weg des Cannabis vom Eintreffen bis zur Auslieferung zu folgen, führt der erste Weg in den Umkleideraum. Schon hier kommt man nicht ohne Begleitung hinein: An der Außentür hängt ein Handvenen-Scanner, an den Langer sein Handgelenk halten muss. „Das ist sicherer als ein Netzhaut-Scanner und funktioniert auch nur mit einer lebenden Hand“, erklärt er. Im Umkleideraum wird ein Schutzanzug über die Alltagskleidung und Überziehschuhe aus Plastik über die Straßenschuhe gestreift. Noch einmal Hände waschen, dann geht es los.
Erste Probedurchläufe in Leipheim wurden mit Gummibärchen durchgeführt
In jedem Raum muss sich Langer an- und beim Verlassen wieder abmelden. Eine zu lange offen stehende Tür löst einen Alarm aus. Zunächst geht es zur Anlieferung. Über eine Staubfangmatte am Boden betritt man die Zulieferungszone. Hier stehen zwei frisch gelieferte Paletten mit Cannabisblüten.
Zunächst muss kontrolliert werden, ob die Plastikverpackung der Paletten unbeschädigt ist, dann wird die Lieferung gewogen. Das Gewicht muss auf das Milligramm genau mit dem übereinstimmen, das im Herkunftsland vor der Absendung abgewogen wurde. „In den ersten Probedurchläufen haben wir das mit Gummibärchen geübt“, erzählt Langer. In Kisten wird das Cannabis weiter transportiert und gelagert. Da es als Rohware geliefert wird, ist es über ein Jahr haltbar. Erst im verarbeiteten Zustand verringert sich die Haltbarkeit auf wenige Monate. Im Reinraum werden die Cannabisblüten dann geprüft, verarbeitet und in Reindosen verpackt. Um in den Reinraum zu gelangen, müssen die Mitarbeiter durch eine Personalschleuse mit Druckausgleich und einen Mund- und Nasenschutz überziehen. Das werde mittlerweile ja sowieso zur Gewohnheit, merkt Langer an und lacht.
Drei Wochen Einarbeitung in jedem Bereich des Leipheimer Bunkers
Besonders wichtig sei es, die Mitarbeiter gut zu schulen. Dafür gibt es eine eigene Schulungsmatrix, erklärt Langer. Neue Mitarbeiter werden in einen Bereich eingearbeitet, werden aber nicht alleine gelassen. Frühestens nach drei Wochen dürfen sie selbstständig in dem betreffenden Bereich arbeiten – nachdem sie einen Test abgelegt haben. Eine solche Einarbeitung gibt es für jeden einzelnen Bereich im Bunker. „Wir machen hier Sachen, die niemand zuvor in Deutschland gemacht hat“, sagt Langer. Die Mitarbeiter sind großteils gelernte Pharmazeuten. „Ich habe den größten Respekt vor unseren Mitarbeitern.“
Doch so fähig die Angestellten auch sind, für die Verarbeitung von Cannabis gilt immer: Kontrolle. Die kommt nicht nur von der Bundesopiumstelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und der Regierung von Oberbayern. Auch in Leipheim gibt es eine sogenannte Qualitätsperson, auch QP genannt, die laut Langer „näher an der Regierung als an unserem Unternehmen arbeitet“ und die Abläufe im Auge behält. Möchte man neue Handgriffe in den Arbeitsalltag integrieren, müssen diese zunächst vom Landesprüfungsamt für Pharmazie der Regierung von Oberbayern abgesegnet werden.
Wartezeiten auf medizinisches Cannabis werden jetzt kürzer
Seit 2017 ist es in Deutschland möglich, Cannabis für medizinische Zwecke und nur auf ärztliches Rezept in Apotheken zu bekommen. Erhältlich ist es als Fertigarzneimittel, Cannabisextrakt oder Cannabisblüte, die entweder inhaliert oder als Tee aufgegossen werden kann. Ein Gramm kostet zwischen 20 und 22 Euro, die Verschreibungshöchstmenge liegt bei 100 Gramm monatlich.
Um eine flächendeckende Versorgung des deutschen Marktes abzusichern, sieht Langer einen großen Vorteil in dem deutschen Standort. Denn als die Verarbeitung noch ausschließlich im Ausland vonstattenging, sei es teilweise zu mehreren Wochen Wartezeiten gekommen. Jetzt kann das fertige Produkt nach spätestens zwei Tagen da sein, wo es gebraucht wird – bei den Schmerzpatienten, Menschen, die an Multipler Sklerose oder Angstzuständen leiden oder eben, wie in Langers Fall, bei ADHS-Betroffenen.
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