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Landkreis Günzburg: Von der Bühne in den Lockdown: Corona zerrt Künstlern an Portemonnaie und Psyche

Landkreis Günzburg

Von der Bühne in den Lockdown: Corona zerrt Künstlern an Portemonnaie und Psyche

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    Auch die Band John Garner leidet unter den coronabedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens – Kulturschaffende wie sie haben während der Lockdowns das Nachsehen.
    Auch die Band John Garner leidet unter den coronabedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens – Kulturschaffende wie sie haben während der Lockdowns das Nachsehen. Foto: Robert Hagstotz/Band

    Im kommenden Monat jährt sich der erste Lockdown, der das öffentliche Leben in Deutschland fast völlig lahmlegte. Für Lisa Seifert sowie ihre beiden Kollegen Stefan Krause und Christopher Sauer war das der Beginn eines langen und beruflich perspektivlosen Jahres. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass die drei Augsburger ihre Jobs hinwarfen, um sich vollends ihrer Folk-Rock-Band John Garner zu widmen.

    „Im September werden es fünf Jahre“, erzählt Seifert, die ursprünglich aus Jettingen-Scheppach kommt. Zusammen mit ihren Kollegen gründete die 29-Jährige damals eine GbR, die Mitglieder schlossen Verträge ab. „Wir haben das richtig aufgezogen, nicht wie eine Garagenband, sondern wie einen Job.“ Und das habe erstaunlich gut funktioniert. Bereits im Gründungsjahr brachte John Garner das erste Album heraus, das zweite folgte kurz darauf, die Band hatte viele Auftritte und schließlich auch die ersten Touren. Und dann kam der März 2020. „Wir hätten eigentlich eine große Tour mit 35 Konzerten gehabt, um unsere neue Platte vorzustellen.“ Doch genau an dem Tag, an dem das Album herauskam, wurden die Konzerte abgesagt – die Haupteinnahmequelle von John Garner. „Wir sind eine Live-Band, die meisten CDs verkaufen wir nach Auftritten und auf dem Musik-Streamingdienst Spotify sind wir zu klein, um wirklich was einzunehmen“, erzählt Seifert.

    Band John Garner spielt im Olympiastadion vor 2000 Gästen

    Auch die Corona-Hilfen des Freistaats Bayern seien nicht wirklich hilfreich gewesen. Zwar hätten diese laufende Kosten gedeckt, allerdings eben nicht die verlorenen Umsätze. Eine Crowdfunding-Kampagne, bei der rund 5000 Euro zusammenkamen, sowie einige kostenpflichtige Online-Konzerte halfen der Band zumindest über die Runden. Zudem hätten sie im Sommer auch einige Freiluftkonzerte spielen dürfen. „Wir durften beispielsweise im Olympiastadion in München vor 2000 Menschen auftreten, das war schon cool und eine Möglichkeit, die wir normalerweise nicht so schnell bekommen hätten.“

    Trotzdem hätten die Nachteile deutlich überwogen und ab Herbst seien Seifert und ihre Kollegen wie viele andere Kunstschaffende „auf dem Zahnfleisch gegangen“. „Unsere Fans waren toll“, erzählt die 29-Jährige. „Sie sind uns zur Seite gesprungen und haben uns unterstützt.“ Von der Regierung könne man das alledings nicht sagen. Viel eher habe man als Musiker das Gefühl vermittelt bekommen, verzichtbar zu sein. „Das läuft irgendwie konträr. Was machen denn die Leute im Lockdown? Sie hören Musik, schauen Filme, lesen Bücher – aber das alles muss ja zunächst auch jemand kreieren“, sagt Seifert. Immer wieder höre man, dass man froh sein solle, wenn man sein Hobby zum Beruf machen könne, was ohne Geld schwierig sei. Es sei ein wenig so, als wäre die generelle Einstellung, dass Kunst ja „sowieso da ist“.

    Sven Larch ist seit 30 Jahren von Beruf Zauberer

    Dazu komme die Schwierigkeit, privat zu planen, besonders als Frau. „Ich habe das auch schon mit einigen Kolleginnen besprochen. Gerade mit Ende 20, Anfang 30 ist es sehr entscheidend, wenn man zwei Jahre kein Geld verdient. Man fragt sich schon, wann man guten Gewissens in die Familienplanung einsteigen kann.“ Das sei als Frau auf der Bühne sowieso schwierig, da man ja über einen größeren Zeitraum ausfalle und dann kein Geld reinkomme. „Und man hat ja auch gesehen, wie schnell die Branche runtergefahren werden kann.“ Aktuell lebe sie von Woche zu Woche, die Inspiration, die oft durch den Kontakt zum Publikum entstehe, sei nicht mehr da.

    So empfindet es auch Sven Larch aus Leipheim. Der 55-Jährige ist seit rund 30 Jahren hauptberuflich als Zauberer tätig. Etwa 80 Prozent seiner Einnahmen stammen aus Kindergeburtstagen, Stadtfesten und Familienfeiern. „Normalerweise wäre ich jetzt auf sämtlichen Veranstaltungen im Kinderfasching unterwegs“, erzählt Larch. In einem Umkreis von 150 Kilometern ist er dafür unterwegs, von München über Nürnberg bis nach Stuttgart fährt er für seine Auftritte.

    Eine Buchung nach der anderen wurde abgesagt

    Bereits mit 15 Jahren fing er, damals noch in Tübingen, mit der Zauberei an. Nach dem Abitur studierte er zunächst Lehramt in Bayreuth, wo er seine heutige Frau kennenlernte. Doch dann entschied er sich dazu, sein Hobby, die Zauberei, zum Beruf zu machen, trat in Freizeitparks wie dem Schwabenpark in Kaisersbach (Rems-Murr-Kreis) auf. Einige Zeit später zog er dann nach Leipheim.

    Sven Larch ist hauptberuflicher Zauberer.
    Sven Larch ist hauptberuflicher Zauberer. Foto: Bernhard Weizenegger

    „Ich konnte sehr gut von der Zauberei leben“, sagt Larch. Bis zum März 2020. Von heute auf morgen konnte er sich nicht mehr auf seine Auftritte verlassen, eine Buchung nach der anderen wurde abgesagt – zuletzt das Kinderfest in Leipheim. Obwohl seine Frau weiterhin arbeitet – sie ist Organistin in Leipheim –, suchte auch Larch sich einen Nebenjob, um gut über die Runden zu kommen. „Vom Staat gibt es ja nicht viel“, sagt er. Besonders ärgerlich sei es für ihn, wenn er von freischaffenden Kollegen aus Baden-Württemberg höre, dass diese mittels eines von der Landesregierung beschlossenen Stipendienprogramms unterstützt würden.

    Mancher will ihn trotz Verbots für Geburtstagsfeier buchen

    Für Larch zahlte sich die staatliche Unterstützung kaum aus. Ab April arbeitete er halbtags bei der Tourist-Information Günzburg-Leipheim. Seit Dezember ist er, auch halbtags, bei der Stadt Leipheim angestellt und überprüft sicherheitstechnische Aspekte in Kindergärten und Schulen. Glücklich ist er damit aber nicht. „Psychisch geht es mir wirklich übel, seit ich meinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Ich bin totaler Fan von Kindern, darum habe ich ja auch zuerst Lehramt studiert. Mir fehlen der Kontakt, der Applaus und die Wertschätzung des Publikums – mein Beruf lebt vom persönlichen Kontakt.“ Er müsse sich finanziell keine Sorgen machen, doch „es ist einfach schade, dass ich nichts mehr machen darf“.

    Immer wieder riefen auch Leute an, die ihn trotz des Verbots für einen Geburtstag buchen wollten. Aber auf so etwas lasse er sich nicht ein. Da er halbtags arbeitet, versucht Larch in der Freizeit, neue Konzepte zu erarbeiten. Doch besonders motiviert sei er dafür nicht. „Das Problem ist, dass wir keine Perspektive haben. Wenn ich wüsste, dass es beispielsweise am 1. April weiterginge, würde ich jetzt ganz anders vorausarbeiten. Aber so weiß ich einfach nicht, woran ich arbeiten soll.“

    Das Problem sieht auch Lisa Seifert. „Als Freischaffende sind wir erprobte Lebenskünstler und halten einiges aus – aber nicht ewig.“ Der Job sei zwar stressig, doch die paar Stunden auf der Bühne würden das alles wieder rausreißen. „Wir sind sehr kreativ, haben im Sommer in zwei Wochen Veranstaltungen organisiert, für die normalerweise monatelang geplant wird. Ich halte sehr viel für möglich. Aber das Sitzfleisch wird dünner.“

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