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Landkreis Günzburg: Rotes Kreuz gibt den ambulanten Pflegedienst auf

Landkreis Günzburg

Rotes Kreuz gibt den ambulanten Pflegedienst auf

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    Die stark defizitäre ambulante Pflege hat beim ohnehin finanziell angeschlagenen Kreisverband Günzburg des Roten Kreuzes keine Zukunft mehr.
    Die stark defizitäre ambulante Pflege hat beim ohnehin finanziell angeschlagenen Kreisverband Günzburg des Roten Kreuzes keine Zukunft mehr. Foto: Angelika Warmuth/dpa (Symbolbild)

    Der Geschäftsführer des Günzburger BRK-Kreisverbands, Daniel Freuding, war längere Zeit optimistisch gewesen, was die Zukunft des ambulanten Pflegedienstes angeht. Zwar hatte sein Vorgänger Mathias Wenzel den damaligen Pflegedienstleiter wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten in dem Bereich mit einer ganzen Reihe von Kündigungen überzogen – unsere Zeitung berichtete im Januar 2019 erstmals darüber, man einigte sich später bei Gericht auf einen Vergleich –, doch Freuding fand keine Hinweise, warum das Rote Kreuz den Geschassten gar schadensersatzpflichtig machen wollte.

    Nun musste er aber die Entscheidung treffen: Der ambulante Pflegedienst wird eingestellt. Dauerhaft. Eine Anordnung des Kreisgesundheitsamts beschleunigte diese Entwicklung, die sich seit dem vergangenen Herbst abgezeichnet hatte.

    BRK-Kreisgeschäftsführer kritisiert das Landratsamt

    Das Landratsamt hatte demnach verfügt, dass vier Mitarbeiterinnen, die Kontakt zu einer mit dem Coronavirus infizierten Patientin hatten, unverzüglich für 14 Tage in Quarantäne gehen mussten. Eine der Frauen habe sogar direkt ihre Tour abbrechen müssen. Was die Behörde nicht gewusst habe: Da der Pflegedienst nur über vier Kolleginnen verfüge, sei mit der Anweisung der komplette Betrieb lahmgelegt worden. Als er das ansprach, habe man ihm gesagt, dass einem dies leidtue, aber man nicht anders handeln könne. „Das ist Dienst nach Vorschrift“, kritisiert Freuding. Was wäre, wenn der Rettungsdienst einmal betroffen wäre? „Den würden sie uns dann auch zumachen.“

    Einen Tag lang habe man mit qualifizierten Ehrenamtlichen die ambulante Pflege überbrücken können, danach habe die Ökumenische Sozialstation Günzburg übernommen. Um Patienten, die nur eine Grundpflege brauchen, kümmerten sich Angehörige. Er habe Beschwerden bekommen, warum das alles so ad hoc geschehen musste, aber man habe keine Wahl gehabt. Für die Patienten tut Freuding die Aufgabe leid.

    BRK bekam den Bereich einfach nicht in den Griff

    Die so entstandene Situation sei der Auslöser gewesen, auch die Entscheidung für die Zukunft zu treffen – dass es keine für den Dienst geben wird. Zunächst habe es so ausgesehen, dass er sich wieder ganz gut entwickele, aber im Herbst vergangenen Jahres „ist es gekippt“. Nach der Entlassung des früheren Pflegedienstleiters hätten sich zwei Nachfolger in dem Bereich versucht, aber keinen Erfolg gehabt und aufgehört. Für die Jahre 2018 und 2019 sowie die ersten Monate des laufenden Jahres sei ein Defizit von mehr als 100000 Euro aufgelaufen, das man nicht mehr auffangen könne. „Es ist keine leichte Entscheidung, sie tut schon weh“, sagt Freuding, aber es gebe keine Alternative. Der Bereich sei einfach auch zu klein, um wirtschaftlich arbeiten zu können.

    Dass die vier Mitarbeiterinnen – eine ist in Vollzeit beschäftigt, die anderen arbeiten in Teilzeit – in diesem Mangelberuf „an der nächsten Straßenecke“ wieder Arbeit finden würden, habe den Entschluss etwas einfacher gemacht. Außerdem habe das BRK einen Wechsel ins Krumbacher Seniorenzentrum angeboten. Und da die Ökumenische Sozialstation die Patienten übernehme und schon Interesse an den Mitarbeiterinnen gezeigt habe, werde es für sie so oder so keine Probleme geben.

    Fehleranfälliges Programm bringt hohen Fehlbetrag

    Schon vor der jetzigen Situation sei er im Austausch mit Stefan Riederle, dem Geschäftsführer der Sozialstation, gewesen. Denn es habe sich eben abgezeichnet, dass das eigene Angebot nicht zukunftsfähig sei. Es habe Probleme bei Abrechnungen in der Zeit des entlassenen Pflegedienstleiters gegeben, die man aber nicht ihm anlasten könne. Vielmehr liege es wohl an einem damals neu eingeführten Abrechnungssystem, „das maximal fehleranfällig ist“.

    Er selbst habe sich für den Umgang damit schulen lassen, sagt der Geschäftsführer, „aber ich würde mir nicht zutrauen, damit eine Abrechnung zu erstellen“. Sein Vorgänger Wenzel habe den entstandenen Fehlbetrag offenbar „komplett falsch interpretiert“ und dem damaligen Pflegedienstleiter angelastet. Doch dessen Nachfolger habe mit dem Programm ebenfalls ein Minus produziert, es sei sehr komplex und weise den Nutzer nicht auf falsche Eingaben hin, was sich nun räche.

    Unternehmer gibt Schutzmasken an das Rote Kreuz

    Wegen der Corona-Krise prüfe der Kreisverband zudem, eventuell ab Mai im Fahrdienst teilweise Kurzarbeit einzuführen. Im Gegensatz zu anderen Anbietern stehe man noch ganz gut da, aber es gebe in allen Bereichen Unsicherheit. Und um vorbereitet zu sein, erwäge man, dieses Mittel zu nutzen.

    Eine positive Nachricht hat Freuding zumindest auch: Inzwischen habe der BRK-Kreisverband vom Günzburger Unternehmer Ferdinand Munk eine große Lieferung an Schutzmasken erhalten, sodass man hier für die nächsten zwei bis drei Wochen wieder genug Vorrat habe. Problematisch sei jedoch, dass die Regierung von Schwaben einem mit neuen Vorschriften die Arbeit erschwere. Würde man demnach etwa nach jedem Patientenkontakt die Handschuhe wechseln, käme man allein im Seniorenzentrum Krumbach auf einen Bedarf von 30000 Stück – pro Woche. „Das ist der Wahnsinn.“ Da das Robert-Koch-Institut wiederum flexiblere Regeln vorgebe, versuche man, sich „irgendwie durchzuwurschteln“.

    Ökumenische Sozialstation macht Mitarbeiterinnen ein Angebot

    Hinzu komme, dass die Beschaffung von Schutzmaterial inzwischen gesplittet worden sei: Um den Rettungsdienst kümmere man sich selbst oder der Landesverband, hier sei die Lage wieder recht stabil. Für die Pflegeeinrichtungen sei nun aber die Führungsgruppe Katastrophenschutz am Landratsamt zuständig, und diese bekomme fast kein Material. Wenn also Ausrüstung für die Pflege etwa vom Rettungsdienst akquiriert werden müsse, bekomme man auch dort wieder Probleme.

    Zurück zum ambulanten Pflegedienst des BRK. Der Chef der Ökumenischen Sozialstation, Stefan Riederle, bestätigt, dass sie die pflegerische Versorgung der knapp 50 Patienten ab 1. Mai dauerhaft fortführen werde. Das könne man mit den vorhandenen Mitarbeitern stemmen. Wie überall sei die Personallage natürlich „auf Kante genäht“, aber insgesamt könne er zufrieden sein. Den vier Mitarbeiterinnen des BRK habe man ein Übernahmeangebot zu ihren bisherigen Konditionen gemacht, aber noch keine Reaktion erhalten. Etwas anders sieht es im hauswirtschaftlichen Bereich aus: Hier sei die Nachfrage beim eigenen Angebot so groß, dass es eine Warteliste gebe. Die etwa 50 weiteren Kunden des BRK für diese Leistungen würden übernommen, wenn man freie Kapazitäten habe.

    Regierung von Schwaben und Landratsamt weisen Kritik zurück

    Die Regierung von Schwaben erklärt – abgestimmt mit dem Landratsamt – zur Kritik des BRK-Kreisgeschäftsführers, dass es beim an die Gesundheitsämter verschickten Handlungsleitfaden für Alten- und Behindertenpflegeheime um Maßnahmen gehe, die abhängig von der räumlichen und personellen Situation umgesetzt werden sollen.

    Sie betreffen etwa zusätzliche Umkleidemöglichkeiten, Schleusenbereiche sowie das Schaffen möglichst gut abtrennbarer Flügel oder Stationen, in denen alle an Corona erkrankten Personen räumlich separiert untergebracht werden können. So könne auch der Verbrauch von Schutzmaterial auf ein notwendiges Mindestmaß reduziert werden. Die Gesundheitsämter sollten die Träger der Einrichtungen hier unterstützen. Eine Diskrepanz zu Veröffentlichungen des Robert-Koch-Instituts könne man nicht erkennen.

    Behörde wartet weiter auf Lieferungen von Schutzmaterial

    Zur Kritik am Gesundheitsamt sagt Christoph Langer, Leiter des Krisenstabs im Landratsamt, dass es die Möglichkeit gebe, einen Antrag zu stellen. Dann könne geprüft werden, ob betroffene Mitarbeiter systemkritischer Bereiche weiterarbeiten dürfen. Dies sei hier nicht geschehen, wobei die Möglichkeit angesichts des frühen Zeitpunkts vielleicht nicht bekannt gewesen sei. Zwischen dem 20. und 24. März sei die Quarantäne angeordnet worden. Die Mitarbeiterinnen seien jedenfalls wieder daraus entlassen und hätten sich auch nicht infiziert.

    Derweil bleibe es schwierig, an genug Schutzmaterial zu kommen, „es ist noch immer eine Mangelwirtschaft“. Man versuche inzwischen, selbst zu beschaffen, der Nachschub aus China rolle langsam wieder. Aber was über die Staatsregierung bestellt wird, komme einfach zu langsam dort an, wo es gebraucht wird, sagt Langer.

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