Startseite
Icon Pfeil nach unten
Günzburg
Icon Pfeil nach unten

Landkreis Günzburg: Wird mehr Kurzarbeit als bei der Finanzkrise beantragt?

Landkreis Günzburg

Wird mehr Kurzarbeit als bei der Finanzkrise beantragt?

    • |
    Richard Paul ist der Vorsitzende der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Donauwörth.
    Richard Paul ist der Vorsitzende der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Donauwörth. Foto: Bernhard Weizenegger (Archiv)

    So unübersichtlich das Leben angesichts der Corona-Pandemie in vielen Bereichen geworden ist, so unsicher ist auch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Richard Paul, Vorsitzender der Geschäftsführung der auch für den Landkreis Günzburg zuständigen Agentur für Arbeit Donauwörth, erklärt: Die Folgen seien schwer abschätzbar. „Es kommt auch sehr darauf an, wie lange die Corona-Krise andauert und wie schnell es den Betrieben möglich ist, wieder in ihr normales Geschäft einzusteigen. Wir können frühestens ab dem nächsten Monat beginnen zu bilanzieren und dokumentieren.“ Zum jetzigen Zeitpunkt gehe das noch nicht, da der Stichtag, an dem die Daten für den Berichtsmonat März erhoben wurden, der 12. März war – vier Tage, bevor die Ausbreitung des Virus und in der Folge die Maßnahmen der Politik die wirtschaftlichen Aktivitäten eingeschränkt haben.

    An jenem 12. März sei von der Krise noch sehr wenig zu spüren gewesen, heißt es in der Mitteilung. Die einsetzende Frühjahrsbelebung habe die Arbeitslosigkeit im Agenturbezirk sinken lassen. Im Landkreis Günzburg waren 1611 Menschen arbeitslos gemeldet, das entspricht einer Quote von 2,2 Prozent. Im Februar waren es 2,5 gewesen, im März des Vorjahres 2,1.

    Die Unternehmen wollen ihre Beschäftigten halten

    „Allerdings können wir nicht davon ausgehen, dass sich der Rückgang im April fortsetzt. Angesichts der in weiten Teilen ruhenden Wirtschaft bleiben Neu- und Wiedereinstellungen vorerst aus. Die Märzzahlen bilden demnach die aktuelle Situation absolut nicht ab“, betont der Agenturleiter. „Stattdessen versuchen die Unternehmen, zumindest ihre Beschäftigten zu halten. Um einen vorübergehenden Auftrags- oder Absatzmangel zu überbrücken, ist das vorherrschende Thema derzeit Kurzarbeit. Damit soll Arbeitslosigkeit vermieden werden und es ist gut, dass so viele Betriebe davon Gebrauch machen.“

    Auch während der Wirtschafts- und Finanzkrise in den Jahren 2008/2009 nahmen die Firmen Kurzarbeit in Anspruch. Im Mai 2009, dem Höhepunkt der Nut-zung dieser Lohnersatzleistung, bezogen im gesamten Agenturbezirk – dazu gehören die Landkreise Dillingen, Donau-Ries, Günzburg und Neu-Ulm – 13624 Menschen konjunkturelles Kurzarbeitergeld. Damals sei vor allem die Industrie von der Krise betroffen gewesen. „Heute haben wir eine Mischung aus Virus, Strukturwandel und Krise. Es gibt kaum Branchen, auf die sich die aktuelle Situation nicht auswirkt. Wir gehen deshalb davon aus, dass die Zahl der Kurzarbeiter in der Spitze deutlich höher ausfallen wird als vor zwölf Jahren.“

    Es gibt noch keine validen Zahlen

    Eine stabile Datenbasis, auf der sich die Entwicklung abschätzen ließe, gebe es noch nicht. Das liege am Prozessablauf, denn wenn ein Betrieb Kurzarbeit plant, muss er das bei der Arbeitsagentur zunächst anzeigen. Ohne eine solche Anzeige ist später keine Auszahlung möglich. Erst im Nachgang kann der Betrieb die tatsächlich ausgefallene Arbeitszeit anhand von Abrechnungslisten innerhalb von drei Monaten einreichen und bekommt das Kurzarbeitergeld erstattet. „Und erst dann haben wir endgültige Daten dazu, wie viele Personen genau kurzgearbeitet haben, wie groß der Arbeitsausfall war und welche Branchen betroffen sind“, erklärt Paul.

    Einziger Anhaltspunkt sind aktuell die Anzeigen, die gerade in der Arbeitsagentur eingehen. Aufgrund der Masse an eingegangenen Anzeigen gebe es dazu aber noch keine validen Zahlen. Zum einen sei ein großer Teil der Anzeigen noch nicht erfasst, zum anderen könnten Doppelungen vorliegen, da Arbeitgeber zum Teil über mehrere Kanäle wie per Mail, Agentur-Webseite oder telefonisch Kurzarbeit angezeigt haben. Das müsse erst abgeglichen und bereinigt werden. „Es ist daher verständlich, dass angesichts der hohen Dynamik aktuell keine Antwort auf die Frage, wie sich der Arbeitsmarkt und die Kurzarbeit jetzt entwickeln, möglich ist.“ Bis zum Ende vergangener Woche lagen der Agentur für Arbeit Donauwörth nach eigenen Angaben mehr als 2500 Anzeigen für Kurzarbeit vor.

    Eine Rücklage von 26 Milliarden Euro

    Der Agenturleiter möchte auch ein wenig beruhigen: „In dieser außergewöhnlichen Lage, die keiner von uns je erlebt hat, braucht sich wenigstens keiner Sorgen zu machen, dass der Bundesagentur für Arbeit das Geld ausgeht. Für genau solche Situationen haben wir eine Rücklage – aktuell in Höhe von 26 Milliarden Euro. Und wenn diese nicht reicht, erhalten wir Zuschüsse des Bundes, wie es auch in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise war. Außerdem sind Kurzarbeitergeld und Arbeitslosengeld Pflichtleistungen. Wer einen Anspruch hat, erhält diese Leistungen auch.“

    Richard Paul betont weiter: „Die Existenzsicherung für Betriebe und Arbeitnehmer hat in der derzeitigen Situation oberste Priorität. Die Geldleistungen müssen schnell fließen und dafür haben wir unsere Organisation innerhalb einer Woche komplett umgestellt. Die besonders geforderten Bereiche wurden personell aufgestockt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Arbeitsvermittlung oder der Berufsberatung unterstützen bei der Telefonie, der Beratung von Unternehmen zu Kurzarbeit oder bei der Abarbeitung der eingegangenen E-Mails.“

    Kein Publikumsverkehr, aber erreichbar

    Zum Schutz vor einer Ansteckung wurden die Arbeitsagentur und die zu ihr gehörenden Jobcenter für den Publikumsverkehr geschlossen, aber das Personal arbeite mit maximalem Einsatz daran, die Auszahlung der Geldleistungen zu sichern und Menschen, die Hilfe benötigen, schnellstmöglich zu unterstützen. Ebenso sei das Online-Angebot erweitert worden, Kurzvideos mit Anleitungen wurden produziert. Alle Informationen gibt es unter www.arbeitsagentur.de.

    „Dank dem großartigen, engagierten Einsatz aller unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen konnten wir damit zum Ende letzter Woche eine Erreichbarkeit von 98 Prozent sicherstellen“ berichtet der Agenturchef abschließend.

    Kontakt Für eine bessere Erreichbarkeit wurden zusätzliche lokale Telefonnummern eingerichtet. Arbeitnehmer können die überregionale Hotline 0800/4555500 oder die lokale Zusatzhotline 0906/788333 wählen, Arbeitgeber die 0800/4555520, die Familienkasse ist erreichbar unter 0800/4555530.

    Lesen Sie dazu auch:

    Corona: So ist die wirtschaftliche Lage bei Unternehmen

    Kurzarbeit: Anfragen „überrollen“ Arbeitsagentur

    Wanzl unterbricht wegen Pandemie seine Produktion

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden