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Landkreis Günzburg: Günzburger Kreisräte fordern Georg Nüßleins Rücktritt

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Günzburger Kreisräte fordern Georg Nüßleins Rücktritt

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    Der Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein sitzt auch im Günzburger Kreistag. Es gibt mehrere Stimmen, die ihm empfehlen, seinen Sitz dort abzugeben.
    Der Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein sitzt auch im Günzburger Kreistag. Es gibt mehrere Stimmen, die ihm empfehlen, seinen Sitz dort abzugeben. Foto: Soeren Stache, dpa

    Der 51-jährige Georg Nüßlein aus Münsterhausen steht seit Tagen deutschlandweit im Fokus, nachdem der Bundestag seine politische Immunität aufgehoben hat. Der Bundestagsabgeordnete Nüßlein ist wegen eines dubiosen Masken-Geschäfts ins Zwielicht geraten. Er soll 660.000 Euro dafür kassiert haben, dass er einem Maskenhersteller zu einem millionenschweren staatlichen Auftrag verhalf. Nüßlein hat seit Bekanntgabe der Untersuchungen einen scheibchenweisen Rückzug hingelegt. Er war als Fraktionsvize zurückgetreten und kündigte an, bei der Bundestagswahl nicht mehr anzutreten. Vor wenigen Tagen ist er aus der CSU ausgetreten, in der er seit 1987 Mitglied war. Gegen Nüßlein, der den Stimmkreis Neu-Ulm seit 2002 in Berlin vertritt, wird unter anderem wegen des Verdachts der Bestechlichkeit ermittelt. Als fraktions- und parteiloser Bundestagsabgeordneter entzieht er sich möglichen Sanktionen durch seine bisherige Partei. Doch wie geht es für Nüßlein im Kreis Günzburg weiter?

    In Münsterhausen gehörte er von 1996 bis 2020 dem Marktgemeinderat an, außerdem sitzt er im Günzburger Kreistag – zuerst von 1996 bis 2002 und dann seit 2008 wieder. Kritik kam in der Vergangenheit immer mal wieder auf – weil er auf vielen Sitzungen nicht anwesend war. Im Kreistag war Nüßlein beispielsweise zwischen 2008 und 2014 lediglich in sieben von 26 Sitzungen anwesend. Eine aktuellere Zahl wurde vom Landratsamt Günzburg bis Redaktionsschluss nicht geliefert. Wer aber die Sitzungen des Gremiums verfolgte, dem fiel eines auf: Nüßlein war in den vergangenen Jahren nur äußerst selten anwesend. Dabei betonte Nüßlein noch im Oktober 2019 gegenüber unserer Redaktion, dass der Sitzungsrhythmus der Kreisgremien mit der Arbeit im Bundestag zeitlich etwas leichter zu koordinieren sei als die Tätigkeit im Marktrat. Aber auch hier müsse er natürlich berücksichtigen, dass ihn seine Arbeit in Berlin immer mehr in Anspruch nehme. Und das tat es allem Anschein nach sehr. Das sagen die sieben Fraktionsvorsitzenden sowie Landrat Hans Reichhart zur Causa Nüßlein:

    Landrat Hans Reichhart: "Aber es stellt sich natürlich immer die Frage, wie man dies moralisch bewerten mag."

    Landrat Hans Reichhart (CSU): Landrat Hans Reichhart betont, dass eine Kreistagswahl eine personalisierte Wahl sei. Er gehe derzeit davon aus, dass Nüßlein weiterhin dem Kreistag angehören werde. „Strafrechtlich betrachtet gilt für Georg Nüßlein weiterhin die Unschuldsvermutung. Aber es stellt sich natürlich immer die Frage, wie man dies moralisch bewerten mag. Fakt ist, dass Georg Nüßlein für den Landkreis viel erreicht hat.“

    Robert Strobel (CSU, 23 Kreisräte): Wie es mit Nüßlein im Kreistag weitergeht, damit hat sich der CSU-Kreistagsfraktionsvorsitzende, Ichenhausens Bürgermeister Robert Strobel, noch nicht intensiv beschäftigt. „Warum diese Eile, diese Hetzjagd? Die nächste Kreistagssitzung findet erst Mitte Mai statt.“ Sollte sich Nüßlein in den nächsten Wochen nicht dazu äußern, werde er als Fraktionsvorsitzender das Gespräch mit ihm suchen. Bisher habe er noch keinen Kontakt mit ihm gehabt. Strobel sagt aber auch: „Wenn ein Bundestagsabgeordneter 660.000 Euro angenommen hat für das Vermitteln von Lieferanten, für das Weitergeben von Lieferanten-Adressen, wäre das für mich ein Unding.“ Trotz Nüßleins Austritt aus der CSU ist er laut Strobel weiterhin ein Mitglied der Fraktion im Kreistag. Die Fraktionsmitgliedschaft sei nicht mit einer Parteimitgliedschaft verbunden, erklärt Strobel.

    Georg Nüßlein erhielt bei der Wahl 2020 mehr als 24.000 Stimmen im Landkreis Günzburg

    Sollte Nüßlein sein Amt als Kreisrat – er erhielt 2020 mehr als 24.000 Stimmen und lag somit in der CSU-Liste auf Platz sieben – zurückgeben? Kreisrat ist kein Beruf und sei vermutlich in den jetzigen Gedanken Nüßleins an hinterer Stelle. Man sollte ihm die Zeit geben, darüber nachzudenken. Mit der Frage konfrontiert, ob Nüsslein nicht schon deshalb das Kreistagsmandat aufgeben solle, weil er bei Sitzungen immer wieder fehle, sagt Strobel: „Wird nicht oft kritisiert, Abgeordnete seien zu wenig an der Basis, würden die Probleme vor Ort nicht kennen? Dann sollten wir es doch für gut heißen, wenn Bundestagsabgeordnete Mitglieder in Gemeinderäten und Kreistagen sind und es akzeptieren, wenn sie wegen den Sitzungswochen in Berlin nicht bei allen Gemeinde- und Kreistagssitzungen dabei sein können.“

    Kurt Schweizer (Grüne, 9 Kreisräte): Der Fraktionschef der Grünen im Kreistag fordert sofortige Konsequenzen von Nüßlein. Nicht nur sein Bundestagsmandat, auch seinen Sitz im Kreistag müsse er sofort aufgeben, sagt Kurt Schweizer. „Ich halte es für unmoralisch, was er getan hat. Das wirkt sich negativ auf das Vertrauen in die Politik im Allgemeinen aus – auch im Landkreis.“ An der CSU lässt der Offinger kein gutes Haar. „Halb Deutschland äußert sich zu Nüßlein, aber der Kreisverband, der ihn immer wieder nominiert hat, schweigt.“ Auch CSU-Kreischef Sauter müsse zur Aufklärung der Sache beitragen.

    Josef Brandner: "Wir sollten das Vertrauen in die Politik nicht weiter beschädigen"

    Josef Brandner (FW, 9 Kreisräte): Eher zurückhaltend gibt sich der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler. Josef Brandner erklärte zwar, Nüßleins Entscheidung, sein Bundestagsmandat zu behalten, sei für ihn „grenzwertig“ und ein „konsequenteres, politisch korrektes Handeln“ sei notwendig. Der Krumbacher betonte aber auch, dass sich Nüßlein in Berlin immer für die Region eingesetzt habe und weiter die Unschuldsvermutung gelte. „Wir sollten das Vertrauen in die Politik nicht weiter beschädigen und schauen, dass bei aller politischen Auseinandersetzung der Umgangston noch fair bleibt“, sagt Brandner, auch mit Blick auf seine Kreistagskollegen.

    Gerd Olbrich (SPD, 6 Kreisräte): Einen sofortigen Rücktritt von allen Ämtern fordert SPD-Fraktionssprecher Olbrich. „Georg Nüßlein hat sich für alle politischen Ämter disqualifiziert“, sagt der Thannhauser, der seit 1984 Mitglied im Kreistag ist. Denn auch unabhängig vom Ausgang der Ermittlungen sei der politische Schaden schon angerichtet – „im Landkreis Günzburg vermutlich mehr als anderswo. Dass da einer in der größten Krise, die wir je erlebt haben, die Hand aufgehalten hat, ist das eigentlich schockierende“, sagt Olbrich. Er fordert auch die Kreis-CSU auf, sich deutlich zu Nüßlein zu positionieren. „Ich kann nicht verstehen, dass da nichts kommt, so wie sich die Sache entwickelt hat.“ Das beschädige das Vertrauen der Bürger nur weiter.

    AfD-Kreisrat Gerd Mannes bezeichnet Nüßleins Verhalten als "beschämend"

    Gerd Mannes (AfD, 5 Kreisräte): Eine klare Meinung zum Fall Nüßlein hat der Leipheimer Gerd Mannes. Als „unterirdisch“, „beschämend“ und „verabscheuungswürdig“ bezeichnet er das Verhalten Nüßleins, wenn sich die Vorwürfe bestätigen. „Ein Abgeordneter ist nur seinem Gewissen unterworfen. Ich stelle mir die Frage: „Hat er ein Gewissen?“ Mannes empfiehlt dem CSU-Mann, sein Bundestagsmandat abzugeben – und auch als Kreisrat zurückzutreten. Er habe ihn im vergangenen Jahr bei keiner Sitzung gesehen. „Er ist völlig desinteressiert was im Kreistag passiert“, kritisiert Mannes. Weitere Aufklärung erfordert laut Mannes die Rolle des CSU-Kreisvorsitzenden Alfred Sauter. Dieser hatte offensichtlich für das Bayerische Gesundheitsministerium und ein privates Unternehmen über seine Anwaltskanzlei einen Vertrag zur Beschaffung von Masken ausgearbeitet. „Dieser Vorgang hat mehr als nur einen üblen Beigeschmack, weil Sauter aktives Mitglied des Landtags und der Regierungsfraktion ist.“

    Stefan Baisch (JU, 4 Kreisräte): Der Günzburger Stadtrat Stefan Baisch ist Fraktionsvorsitzender der JU und möchte Nüßlein keine Empfehlung zu politischen Konsequenzen geben. „Was jetzt als Anfangsverdacht im Raum steht, hat nichts mit seiner Tätigkeit im Kreistag zu tun“, betont Baisch. Deswegen habe Nüßlein auch das Recht, Kreisrat zu bleiben. „Er muss genau entscheiden, was gut für ihn und gut für die Partei ist“, sagt Baisch. In der Vergangenheit sei es seiner Meinung nach gut gewesen, einen Bundestagsabgeordneten im Kreistag sitzen zu haben – da er viele Themen direkt nach Berlin trage. Baisch betont, dass Politiker ein hohes Vertrauen der Wähler genießen und man mit diesem achtvoll umgehen muss. „Wenn etwas im Einzelfall passiert, dann ist das der persönliche Fehler des Einzelnen und nicht der gesamten Politik.“

    Rückzug von Nüßlein aus dem Kreistag hält FDP-Fraktionsvorsitzender für angebracht

    Herbert Blaschke (FDP, 3 Kreisräte): Der Burgauer Herbert Blaschke hält es für angebracht, dass Nüßlein sein Bundestagsmandat zurückgibt. „Wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten, dann wirft das Verhalten eines Einzelnen ein ganz schlechtes Licht auf alle anderen Politiker, die sich jeden Tag mühen“, sagt Blaschke. Auch einen Rückzug Nüßleins aus dem Kreistag hält er für angebracht, da er selten präsent sei und sich kaum eingebracht habe.

    Übrigens: Als „Einzelkämpfer“ im Kreistag unterwegs ist übrigens Christoph Weber, der als Kreisrat der Linken keinen Fraktionsstatus hat. (mit pb)

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