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Landkreis Günzburg: Mann wollte sich auf A8 das Leben nehmen - und landet vor Günzburger Gericht

Landkreis Günzburg

Mann wollte sich auf A8 das Leben nehmen - und landet vor Günzburger Gericht

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    Zwei Polizisten sagten während der Verhandlung vor dem Günzburger Amtsgericht als Zeugen aus.
    Zwei Polizisten sagten während der Verhandlung vor dem Günzburger Amtsgericht als Zeugen aus. Foto: Bernhard Weizenegger (Symbolbild)

    Die A8 bei Jettingen-Scheppach, es ist der 22. Februar 2020: Ein Alfa Romeo mit Fürstenfeldbrucker Kennzeichen fährt kurz nach Mitternacht mit hoher Geschwindigkeit Richtung Stuttgart. Der Fahrer hat 1,51 Promille Alkohol im Blut. Er zieht, so die Anklage, in der Absicht, sich das Leben zu nehmen, die Handbremse. Dabei verliert er die Kontrolle über das Auto, kollidiert mit der Betongleitwand auf der linken Seite. Anschließend schleudert der Wagen über die Fahrbahn und schleift an der rechten Außenschutzplanke entlang. Auf der rechten Fahrspur trifft er einen Lastwagen, dreht sich, stößt noch einmal mit der rechten Außenschutzplanke zusammen. Das

    Der zur Tatzeit 33-Jährige musste sich am Mittwoch wegen Straßenverkehrsgefährdung vor dem Amtsgericht Günzburg verantworten. Im Gericht sagt der Mann: „Ich litt unter extremen persönlichen Problemen, war im Ausnahmezustand. Ich habe da noch einzelne Erinnerungsfetzen. Ich bin einfach dankbar und froh, dass es zu keinem Personenschaden gekommen ist.“

    An diesem Tag ist alles zusammengekommen

    Der Mann aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck hat viele Jahre Depressionen, 2011 versuchte er bereits, sich das Leben zu nehmen, so der Gutachter vor Gericht. Zum Zeitpunkt der Fahrt lebte er getrennt von seiner Frau und den beiden Kindern (drei und sechs Jahre). Die Therapie bis Januar 2020 sei sehr gut verlaufen. Aber dann kam eine zusätzliche ADHS-Diagnose dazu. Diese Störung zeigt sich zum Beispiel in Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Die zusätzlichen

    Dazu kamen damals ein Umzug und eine Kontaktsperre. An diesem Tag sei alles zusammengekommen. Als die Richterin fragt, wie es ihm heute gehe, sagt der 34-Jährige, von April bis September sei er in einer Klinik in Fürstenfeldbruck gewesen, wo die Medikamente umgestellt worden seien. Dort sei er noch in Therapie, alle vier Wochen psychiatrisch und einmal pro Woche in der Verhaltenstherapie.

    Ob die Versicherung Rückforderungen hat, zeichnet sich noch nicht ab

    Seine Kinder sehe er alle 14 Tage, ergänzt sein Anwalt, beruflich befinde er sich in einer Wiedereingliederung. Die Scheidung laufe, aber mit seiner Frau komme er klar, sie wohne in der Nähe. Der Mann verdient als IT-Berater 3000 Euro netto im Monat, an seine Frau zahle er aktuell Trennungsunterhalt. Das Haus, in dem er wohne, sei in Familienbesitz, er zahle 300 Euro Reparaturkosten im Monat. Und er habe um die 9.000 Euro Privatschulden, die er über eine Finanzierung teilweise zurückzahle. Ob die Versicherung Schadenszahlungen zurückfordere, wüssten sie noch nicht, sagt

    Während der Beweisaufnahme tauchen die Medikamente auch in einem toxikologischen Gutachten auf. Der Angeklagte ist zudem kein unbeschriebenes Blatt: Im Dezember 2008 bekam er zum Beispiel eine zweimonatige Bewährungsstrafe wegen Trunkenheit am Steuer.

    Zwei Polizisten als Zeugen

    Als Zeugen sagen zwei Polizisten aus, die am Unfallort waren. Der erste berichtet, die Handbremse sei angezogen gewesen. Alkohol hätten die Beamten im Auto nicht gefunden. Ein Alkoholtest vor Ort sei nicht möglich gewesen, „aufgrund der körperlichen Verfassung“ des Mannes. Der zweite Polizist kam direkt ins Krankenhaus für die Blutentnahme. Als die Beamten ankündigten, den Führerschein einzuziehen, habe er diesen durch den Raum geworfen. Schließlich hätten sie ihn beruhigen können, Blut abgenommen und im Bezirkskrankenhaus untergebracht.

    Der Gutachter sieht einen schädlichen Alkoholkonsum, jedoch keine Abhängigkeit. Er sieht auch keinen Zusammenhang zwischen dem ADHS und der Fahrt. Die eingenommenen Medikamente könnten, weil die Dosis niedrig gewesen sei, eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit nicht begründen. Der Angeklagte sei von Kindheit an „mittelgradig depressiv verstimmt“, dazu kämen depressive Ausfälle. Er sei in dieser Ausnahmesituation auf der A8 nicht zurechnungsfähig gewesen.

    Freispruch und Führerschein-Entzug

    Die Staatsanwältin schließt sich dem an, sagt, der Angeklagte habe sich im Zustand der Schuldunfähigkeit befunden. Sie plädiert auf Freispruch und fordert eine sechsmonatige Führerscheinsperre. Der Anwalt stimmt zu.

    Der 34-Jährige wird freigesprochen, ihm wird allerdings der Führerschein für ein halbes Jahr entzogen. Das begründet die Richterin mit einer Vorsatztat und weil er ein erhebliches Gefährdungspotenzial darstelle. Das Urteil ist rechtskräftig.

    Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Sprechen Sie darüber! Es gibt eine Vielzahl von Hilfsangeboten - per Telefon, Chat, E-Mail oder im persönlichen Gespräch, auch anonym. Hier finden Sie eine Übersicht.

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