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Leipheim: Areal Pro: "Bavaria Weed" forscht im Bunker zu Cannabis

Leipheim

Areal Pro: "Bavaria Weed" forscht im Bunker zu Cannabis

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    David Surjo unterstützt seit Juni als CEO die Geschäftsleitung am Produktionsstandort in Leipheim. Hinter dem dicken Tor verbirgt sich das Unternehmen.
    David Surjo unterstützt seit Juni als CEO die Geschäftsleitung am Produktionsstandort in Leipheim. Hinter dem dicken Tor verbirgt sich das Unternehmen. Foto: Julia Greif

    Hinter einer Glasscheibe verbirgt sich das neue Gerät von Bavaria Weed in Leipheim: Die Mehrkopfwaage kommt unscheinbar daher, silbrig glänzt der Edelstahl. David Surjo steht in einem hellblauen Schutzanzug vor der Scheibe des Reinraums, einem Raum, in dem zum Beispiel die Anzahl der Keime überwacht wird, und erklärt: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten bisher das Cannabis per Hand abgewogen. Auch sonst gibt es Neues bei der Firma.

    Meistens waren Tüten nach Gewicht in die Dose gepackt worden. Jetzt komme das lose Produkt über Förderbänder in einen Trichter in der Mehrkopfwaage und wird dort in zwölf Wägeköpfen abgewogen. 50 Dosen pro Minute stellt die Maschine so fertig. Darauf kommen noch Etiketten. Fast wie im Labor gelten bei der Abfüllung hohe Hygienestandards: In einem Raum vor der eigentlichen Abfüllung, der Materialschleuse, wird die Ware aus dem Karton in eine große Kunststoffwanne geleert. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Raum mit der Maschine nehmen sie entgegen.

    Im Reinraum gibt es ein neues Gerät: eine Mehrkopfwaage für das Abfüllen der Blüten.
    Im Reinraum gibt es ein neues Gerät: eine Mehrkopfwaage für das Abfüllen der Blüten. Foto: Julia Greif

    Surjo hat seit Juni die Geschäftsleitung am Standort in Leipheim übernommen und Erfahrung mit Laboren. Er hatte Biologie in Hannover studiert und an der Medizinischen Fakultät in Köln promoviert. Mehrere Jahre arbeitete er in der präklinischen Forschung, unter anderem in der Schmerzforschung. Deshalb hat auch seine Zielsetzung im Unternehmen einen wissenschaftlichen Anspruch: "Ich möchte gern bei Bavaria Weed mit unterstützen, dass die wissenschaftliche Aufarbeitung vorangeht."

    Im ehemaligen Nato-Bunker in Leipheim wächst jetzt Cannabis.
    Im ehemaligen Nato-Bunker in Leipheim wächst jetzt Cannabis. Foto: Bernhard Weizenegger (Archivbild)

    Im Kommissionierungsraum liefern Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Lager die bestellten Produkte an, dann werden dort die Kisten für den individuellen Auftrag gepackt. Für die Zeit bis Weihnachten wird dort mehr los sein, denn Surjo und die restliche Niederlassung in Leipheim wollen bis dahin eine Studie in Gang bringen. Die Produkte dafür müssen produziert, die Fragebögen aufgesetzt werden.

    Studie zur gesundheitlichen Wirkung von Cannabis

    Die Studie habe den Anspruch, den wissenschaftlichen Nachweis zu erbringen, wie ihre Produkte wirken, erklärt Surjo. Gründer, Produktmanager und Standortleiter Stefan Langer führt aus: "Wir wissen seit 8000 Jahren, wie Cannabis wirkt. Aber das Wissen ist nicht anerkannt." Surjo ergänzt: "Weil die Daten nicht wissenschaftlich erhoben wurden". Bisher basiere die Zuordnung, welche Blüte welche Wirkung hat, rein auf dem Erfahrungswissen der Anwenderinnen und Anwender.

    Hanf, Marihuana und Haschisch

    Im Volksmund werden die Begriffe Hanf, Cannabis, Marihuana oder Haschisch gerne synonym verwendet. Alles hat ja irgendwie mit "Kiffen" zu tun. Allerdings gibt es durchaus Unterschiede.

    Als Hanf wird die Pflanze an sich bezeichnet. Aus ihr lassen sich landwirtschaftliche Produkte wie Fasern und Öl, aber auch Rauschmittel wie Marihuana und Haschisch gewinnen.

    Die lateinische Bezeichnung der Hanfpflanze lautet Cannabis sativa - oder kurz: Cannabis.

    Als Marihuana oder Gras werden die getrockneten, meist zerkleinerten Blütentrauben oder kleinen Blätter der weiblichen Pflanze bezeichnet.

    Als Haschisch bzw. Hasch oder Shit wird das aus weiblichen Cannabispflanzen gewonnene Harz bezeichnet. Es wird in der Regel zu Platten oder Blöcken gepresst.

    In beiden Cannabis-Produkten ist gleichermaßen der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten, allerdings kann der Gehalt oft stark abweichen. THC unterliegt in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz.

    Bisher habe die Forschung die Cannabis-Pflanze auch als eine einzige Pflanze betrachtet. Sie wollen nun aber eine sortenspezifische Forschung beginnen, auf Grundlage einer standardisierten Genetik und eines standardisierten Aufzuchtprogramms. Das Ziel der Studie: dieses "Community-Wissen" in echtes wissenschaftliches Wissen zu überführen und damit für verschiedene Therapiegebiete die optimalen Produkte zu entwickeln. Der Arzt soll dann dem Patienten anhand der Daten sagen können, für welche Beschwerde es welches Angebot gibt und eine konkrete Therapie empfehlen.

    Im Reinraum der Bavaria Weed Cannabis-Produktion in Leipheim werden die Medikamenten-Dosen befüllt. In der Vergangenheit noch von Hand.
    Im Reinraum der Bavaria Weed Cannabis-Produktion in Leipheim werden die Medikamenten-Dosen befüllt. In der Vergangenheit noch von Hand. Foto: Bernhard Weizenegger (Archivbild)

    Als ersten Schritt plant das Unternehmen dafür eine große Patientenumfrage: Über eine Kooperation mit Apotheken werde es die Patienten vor Weihnachten kontaktieren, die bereits Produkte der Marke über die Apotheke beziehen. Auf Basis dieser Umfrage soll dann die Studie designt werden. In diesem zweiten Schritt soll mit wissenschaftlichen Partnern, zum Beispiel Schlafzentren, Krankenhäusern oder niedergelassenen Ärzten, zusammengearbeitet werden. Surjo betont, für die weiteren Entwicklungsprogramme suche die Firma die Kooperation mit anderen Cannabisproduzenten. Sofort werde das aber keine Auswirkungen auf die Produkte haben. Die klinische Entwicklung dauere normalerweise sieben bis 15 Jahre.

    Niederlage vor Gericht: Bavaria Weed benennt sich um

    Neben der Studie gibt es eine weitere Neuerung: Das Zeichen "Bavaria Weed" darf nicht als Marke eingetragen werden. Der Gerichtshof der Europäischen Union hatte im Mai die Klage des Unternehmens abgewiesen, weil es gegen die öffentliche Ordnung verstoße. Surjo erklärt: Sie dürften die Marke zwar weiterverwenden, hätten nun aber kein EU-weites Markenschutzrecht. In naher Zukunft, ab nächstem Frühjahr, soll der primäre Name deshalb in "Bavaria Cannaceutical" geändert werden, einer Neuschöpfung aus Cannabis und pharmaceutical, zu deutsch Pharmaka oder Arzneimittel.

    Langfristig solle es aber zwei Stränge geben: Bavaria Weed für den Freizeitmarkt und Bavaria Cannaceutical für die Medizin. Unter "Freizeitmarkt" verstehen Langer und Surjo eine kontrollierte Abgabe wie bei Tabak oder Alkohol. Die anderen Produkte unter dem Schlagwort Cannceutical erfüllten pharmazeutische Standards und würden über Apotheken vertrieben. Aber auch beim Freizeitmarkt sollten medizinische Standards gelten. Langer zufolge sei diese Trennung immer schon klar gewesen, dass es nun so schnell gehe, sei dem Urteil geschuldet. "Mit der Namensänderung Cannaceutical wollen wir den medizinisch-wissenschaftlichen Anspruch zeigen."

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