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Landkreis Günzburg: Raphael Hospiz Verein: „Wir sind keine Trauerklöße“

Landkreis Günzburg

Raphael Hospiz Verein: „Wir sind keine Trauerklöße“

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    Verantwortliche des Raphael Hospiz Vereins in Günzburg mit (unten) Schriftführerin Marianne Wittek, den Koordinatorinnen Monika Weber und Hanni Knötzinger sowie dem Vorsitzenden Dr. Peter Müller.
    Verantwortliche des Raphael Hospiz Vereins in Günzburg mit (unten) Schriftführerin Marianne Wittek, den Koordinatorinnen Monika Weber und Hanni Knötzinger sowie dem Vorsitzenden Dr. Peter Müller. Foto: Till Hofmann

    Die Begleitung schwerkranker Menschen und deren Angehörigen hat sich der Günzburger Raphael Hospiz Verein zur Aufgabe gemacht – seit 22 Jahren. Das kann tatsächlich eine

    Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ambulanten Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienstes wissen, wie wichtig eine solche Unterstützung ist. Ohne, dass jemand zumindest zeitweise hilft, können auch die Pflegenden emotional und auch körperlich schnell an ihre Grenzen stoßen und selbst krank werden – eine mögliche unheilvolle Entwicklung, die vermieden werden soll. Der Hospizdienst ist ein Baustein in diesem Hilfesystem. Die Mosaikteilchen muss man allerdings erst kennen. Auch hier kann der Raphael Hospiz Verein zur Seite stehen, denn die ausgebildeten empathischen Fachleute wissen, welche Dienste, Einrichtungen und Beteiligte – von der Apotheke bis zum Seelsorger – wann notwendig sind. Sie stellen auf Wunsch einen Plan zusammen.

    Eines der wichtigsten Dinge: "Wir schenken Zeit"

    Hanni Knötzinger, eine der beiden Hospizkoordinatorinnen, bringt es auf den Punkt, was hier geleistet wird, um für einen Menschen und die Liebsten um ihn herum am Ende des Lebens da zu sein: „Wir schenken Zeit“, sagt sie. Und das zum Nulltarif. Die Begleitung durch den Hospizverein kostet diejenigen nichts, die sie in Anspruch nehmen.

    Dr. Peter Müller, Chefarzt der Onkologie in der Günzburger Kreisklinik und seit 2015 Vorsitzender des Hospizvereins, ist überzeugt davon, dass die Arbeit der vielen ehrenamtlichen und der wenigen hauptamtlichen Kräfte notwendiger denn je ist. „Im Gegensatz zu früher haben viele Menschen heutzutage Sterben nie erlebt.“ Im Leben, sagt der Arzt, sei man es gewohnt, dass einem – oft gegen Geld – vieles abgenommen werde. Diese Servicementalität gewinnt auch bei einem emotional so aufgeladenen und für viele unangenehmen Thema die Oberhand: Der Tod wird sozusagen abgeschoben in die Krankenhäuser und Pflegeheime. Dabei ist es der Wunsch vieler Menschen, das Ende ihres Lebens in einer vertrauten Umgebung möglichst selbstbestimmt zubringen zu können.

    "Oft wissen die Menschen nicht mehr, für was wir stehen"

    Die nachlassende Bindung zu Institutionen wie der Kirche verstärkt nach Ansicht Müllers die Wissenslücke über das richtige Verhalten in der letzten Lebensphase eines Angehörigen oder engen Freundes. Dazu kommt: „Oft wissen die Menschen gar nicht mehr, für was wir stehen“, bedauert der Vorsitzende, dass das Profil des Hospizvereins für manchen Betrachter wohl etwas „verwaschen“ scheint.

    Das ist der Raphael Hospiz Verein

    Der Günzburger Raphael Hospiz Verein hat 635 Mitglieder, die mit ihren Beiträgen die Vereinsarbeit unterstützen. Für die ehrenamtlichen Einsätze stehen 53 Hospizbegleiter bereit, die für ihre Aufgaben speziell geschult worden sind. Sieben von ihnen haben als Trauerbegleiter von Angehörigen eine Zusatzqualifikation. Zwei Hospizkoordinatorinnen und zwei Bürokräfte sind hauptamtlich angestellt.

    Das Jahresbudget für die Hospizarbeit liegt nach Angaben des Vorsitzenden Dr. Peter Müller bei 250 000 Euro. Den Löwenanteil tragen dabei die Krankenkassen. Der Palliativbereich sei von den Kassen „extrem gut finanziert“, lobt Müller. Bayern steche im Bund positiv heraus.

    Einmal im Jahr erinnern sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Raphael Hospiz Vereins Günzburg in besonderer Weise all der Menschen, die sie im vergangenen Jahr auf ihrer letzten Wegstecke oder auf dem Trauerweg begleitet haben. Der ökumenische Gedenkgottesdienst heuer findet am Dienstag, 26. März, um 18 Uhr in der evangelischen Klinikkirche „Zum guten Hirten“ auf dem Gelände des Bezirkskrankenhauses (nahe der Alten Pforte, Reisensburger Straße) statt.

    Vielleicht hat das auch mit der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) zu tun. Die agiert in der Region seit Oktober 2016 (Sitz in Weißenhorn) und ist für die beiden Landkreise Günzburg und Neu-Ulm zuständig. An sich ist das eine gute Sache. Denn bis zu 30 Tage, die auch gestückelt werden können, sind Müller zufolge drei Ärzte und ein gutes halbes Dutzend Palliativfachkräfte unter medizinischen und pflegerischen Gesichtspunkten im Einsatz. Dabei geht es dann nicht um etwa Grundpflege. „Es ist eine spezialisierte medizinische Versorgungsform“, erklärt der Hospizvereinsvorsitzende. Weitgehend ergänzen sich SAPV und Hospizdienste, wobei beide Einrichtungen – da überlappen sie sich – Beratung anbieten.

    Was die Menschen vom Verein nicht erwarten dürfen

    Müller betont im Gespräch, was die Menschen vom Raphael Hospiz Verein nicht erwarten dürfen: „Wir bieten keine Pflege an – und stellen auch keine Nachtwachen.“ Wichtig ist ihm, dass sich die Menschen möglichst frühzeitig auf das Angebot seines Vereins zurückgreifen. Denn so könne tatsächlich eine vertiefte Bindung zu dem Sterbenskranken und den Angehörigen entstehen, was durchaus hilfreich sei.

    Berührungsängste, findet Marianne Wittek, die Schriftführerin des Vereins ist, sind jedenfalls fehl am Platz. „Vielleicht schrecken manche zurück, wenn sie das Wort ,Hospiz’ hören. Aber Sie können versichert sein: Wir lachen auch mit den Menschen, die sich uns anvertrauen. Es muss einfach der Situation angemessen sein. Wir sind jedenfalls keine Trauerklöße.“

    Die Begleiter unterliegen der Schweigepflicht

    Was die Hospizbegleiter in den Familien und von alleinstehenden Menschen hören, wird nicht weitergetragen. „Sie haben Schweigepflicht“, sagen die zwei Koordinatorinnen Monika Weber und Hanni Knötzinger, die ehrenamtliche Begleiter gewinnen, ausbilden, einsetzen und betreuen.

    Kontakt Für weitere Informationen ist das Hospizbüro von Montag bis Freitag telefonisch unter der Nummer 08221/367616 zwischen 9 und 12 Uhr erreichbar.

    Lesen Sie hier den Artikel über eine Diskussion des Hospiz Vereins: Ersatzteillager Mensch?

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