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Landkreis Günzburg: Wie sich Günzburger Schülerinnen mit Verschwörungsmythen beschäftigen

Landkreis Günzburg

Wie sich Günzburger Schülerinnen mit Verschwörungsmythen beschäftigen

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    Die erste Demonstration gegen Corona-Beschränkungen war in Günzburg im vergangenen August.
    Die erste Demonstration gegen Corona-Beschränkungen war in Günzburg im vergangenen August. Foto: Ernst Mayer (Archivfoto)

    „Es ist keine Erfahrung, die jeder machen muss, aber ich wollte sie machen.“ Das sagt Leonie Wagner, 18 Jahre alt, die das Maria-Ward-Gymnasium in Günzburg besucht. Die Elftklässlerin hat sich für ein Seminar an ihrer Schule entschieden, das überaus aktuelle Bezüge hat: „Verschwörungstheorien: Phänomen und Wirkung“.

    Wagners Aufgabe war es, als Beobachterin an einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen teilzunehmen. Deshalb fuhr die Günzburgerin am 3. Januar eigens nach Nürnberg. „Ich war sehr aufgeregt, weil ich nicht wusste, was da auf mich zukommt“, sagt sie.

    Besuchte aus Studienzwecken eine Demo in Nürnberg: Leonie Wagner.
    Besuchte aus Studienzwecken eine Demo in Nürnberg: Leonie Wagner. Foto: Wagner

    Überrascht war sie von der schieren Menge an Demonstranten: „300 bis 400 Menschen werden da schon gewesen sein.“ Ihre Beobachtungen hat sie mit ihrem Smartphone festgehalten – auf Videos, mit Fotos und Audiodateien. Um nichts zu verwechseln und vergessen, hat die Schülerin wie ein Arzt in sein Diktiergerät gesprochen. Dass die Demo aufgelöst wird, hätte sie erwartet, weil längst nicht alle Abstände einhielten und Masken trugen. Die Polizei aber hielt sich zurück. Der Tross zog anschließend vom Platz vor der Frauenkirche zu einer Polizeiwache, um gegen Polizeigewalt zu protestieren.

    Ein Interview mit Attila Hildmann? Lieber nicht.

    Mitschülerin Amelie Degele hat sich mit den Gesichtern und den Motiven der Querdenker-Bewegung beschäftigt. Noch hat sie Zeit, das alles zu Papier zu bringen. Im November ist Abgabetermin. Einige Recherchen im Internet hat sie schon hinter sich – und mit Akteuren wie Michael Ballweg, Attila Hildmann, Xavier Naidoo und Jürgen Elsässer Bekanntschaft gemacht – natürlich nicht persönlich, sondern als Konsumentin von Videos.

    Amelie Degele hat sich die Gesichter der Querdenker-Bewegung genau angeschaut.
    Amelie Degele hat sich die Gesichter der Querdenker-Bewegung genau angeschaut. Foto: Phototreff Günzburg

    Würde sie gerne ein Interview mit einem dieser Herren führen? „Ich denke eher nicht“, sagt die 17-Jährige aus Offingen, „denn die werden sich alles sehr gut zurechtgelegt haben. Und es ist schwierig, mit jemanden zu reden, der stur auf seiner Meinung beharrt.“ Amelie Degele wünscht sich am Ende ihrer Arbeit, „dass ich verstehen kann, warum Menschen Verschwörungstheorien so befürworten, die ich ziemlich absurd finde“.

    Die größten Geheimnisse

    Skurril trifft wohl das Thema, das sich Anna-Lena Schliep, 16 Jahre, aus Günzburg-Riedhausen herausgesucht hat: Reptiloide, ihre berühmten Mitglieder und die geheime Weltverschwörung. Sie taucht ein in eine Welt, die hierzulande weithin unbekannt ist, aber in Großbritannien und den USA einige Anhänger hat. Die glauben, dass „Echsenmenschen“ – eine Kreuzung aus Mensch und Alien – drauf und dran sind, die Weltherrschaft zu übernehmen. Menschen sind dann nur noch Arbeitssklaven.

    Anna-Lena Schliep kennt die skurrile Theorie der Echsenmenschen.
    Anna-Lena Schliep kennt die skurrile Theorie der Echsenmenschen. Foto: Heiko Grandel

    Grundlage ist das Buch „The biggest secret“ von dem ehemaligen britischen Fußballprofi David Icke. Diesen Mischwesen gelingt es, sich in Menschen zu verwandeln – nur bei Stress blitzt manchmal ihre wahre Identität durch. Angela Merkel, fast alle US-Präsidenten, Elisabeth II. und die königliche Familie gehören ebenso dazu wie Facebook-Gründer Marc Zuckerberg, Hillary Clinton und der emeritierte Papst aus Bayern, Benedikt XVI. „Ich find’s total gruselig, was da verbreitet wird“, sagt die Gymnasiastin, der das Seminar „total Spaß“ macht.

    Das sei eines der Ziele gewesen, sagt der evangelische Religionslehrer Martin Dorner. Wissenschaftliches Arbeiten mit Literaturrecherche und korrektem Zitieren, ein geschärfter Blick und Entdeckerlust gehörten ebenfalls dazu. „Es macht mehr Freude, wenn die Schülerinnen merken, Wissenschaft ist was Spannendes, was Aktuelles, etwas, das unter den Nägeln brennt.“ Dass es aber einmal tagespolitisch so interessant sein könnte, dachte der Lehrer am Maria-Ward-Gymnasium nicht, als er vor etwa zwei Jahren das Seminar ausgeschrieben hatte. Damals war von einem Coronavirus, das die Welt in Atem hält, nicht die Rede. Und Anhänger des aus dem Amt geschiedenen US-Präsidenten Donald Trump hatten noch nicht das Capitol in Washington gestürmt.

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