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Landkreis Günzburg: Frühlingsgefühle bei den Blumenhändlern: So lief der Neustart im Landkreis Günzburg

Landkreis Günzburg

Frühlingsgefühle bei den Blumenhändlern: So lief der Neustart im Landkreis Günzburg

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    Um 8.30 Uhr öffneten in Jettingen-Scheppach Marktleiter Rudolf Nerdinger und Gartenzentrum-Chef Thomas Weikert den Obi Baumarkt für die ersten etwa 20 Kunden.
    Um 8.30 Uhr öffneten in Jettingen-Scheppach Marktleiter Rudolf Nerdinger und Gartenzentrum-Chef Thomas Weikert den Obi Baumarkt für die ersten etwa 20 Kunden. Foto: Bernhard Weizenegger

    Die bunte Blütenpracht wirkt herzerwärmend nach diesem entbehrungsreichen Winter. Und sie begegnet im Landkreis Günzburg Menschen, die sich augenscheinlich mehr als in anderen Jahren nach einem Frühling sehnen, der nicht nur alle Sinne weckt, sondern auch die Seele aufmuntert. Dieser erste März-Tag 2021 bringt ihnen ein kleines Stück Zuversicht zurück. An diesem Montag dürfen Gärtnereien sowie Bau- und Gartenmärkte in Bayern wieder öffnen. Die Freude darüber ist groß.

    In Ichenhausen heißt es: "Gott sei Dank"

    Brigitte Miller empfängt ihre Kunden in ihrem Ladengeschäft in Ichenhausen mit einem Strahlen, das die wärmende Sonne vor der Tür neidisch machen könnte. „Gott sei Dank“, sagt sie als Signal der Erleichterung, dass es endlich weitergeht. Es hängt ja wesentlich mehr am Familienbetrieb als der Name Miller. Ihre beiden Angestellten musste sie für die Zeit des Lockdowns in Kurzarbeit schicken. „Das tat mir wahnsinnig leid“, sagt Miller, „aber wir hatten ja praktisch keine Einnahmen.“

    In den Blumenstadel von Brigitte Miller (links) in Ichenhausen kommt Stammkundin Brunhilde Schmid an diesem Montagvormittag, um Blumen für eine Grabbepflanzung zu kaufen.
    In den Blumenstadel von Brigitte Miller (links) in Ichenhausen kommt Stammkundin Brunhilde Schmid an diesem Montagvormittag, um Blumen für eine Grabbepflanzung zu kaufen. Foto: Bernhard Weizenegger

    Das System der telefonischen Bestellung und persönlichen Abholung, neudeutsch Call&Collect genannt, war aus ihrer Sicht „keine dankbare Sache, weil sich zu viele Leute nicht an die Abholzeiten gehalten haben“. Und staatliche Hilfen seien im Unterschied zur ersten Zwangsschließung vor annähernd einem Jahr diesmal auch nicht geflossen. „Wenn du da keine Rücklagen hast, bist du aufgeschmissen.“

    Womit Brigitte Miller in der Politik angekommen ist. Dass sie jetzt öffnen darf, während andere Einzelhändler nach wie vor warten müssen, ist für sie nicht nachvollziehbar. „Über den Winter war alles konzentriert in den Supermärkten, in denen viel mehr Leute waren als normalerweise. Dabei hatte der gesamte Einzelhandel gute Konzepte“, klagt sie und mündet in den Vorwurf: „Man hat langsam aber sicher das Gefühl, die kleinen Geschäfte sind gar nicht mehr gewollt von den Herrschaften da oben.“

    Gärtnerei Miller existiert seit 1853

    Trotzdem: Ihren Optimismus hat sie auch in der Corona-Pandemie nie wirklich verloren. In schwereren Momenten denkt sie immer daran, dass die Gärtnerei Miller bereits seit 1853 existiert. „Und wir werden dafür schaffen, dass es sie auch weiterhin gibt.“

    Die Wiederöffnungs-Freude einer ganzen Branche teilt Simon Frey, Senior-Chef der gleichnamigen Gärtnerei in Ziemetshausen. Weil er neben zierendem Grün auch Obst und Gemüse verkauft und beides in der Zeit des Lockdowns gut nachgefragt wurde, kam er wirtschaftlich ganz ordentlich über die Runden. Was freilich auch daran lag, dass die Menschen in der Region mitzogen. Er sagt: „Bei uns auf dem Land ist der persönliche Kontakt zu vielen Stammkunden da. Während dieser Corona-Zeit merken wir kleinen Betriebe ganz stark, dass uns die Bevölkerung unterstützt. In dieser Krise sind wir keine Verlierer, sondern eher leichte Gewinner, weil man uns wieder wahrnimmt. Das war auch im vergangenen Jahr schon phänomenal.“

    Simon Frey: Supermärkte machten das große Geschäft

    So sehr Frey seine Kunden lobt, so deutlich kritisiert er die Salamitaktik der Politik in der Wiederöffnungsfrage. „Die Blumenabteilungen in den Supermärkten hatten die ganze Zeit auf und machten das Geschäft ihres Lebens“, argumentiert er. Umso nachdenklicher beurteilt er diesen Sachverhalt, da das klassische Gärtnereigeschäft ohnehin seit Jahren und unabhängig von der Pandemie zu großen Teilen in Supermärkte und Baumärkte abgewandert ist. In der Folge sei derzeit ein Gärtnereiensterben zu beobachten, sagt Frey. Seiner Kenntnis nach sind von einst acht Betrieben im Altlandkreis Krumbach heute – je nach Zählweise – nur noch drei oder vier übrig. „Wir sehen es auch im Ausbildungssektor. Wir hatten früher immer Lehrlinge, jetzt seit fünf Jahren keinen mehr.“

    Die Kritik der Mitbewerber an der Politik teilt Rudolf Nerdinger inhaltlich. „Der Handel hat ein Konzept, das in allen Bereichen funktioniert“, sagt der Marktleiter des Baumarkts Obi in Jettingen-Scheppach. Warum er jetzt öffnen darf und andere Geschäfte nicht, bleibt ihm ein Rätsel.

    Kundin Antje Rafler fand Click&Collect "super"

    Seine gute Laune an diesem Wiederöffnungs-Montag trübt das allerdings nicht. Erfreut registriert er einige Minuten vor der Marktöffnung um 8.30 Uhr eine Schlange von ungefähr 20 Kunden vor der Eingangstür. Zu den Ersten zählt Antje Rafler aus Roßhaupten. Ihr Mann baut einen Hochteich für Zierfische und plant eine hübsche Verkleidung dafür, erzählt sie. Die dafür nötigen Dielen möchte sie jetzt kaufen. Rafler hat übrigens auch in der Zeit „dazwischen“ immer wieder etwas bei Obi geholt. „Click&Collect war super. Und die Leute hier waren immer sehr freundlich.“

    Seine Mannschaft hat Nerdinger übrigens bereits im Vorfeld auf das Kommende eingeschworen. Wobei für corona-erfahrenes Personal ja einzig die Vorschrift, dass Kunden eine FFP2-Maske tragen müssen, neu ist. Alle anderen Bestandteile des Hygienekonzepts wurden aus dem Vorjahr übernommen: Abstandsgebot, Desinfektionsspender und Einkaufswagen-Begrenzung bei zu vielen Menschen im Markt.

    Kristina Haage: "Ein wahnsinniges Privileg"

    Unterdessen beurteilen Geschäftsführerin Kristina Haage und Marketingchefin Julia Haage von den gleichnamigen Baumschulen in Leipheim die von Staatskanzleichef Florian Herrmann als „lebensnahe und pragmatische Entscheidung“ gepriesene Öffnung der Bau- und Gartenmärkte als „wahnsinniges Privileg“ gegenüber anderen Branchen. „Entsprechend versuchen wir alles, um das Hygienekonzept vorbildlich umzusetzen, damit wir unsere Kunden auch weiterhin bedienen können“, formuliert Julia Haage. Allerdings ist auch den beiden unverständlich, warum Fachgeschäfte überhaupt flächendeckend schließen mussten und sich alle Kunden anschließend im Lebensmitteleinzelhandel stauten. Zumal gerade ihr Betrieb über Obstgehölze und Beerenpflanzen „den Anfang der Nahrungskette zur Verfügung stellt“, wie Julia Haage betont.

    Zur Baumschule Haage nach Leipheim kommen einige Kunden aus Württemberg. Wie Annemarie und Karl Bühler aus Waldhausen bei Geislingen. Weil sich der Klimawandel auch auf der Alb bemerkbar macht, haben sie einen Pfirsichbaum gekauft.
    Zur Baumschule Haage nach Leipheim kommen einige Kunden aus Württemberg. Wie Annemarie und Karl Bühler aus Waldhausen bei Geislingen. Weil sich der Klimawandel auch auf der Alb bemerkbar macht, haben sie einen Pfirsichbaum gekauft. Foto: Bernhard Weizenegger

    Wirtschaftlich sind die Baumschulen über die Runden gekommen, da der Endverkauf nur einen Teil ihres Geschäfts ausmacht. Trotzdem ging unter anderem das Februar-Geschäft flöten. Und wirklich schlimm war der Beginn der Gartensaison 2020, als die Kollegen in Württemberg öffnen durften, während Gärtnereien in Bayern zu blieben. Call&Collect bietet sich als Lösung in diesem sensiblen Bereich kaum an, unterstreicht Kristina Haage. „Jede Pflanze sieht anders aus und jeder Kunde möchte sich seine Lieblingspflanze aussuchen.“

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