Dieser eine Satz sagt alles. „Bei uns laufen die Telefone heiß“, erklärt Christine Jung, die Pressereferentin der Agentur für Arbeit in Donauwörth. Arbeitgeber wie Arbeitnehmer suchen Rat und Unterstützung – bei Kurzarbeiter- und Arbeitslosengeld, bei Sofort- und Überbrückungskrediten. In diesen wirtschaftlich schweren Zeiten von Corona sind aber auch Kreativität und Ideenreichtum gefragt.
Positive Beispiele gebe es durchaus, hebt Oliver Stipar, der Regionalgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK), hervor. Er appelliert an Unternehmer, sich Gedanken darüber zu machen, wie durch alternative Produkte ihr Betrieb am Laufen gehalten werden kann. Unterschiedlich ist die Lage beim Handwerk. Bei kleineren Baubetrieben gehen die Geschäfte noch ganz gut, viele Friseursalons könnten die Corona-Krise dagegen nicht überleben, fürchtet Ulrike Ufken, die Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Günzburg/Neu-Ulm. Sie weiß aber auch anrührende Geschichten der spontanen Hilfsbereitschaft zu erzählen.
Verlässliche Zahlen gibt es noch nicht
Wie viele Betriebe aus dem Landkreis haben Kurzarbeit angemeldet, wie viele Beschäftigte sind davon betroffen oder schon entlassen worden? Verlässliche Zahlen kann Christine Jung nicht nennen. Die Arbeitsagentur sei von der Fülle der Anfragen und Meldungen „etwas überrollt“ worden. Derzeit würden alle verfügbaren Kräfte gebündelt, um vor allem die beiden Hauptthemen Kurzarbeiter- und Arbeitslosengeld abzuarbeiten. Die Pressereferentin: „Wir alle tun unser Bestes.“ Auch bei der IHK wird derzeit versucht, sich „einen Überblick zu verschaffen“, wie der für Westschwaben zuständige Regionalgeschäftsführer Oliver Stipar auf Nachfrage erklärt. Hauptthema der IHK sei es momentan, vor allem kleinen und mittleren Betrieben schnell und unbürokratisch dabei zu helfen, ihre meist dünne Liquiditätsdecke durch staatliche Soforthilfen etwas aufzupolstern.
Manche Industrieprodukte können in diesen Tagen aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr an die Kunden gebracht werden, andere werden dringend nachgefragt. Letzteres biete manchem mittelständischen Betrieb die Chance, das Geschäft am Laufen zu halten. So seien etwa Produzenten von Spirituosen dazu übergegangen, ohne allzu großen technischen Aufwand auf die Herstellung von Desinfektionsmittel umzusteigen. Stipar appelliert an Unternehmer, sich übergangsweise alternative Produktionsmöglichkeiten auszudenken. „Damit nach der Krise wieder voll durchgestartet werden kann.“ Die bayerische Landesregierung ist nach Angaben von Stipar dabei, eine Datenbank aufzubauen, mit der Angebot und Nachfrage unter einen Hut gebracht werden können.
"Ein massives Friseursterben" wird befürchtet
Unterschiedlich sieht es nach Angaben von Ulrike Ufken im Handwerk aus. Auf der einen Seite könnte es „ein massives Friseursterben“ geben, ebenfalls massive Sorgen haben Schneidereien. Auch große Bauunternehmen hätten Probleme, ihre Aufträge zu erledigen. Der Grund: Viele Subunternehmen beschäftigen vor allem osteuropäische Kräfte, die aber seien aus Sorge vor dem Coronavirus in die Heimat zurückgekehrt. Kleinere Betriebe des Baugewerbes, etwa Zimmerer und Schreiner, seien dagegen meist noch gut ausgelastet. Unterschiedlich sei die Lage in der Metallbranche, starke Umsatzeinbußen verzeichnen laut einer Umfrage der Handwerkskammer Elektrogeschäfte, Bäcker und Metzger. „Ihnen bricht die Laufkundschaft weg“, erklärt Kreishandwerksmeister Wolfgang Stoll. Er und Ufken legen Wert auf die Feststellung, dass noch immer viele Handwerksbetriebe geöffnet haben und die Beschäftigten trotz der Corona-Gefahren ihrer Arbeit nachgehen. „Das ist aller Ehren wert.“
Bei allen Sorgen: Es gibt auch Geschichten, die Ulrike Ufken zu Herzen gehen. Eine ältere Frau aus Günzburg habe unter Tränen bei der Handwerkskammer angerufen. Das Problem: Ihr kleines Kätzchen sollte auf dem Balkon etwas Auslauf bekommen. Dazu sei ein Absperrnetz vonnöten. Ein Günzburger Handwerker eilte an den Ort des Geschehens und löste das Problem. Wie ein weiterer Günzburger Handwerker. Er reparierte auf Zuruf zu später Stunde die nicht mehr verschließbare Haustür eines Ehepaares. Das wäre ansonsten frierend bei Minusgraden im Haus gesessen.
Familiengeführte Firmen wollen Personal so lange wie möglich halten
Abseits solcher Episoden mache sich im Handwerk die Sorge breit, dass die Zukunft düster werden könnte. Ufken: „Viele Mitarbeiter haben große Angst, dass sie längerfristig entlassen werden könnten. Über alle Branchen hinweg.“ Auch wenn die familiengeführten Betriebe so lange wie möglich an ihren Beschäftigten festhielten.
Kontakt Die Agentur für Arbeit hat zusätzliche Service-Nummern eingerichtet. Für Arbeitgeber: 0800/4555520, für Arbeitnehmer: 0800/4555500 oder 0906/788333, die Familienkasse: 0800/4555530. Die HWK hat die Hotline 0821/3259-1200 geschaltet.
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