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Landkreis Günzburg: Wie Corona im Kreis Günzburg die Wirtschaft spaltet

Landkreis Günzburg

Wie Corona im Kreis Günzburg die Wirtschaft spaltet

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    Konjunkturgespräch der IHK mit (von links)  Regionalgeschäftsführer Oliver Stipar, Regionalvorsitzender Hermann Hutter und IHK-Vizepräsident Roland Kober.
    Konjunkturgespräch der IHK mit (von links) Regionalgeschäftsführer Oliver Stipar, Regionalvorsitzender Hermann Hutter und IHK-Vizepräsident Roland Kober. Foto: Till Hofmann

    Wer die Konjunkturentwicklung der Reisebranche und des Gastgewerbes in der Region verfolgt, sieht nach der globalen Finanzkrise im Jahr 2009, dass sich kaum etwas verändert hat: ein leichtes Auf und Ab, wobei es tendenziell nach oben geht. Wer Geschäfte mit der Vermittlung von Urlaubsträumen gemacht oder Speisen und Getränke in einem Lokal angeboten hat, dem ging es in aller Regel gut. Die Beständigkeit hatte den Vorteil, planen zu können - sei es beim Personal, sei es mit anstehenden Investitionen.

    Mit der Corona-Krise ist das schlagartig vorbei gewesen. Das lässt sich an dem Diagramm, das die Industrie- und Handelskammer (IHK) kürzlich präsentiert hat, auf einen Blick feststellen. Im Winter 2019/20 rauschte der Konjunkturindex nach unten, als gäbe es kein Morgen mehr. Im Sommer und Frühherbst 2020 konnte dann eine deutliche Erholung verzeichnet werden, die der weitere Lockdown wieder zunichte machte. "So etwas habe ich noch nicht gesehen", sagt IHK-Regionalgeschäftsführer Oliver Stipar.

    Wirtschaftliche Lage im Kreis Günzburg überwiegend positiv

    Das, was Gastro- und Reisegewerbe, aber auch Teile des Einzelhandels erlebt haben, gilt glücklicherweise nicht für die Wirtschaft an sich in der Corona-Pandemie, wie Hermann Hutter, der Vorsitzende der IHK-Regionalversammlung Günzburg, berichtete. "Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen in den vergangenen Monaten stellt sich die aktuelle gesamtwirtschaftliche Lage in unserer Region überwiegend positiv dar. Das ist besonders auf die gute Entwicklung in der Industrie zurückzuführen", sagt er. Nun komme es darauf an, dass auch die Branchen wieder Tritt fassen könnten, die von den staatlich verordneten Schließungen betroffen seien.

    Das sind die schwabenweiten Erkenntnisse der IHK-Konjunkturumfrage

    Geschäftslage regional Sie ist in den Städten tendenziell schlechter als auf dem Land. In Nordschwaben gibt es weniger Unternehmen im Reise- und Gastgewerbe, daher ist dort die Geschäftslage besser. Die Tourismusregionen im Allgäu kommen durch die Folgen der Pandemie am stärksten unter Druck.

    Geschäftslage nach Branchen Hier sieht das Bild sehr heterogen aus. Insgesamt beurteilen 23 Prozent der Firmen und Betriebe ihre Geschäftslage als schlecht. Im Reise-und Gastgewerbe sind es aktuell 95 Prozent, im Einzelhandel 41 Prozent. Das sind die eindeutigen "Verlierer" der Corona-Krise und ihrer Folgen. Im Baugewerbe beispielsweise halten nur zwei Prozent der Unternehmen ihre augenblickliche Situation für negativ.

    Online-Handel Die Aktivitäten sind spürbar gestiegen. Gefragt war bei den Handelsunternehmen nach Umsätzen in den jeweils sechs Monaten: Ein knappes Jahr vor Corona (Frühjahr 2019) gaben 44 Prozent an, online aktiv zu sein. Deutlich über der Hälfte der Betriebe (61 Prozent) machte zu Jahresbeginn 2020 im Internet Geschäfte. Aktuell sind es 68 Prozent.

    Erwartete Geschäftslage in den kommenden zwölf Monaten nach Branchen Der Saldo-Durchschnitt aus positiven und negativen Einschätzungen hat in der Gesamtwirtschaft aktuell den Wert 10. Vier Branchen liegen darunter: Am deutlichsten das Baugewerbe (-13), dem es in der Vergangenheit jedoch ausgesprochen gut ging. Dann folgt der Einzelhandel (-12), das Reise- und Gastgewerbe (+ 1) und das Transportgewerbe (+4). Sie sind alle unter dem Durchschnittswert. Darüber sind der Großhandel (+ 13), Dienstleistungen für Unternehmen (+ 15) und die Industrie (+ 21).

    Umsatzerwartung nach Branchen In Klammern sind hintereinander drei Werte in Prozente angegeben. Der erste prozentuale Anteil bezieht sich auf einkalkulierte Umsatzsteigerungen von über 10 Prozent. Dann gibt es den "neutralen" Wert (von plus bis minus 10 Prozent) und sinkende Umsätze von mindestens 10 Prozent: Gesamtwirtschaft (11/63/26), Industrie (17/67/16), Großhandel (15/60/25), Transportgewerbe (10/64/26), Einzelhandel (4/48/48), Baugewerbe (4/81/15), Reise- und Gastgewerbe (1/17/82).

    Liquidität Der Status wird von 86 Prozent als gut 85 Prozent oder befriedigend (35 Prozent) angegeben. 11 Prozent sehen ihn als schlecht an - 3 Prozent sogar als existenzgefährdend.

    Hilfen/Anträge 530 Millionen Euro Hilfen gingen bisher an Firmen in Schwaben. Die Überbrückungshilfen I bis III sind dabei ebenso enthalten wie die Oktoberhilfe (nur Stadt und Landkreis Augsburg), November- und Dezemberhilfe. Rund 30.000 Anträge seien bisher bearbeitet worden. Die Geduld aller Beteiligter sei dabei "strak strapaziert" worden, sagt der Günzburger IHK-Regionalversammlungsvorsitzende Hermann Hutter. (AZ)

    In diesem Frühjahr hat fast die Hälfte der rund 50 Mitgliedsunternehmen aus dem Landkreis Günzburg, die an der regelmäßigen IHK-Konjunkturumfrage teilgenommen haben, ihre Geschäftslage als gut bewertet (45 Prozent) - und das trotz anhaltender Corona-Pandemie. Das bedeutet sogar eine leichte Steigerung im Vergleich zum vergangenen Herbst. Damals haben 42 Prozent diese Einschätzung abgegeben. Allerdings ist auch der Anteil der Unternehmen gewachsen, die ihre augenblickliche Situation mit dem Prädikat "schlecht" versehen: von 20 Prozent im Herbst 2020 stieg dieser Anteil auf 24 Prozent. Für "befriedigend" halten 31 Prozent der antwortenden Betriebe die konjunkturelle Lage - das ist ein deutlicher Rückgang gegenüber dem Herbst 2020 (38 Prozent).

    Die meisten Unternehmen im Landkreis Günzburg haben Talsohle durchschritten

    Was hoffnungsfroh stimmt, sind die geäußerten Erwartungen: Danach wird zwar die Geschäftslage, die sich perspektivisch verbessert, gleichbleibend mit 27 Prozent eingeschätzt. Dass sie sich verschlechtern wird, davon gehen allerdings nur noch 16 Prozent der Geschäftstreibenden über alle Branchen im IHK-Sektor hinweg aus. Vor wenigen Monaten noch waren es fast doppelt so viele gewesen (31 Prozent). Offenbar gehen die meisten davon aus, dass die Talsohle nun endlich durchschritten ist.

    Ein Marathon mit Hürden und Zwischensprints

    Das fordert die IHK Schwaben angesichts ihrer gewonnenen Erkenntnisse:

    • Schnell impfen, regelmäßig testen und digital nachverfolgen. Die Eindämmung des Coronavirus - nicht nur abgestellt auf die Sieben-Tage-Inzidenz - ist der wichtigste Schlüssel für eine wirtschaftlicher Erholung.
    • Die besonders betroffenen Branchen benötigen weiterhin staatliche Unterstützung.
    • Der kurzfristige Digitalisierungsschub der Wirtschaft muss sich verstetigen und auf Verwaltungsprozesse übertragen werden.
    • Gefordert wird ein "nachhaltiges Konjunkturprogramm", das Freiräume schafft und die internationale Wettbewerbsfähigkeit stärkt.
    • Regionale, nationale und internationale Wirtschaftsbeziehungen müssen flexibler und widerstandsfähiger werden - insbesondere im Verhältnis der Europäischen Union zu den USA und China.
    • Erst qualifizierte Fachkräfte ermöglichen nachhaltige Wachstumsperspektiven. (AZ)

    An der Konjunkturentwicklung lässt sich das schon länger ablesen. Seit dem absoluten Tiefpunkt vor einem Jahr erholt sich die Wirtschaft insgesamt kontinuierlich, wenngleich seit dem Herbst 2020 nicht mehr so stark. Der IHK-Konjunkturindex liegt derzeit in Westschwaben, also in den Landkreisen Neu-Ulm und Günzburg, bei 123 Punkten (100 Punkte gelten als neutral) und damit um acht Punkte höher als vor der Krise.

    IHK-Unternehmen in Schwaben rechnen mit Lieferschwierigkeiten

    Die Auftragsvolumen hätten zugenommen, die Auslandsnachfrage sei dabei sogar noch höher gewesen als die Binnennachfrage. Die Nachfrage ist zurzeit so stark, dass sich die Transportkosten wegen der Ressourcenknappheit spürbar erhöht haben, was manche Lieferung wieder ausbremst. Hutter macht es an seiner eigenen Firma, einem Günzburger Spieleverlag, deutlich. Kürzlich wurde ihm ein kleiner, gut sechs Meter langer Frachtcontainer angeboten, für den er über 12.000 US-Dollar hätte bezahlen sollen. "Was früher zwischen drei und fünf Prozent der Gesamtkosten ausgemacht hat, der Transport nämlich, liegt plötzlich bei 30 Prozent."

    IHK-Unternehmen in ganz Schwaben sehen vorher, dass Lieferschwierigkeiten zunehmend zum Problem werden. Von einer Unterbrechung der Lieferketten gehen inzwischen 39 Prozent der Befragten aus. Hermann Hutter weiß beispielsweise von einem Maler, der für 40.000 Euro Farben eingekauft hat, "um über den Sommer zu kommen" und Aufträge auch erfüllen zu können.

    Warum das eigene Personal ausfällt

    Knapp vor dieser möglichen Entwicklungsbremse liegt mit 40 Prozent als bedeutendste Auswirkung der Corona-Krise nach wie vor, dass eigenes Personal ausfällt - wegen des Lockdowns, Krankheit, Quarantäne oder der Kinderbetreuung, die beispielsweise wegen des Homeschoolings übernommen werden müsse. Arbeitnehmer können sich dafür freinehmen, wenn das nicht anders organisiert werden kann. Der Wegbruch und die Stornierung von Aufträgen spielen nicht mehr eine so große Rolle wie zuletzt.

    Im Vergleich der Regionen fällt Folgendes auf: Während Schwaben und der Landkreis Günzburg in der Corona-Pandemie sozusagen im Gleichschritt unterwegs waren, verlief die Entwicklung Westschwabens sogar noch etwas günstiger. Die Erklärung dafür, die die IHK-Verantwortlichen gaben, ist die: Den benachbarten Neu-Ulmer Landkreis prägen Industrie und industrienahe Dienstleistungen stärker als Günzburg. Und die Industrie zeigte sich in den zurückliegenden 14 Monaten ziemlich robust.

    Das wird als Risiko für die künftige Entwicklung eingestuft

    Als Risiken für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden zwölf Monaten werden die zunehmenden Energie- und Rohstoffpreise betrachtet und der Fachkräftemangel.

    Deshalb betont IHK-Vizepräsident Roland Kober, wie wichtig es für die Unternehmen selbst ist und bleiben wird, Ausbildungsplätze anzubieten. Das sehen die Ausbildungsbetriebe im Landkreis Günzburg offenbar ähnlich. Denn die Zahl der Betriebe im Kreisgebiet, die eine Ausbildung anbieten, lag zum Ende des vergangenen Jahres bei 325, was gegenüber dem Ausbildungsjahr 2019/2020 einen vergleichsweise leichten Rückgang um 0,6 Prozent ausmacht. Schwabenweit liegt das Minus mit 1,8 Prozent um einiges höher.

    Die IHK im Landkreis Günzburg

    9304 Mitglieder hat die Industrie- und Handelskammer im Landkreis Günzburg. 32 IHK-Mitglieder aus verschiedenen Sparten sind in der Regionalversammlung der IHK vertreten. Im Landkreis gibt es 53.940 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (Stand: 30. Juni 2020). Erwirtschaftet werden im Landkreis insgesamt knapp 5,64 Milliarden Euro Bruttoinlandsprodukt - eine Angabe aus dem Jahr 2018. (AZ)

    Allerdings nehmen die hiesigen Unternehmen bisher jedenfalls nicht mehr so viele Auszubildende. Die Zahl der Ausbildungsverhältnisse beläuft sich auf 1308 zum Jahresende 2020. Das sind 4,9 Prozent weniger als noch ein Jahr zuvor. Das Minus in Schwaben beläuft sich auf 3,3 Prozent.

    Neue Ausbildungsverhältnisse: Günzburg liegt im Plus

    Bisher gibt es im Landkreis Günzburg 154 neu eingetragene Ausbildungsverhältnisse für den Start im September dieses Jahres. Das sind zum Stand am Ende des ersten Quartals (31. März 2021) 4,8 Prozent mehr (Schwaben: minus 8,6 Prozent) als noch vor einem Jahr. Auszubildende wie Unternehmer im Landkreis wollen also nichts dem Zufall überlassen und planen trotz der Corona-Krise längerfristig, um am Ende nicht ohne Ausbildungsplatz beziehungsweise - aus Arbeitgebersicht - nicht ohne Auszubildende dazustehen.

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