Eine Zahl ist unverrückbar: Die 26. Nicht länger als 26 Minuten darf in Zukunft ein Fernverkehrszug zwischen Ulm und Augsburg unterwegs sein. Diese Streckenverbindung ist eines von vielen Puzzlestücken, die zusammenpassen müssen, um den ehrgeizigen Plan eines Deutschlandtaktes auf der Schiene verwirklichen zu können. Das bedeutet im Personenfernverkehr nichts anderes, als dass die größten deutschen Städte durch regelmäßige Züge verbunden sein werden – und das alle 30 Minuten zur selben Zeit.
Mit der Bestandsstrecke zwischen Ulm im Westen und Augsburg im Osten, die großteils durch den Landkreis Günzburg führt, ist das Fahrtzeit-Ziel nicht zu erreichen. Deshalb muss Bestehendes nicht nur ausgebaut, sondern vor allem eine neue Strecke gefunden werden – eine, die sich nicht durch die Landschaft schlängelt. Vier Trassierungskorridore gibt es, wenn die beiden südlichsten Varianten, die beinahe identisch sind, zusammengenommen werden. Diese Korridore sind im Augenblick 500 Meter breit. Bis zum Herbst sollen die Planungen so weit vorangekommen sein, dass die Breite der Trassen auf 20 Meter zusammenschrumpft.
Vor gut einer Woche hatte Rotter das erste Gespräch im Kreis Augsburg
Das gab der frühere CSU-Landtagsabgeordnete Eberhard Rotter betroffenen Bürgermeistern aus dem Landkreis Günzburg am Mittwochnachmittag bekannt, nachdem er sich zuvor in Augsburg mit dem Projektleiter unterhalten hatte. Der 66 Jahre alte Rotter ist ein exzellenter Kenner der Bahn. Er war, wie berichtet, verkehrspolitischer Sprecher seiner Fraktion, als er noch im Landtag saß. Von den Günzburger und Augsburger Landräten Hans Reichhart und Martin Sailer ist Rotter gebeten worden, als Mediator tätig zu sein – und die gebündelten Interessen der kommunalen Seite gegenüber Bahn, Land und Bund zu vertreten. Das ist deshalb schon nicht einfach, weil die Befindlichkeiten der beteiligten Landkreise, Städte und Gemeinden unter Umständen differieren.
Es muss also erst einmal die kommunale Familie zusammengebracht werden. Vor gut einer Woche hatte Rotter ein erstes Gespräch mit den Rathauschefs im Landkreis Augsburg. Jetzt waren die Amtskollegen in Günzburg an der Reihe. Mit den Bürgermeistern im Kreis Neu-Ulm steht noch kein Termin fest, sie sehen sich auch flächenmäßig am wenigsten betroffen. Die „Raumwiderstände“ in den möglichen Neubaukorridoren seien zum Teil erheblich. Es geht um die Belange der Anwohner, des Lärm-, Umwelt- und Naturschutzes. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt der Flächenverbrauch. Rotter weiß schon jetzt: „Die Landwirtschaft ist nicht begeistert.“
Rathauschefs sollen sich mit Wünschen und Erfahrungen melden
Und er führt eine Zahl an, die die Komplexität des Vorhabens Aus- und Neubau zwischen den beiden Großstädten unterstreicht: Das Projekt ist Rotter zufolge mit 2,1 Milliarden Euro veranschlagt.
Jetzt sei noch nicht die Zeit, dicke Brocken beiseite zu räumen, sagte er gegenüber unserer Redaktion. „Ich muss sie erst einmal entgegennehmen.“ Das erste Treffen sei bereits eine rege Diskussion gewesen. Rotter warb dafür, sich vor dem in der übernächsten Woche vorgesehenen Dialogforum als Gemeinde- oder Stadtoberhaupt bei ihm „mit Wünschen und Erfahrungen“ zu melden. In dem Forum treffen sich im Format einer Videokonferenz die Landräte, Oberbürgermeister, Bürgermeister und Verbandsvertreter der beteiligten drei Regionen.
Es soll mehr Nahverkehr zwischen Günzburg und Ulm fahren
Keiner der politisch Verantwortlichen hat ein Interesse daran, dass der Fernverkehr durch die Landkreise rauscht, ohne dass die Bevölkerung in der Region davon einen Nutzen hat. Der Nahverkehr erfährt eine Entlastung, weil er durch die Neubaustrecke vom schnellen Transport auf der Schiene besser getrennt ist und nicht ständig das Nachsehen hat, wenn ein ICE – wie jetzt – auf ein- und derselben Schienenstrecke für sich den Vorrang in Anspruch nimmt.
Das sind die Teilnehmer
Koordinator Eberhard Rotter ist ein ausgewiesener Experte in Sachen Bahn. Zwei Tage hat er überlegt, ob er diese Aufgabe übernehmen soll. Dann hat er zugesagt. „Es hat mich gereizt, meinen Teil beizutragen“, sagt er. (ioa)
Das bedeutet: Der regionale Schienenverkehr profitiert dann mindestens von einem Halbstundentakt zwischen Ulm und Augsburg. Bei der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG), die im Auftrag des Freistaats den Schienenpersonennahverkehr in Bayern plant, finanziert und kontrolliert, ist dieser Bedarf bereits angemeldet. Das ist noch unter dem damaligen Verkehrsminister Hans Reichhart geschehen. Wäre die Trasse für den Fernverkehr schon da, dann wäre diese engere Taktung vor Ort auch bereits beschlossene Sache, wie unsere Zeitung erfahren hat. Zwischen Günzburg und Ulm sollen dann auch drei statt zwei Regionalzüge in der Stunde unterwegs sein. Übrigens: Rotter sitzt im Aufsichtsrat der BEG.
Fernverkehr soll in Günzburg jede Stunde halten
Der Landkreis-Koordinator bekräftigte gegenüber den Bürgermeistern aus dem Kreis Günzburg auch, dass der Fernverkehrshalt Günzburg nicht zur Disposition steht. Auch die Bahn selbst hat kürzlich erneut die gleichen Signale ausgesendet.
Unabhängig von der Trassenwahl, so Rotter, wird der Bahnhof auf der Altbaustrecke angefahren. Und Günzburg wird dann zum Fernverkehrshalt im Stundentakt (bisher alle zwei Stunden).
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