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Leinheim: Der Kurier des Bäckers

Leinheim

Der Kurier des Bäckers

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    Zum Abschluss gibt’s ein Walnussbrot: Hans Essenwanger hat stets zu den ersten Kunden gehört, die Karl-Heinz Schuster über viele Jahre bedient hat. Das ist jetzt Geschichte.
    Zum Abschluss gibt’s ein Walnussbrot: Hans Essenwanger hat stets zu den ersten Kunden gehört, die Karl-Heinz Schuster über viele Jahre bedient hat. Das ist jetzt Geschichte. Foto: Till Hofmann

    Es ist ein gelungenes Ablenkungsmanöver Donnerstagfrüh auf dem Hof der Bäckerei Hurler in Leinheim: Karl-Heinz Schusters Nachfolger kramt im Frontbereich des Lieferwagens und murmelt etwas von „Kühler“ und „Wasser“. Das lenkt Schusters ganze Aufmerksamkeit auf das, was vor ihm geschieht. Und es passt ihm nicht so recht, denn er will los. Um 6.50 Uhr gibt es nur eines für ihn – alternativlos – und das seit achtunddreißigeinhalb Jahren: Abfahrt. Schließlich warten Kunden auf ihn. Sein bewährter Tourplan ist minutengenau ausgetüftelt und zeigt ihm an, wann er wo wie lange stehen soll mit dem mobilen Brotshop der

    Fünfmal in der Woche hat sich Karl-Heinz Schuster, den die Kunden nur Heinz nennen, auf den Weg gemacht. Günzburg, Denzingen, Wasserburg, Bubesheim, Deffingen, Kleinkötz, Ebrach, Deubach und noch viele weitere kleine Ortschaften hat er angefahren, um dort frische Semmel, duftendes Brot und Presssack anzubieten, der an einem Haken seitlich von ihm baumelt. Vielleicht darf es ja eine Zeitschrift sein? Das Echo der Frau wartet jedenfalls auf eine Abnehmerin.

    In all den Jahren ist fast nie etwas passiert. Nur einmal hat er einen kleinen Unfall verursacht – als er vergessen hatte, die große seitliche Klappe, die einen Blick in den sechs Quadratmeter kleinen Tante-Emma-Laden freigibt, nach dem Verkauf auch wieder mithilfe der Hydraulik zu schließen. Schuster fuhr an und kurz danach hatte die offene Klappe mit einem Masten am Straßenrand eine ungleiche Begegnung: „Rrrrrrrrtttttttt.“ 1000 Euro Schaden. Es hätte schlimmer kommen können.

    An einen Plattfuß erinnert sich der „rollende Heinz“. Das war an der ersten Verkaufsstation und liegt einige Jahre zurück. Ein Anruf genügte. Zehn Minuten später war ein Mitarbeiter der Autowerkstatt vor Ort. Und während der heute 63-Jährige die papierenen Bäckertüten der Kunden mit Dauergebäck, Mischbroten und Brezeln füllte, wurde das defekte Rad ausgetauscht.

    Hans Essenwanger ist wie in „99 Prozent der Fälle“ der Erste am ersten Verkaufsort in der Günzburger Amselstraße. „Ob’s stürmt oder schneit, der

    An diesem Tag und in den vorangegangenen Tagen hat es viele kleine und große Aufmerksamkeiten gegeben: ein Geschenkkorb, ein Glas selbst gewonnenen Honig, eine Flasche des Whiskys, „den ich so gerne mag“. Die Menschen drücken ihre Wertschätzung für einen Mann aus, der ihnen stets mit Freundlichkeit begegnet ist. Und der da war, wenn man ihn brauchte. „Mir haben manche Leute Dinge offenbart, die sie zu Hause nicht erzählt haben“, sagt er und denkt dabei etwa an Krebspatienten, die schon zig Chemotherapien hinter sich hatten und verzweifelt waren. In solchen Augenblicken trat der Brot-Tourplan in den Hintergrund.

    Zum Singen hat der Heinz auch Zeit gehabt, wenn ihm danach war. Die ersten Zeilen eines selbstverfassten Liedes gehen so: „Ich bin der Butterbrezgen-Schmierer vom Hurlerbäck / Bei mir geh’n die Butterbrezgen wie die warme Wecka weg.“ Als Schuster ein weiteres Gedicht vortragen will, stockt plötzlich seine Stimme. Tränen stehen ihm in den Augen. Der unwiderrufliche Abschied fällt sichtbar schwer. Einmal wird er noch sehr früh aufstehen: Diesen Samstag hilft er dem Nachfolger, den er jetzt über sieben Wochen eingelernt hat, beim Beladen des Fahrzeugs. Das ist bei der Wochenendtour mit über 300 Kunden durchaus diffizil, denn da passt keine Brotscheibe mehr in den Brotshop, soll vollgepackt ist der Wagen.

    Künftig heißt es aber: Aufstehen nicht vor 6.30 Uhr. Eine Wohltat, findet Schuster. Und endlich kann er Filme im Fernsehen abends auch zu Ende schauen. Das blieb ihm bislang meistens verwehrt.

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