Neue Fahrzeugkonzepte und Nutzfahrzeuge, Nutzanhänger sowie Freizeitfahrzeuge mit Antriebsarten jenseits des Verbrennungsmotors - das meinen die Manager der Kötzer Gruppe von Alko Fahrzeugtechnik (Alko Vehicle Technology Group), wenn sie von der "neuen Mobilität" sprechen. "Als Plattformhersteller und Integrator würden wir auch Wasserstoffzellen einbauen", nennt Sprecher Hans Posthumus ein Beispiel für die technologische Offenheit des Unternehmens. Im Augenblick konzentrieren sich der international aufgestellte Konzern aber vor allem auf Elektromobilität. Dabei spielt das Montagewerk ("E-Factory") von Alko Fahrzeugtechnik in Günzburg-Deffingen eine nicht zu unterschätzende Rolle.
„Dank unserer Strategie, sich auf kleine bis mittlere Stückzahlen zu konzentrieren, können wir die Produktion schnell und effizient hochfahren und uns so als optimaler Partner für industrielle Serienfertigung für Dritte präsentieren. Dies gilt sowohl für Fahrzeuge mit modernem E-Antrieb als auch für konventionelle Verbrenner“, sagt Harald Hiller, Präsident und Geschäftsführer der Alko Vehicle Technology Group. Mit "kleine bis mittlere Stückzahlen" ist eine Produktionsmenge von bis zu 50.000 Einheiten gemeint - eine Größenordnung, die für die Riesen der Branche wie VW und Daimler offenbar nicht interessant genug ist. So bewertet das jedenfalls Alko Fahrzeugtechnik.
Alko Fahrzeugtechnik: Mit Verbrennungsmotor hinein, als Elektrofahrzeug heraus
Für den Kemptener Fahrzeug-Veredler Abt rüstet das Unternehmen in der E-Factory die angelieferten VW-Busse T6.1 komplett um: Ein VW-Multivan mit Verbrenner kommt in die Fabrikhalle, ein elektrisch betriebener VW-Transporter verlässt sie. Dazwischen stehen zahlreiche Einzelschritte und das Know-how von Jahren, um die e-Line von Abt als "Verwandlungsprodukt" vorzeigen zu können. Der herkömmliche Motor wird ausgebaut, sämtliche Flüssigkeiten werden entnommen, ehe das Batterieelement im Unterboden seinen Platz findet, der elektrische Antrieb eingebaut wird und Anpassungen an Elektronik und Tacho vorgenommen werden. Über ein Umlaufverfahren gelangt der alte Motor wieder zu VW.
Wer alles zur Konzerngruppe von Alko Fahrzeugtechnik gehört:
Alko Fahrzeugtechnik
Dass Alko Fahrzeugtechnik mit Stammsitz in Kötz ein global agierender Technologiekonzern ist, soll auch abgelesen werden können. Deshalb ist Englisch im Namen der Firma angesagt, die vor einigen Jahren noch ein Geschäftsstrang des mittelständischen Familienunternehmens Alko war.
Zur Alko Vehicle Technology Group gehören die 14 internationalen Marken Alko, Aguti, Bankside Patterson, Bradley, CBE, cmtrailer parts, E&P Hydraulics, G&S Chassis, Hume, Nordelettronica, Preston Chassis, Safim, Sawiko und Winterhoff.
Gegründet 1931, erzielt der Konzern heute mit rund 3000 Mitarbeitenden und mehr als 30 weltweiten Standorten einen Umsatz von rund 700 Millionen US-Dollar (etwa 574 Millionen Euro).
Die Alko Vehicle Technology Group ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Dexko Global, einem Portfolio-Unternehmen von KPS Capital. Hergestellt werden hochwertige Chassis- und Fahrwerkskomponenten für Anhänger, Freizeitfahrzeuge und Nutzfahrzeuge. (AZ/ioa)
Gedacht ist dieses vollelektrisch betriebene Fahrzeug mit einer Reichweite um die 100 Kilometer für regionale Dienstleister - sei es der Handwerker, der zu Kunden fährt oder der Caterer, der zur Familienfeier Spezialitäten aus seinem Haus liefert. Seit April 2019 läuft dieses Elektrifizierungsprojekt. Etwas unter 5000 Fahrzeuge sind bisher so auf umweltfreundliche E-Antriebe umgerüstet worden. Mit Abt soll die Zusammenarbeit bis Ende 2022 verlängert werden, wie kürzlich bekannt gegeben wurde.
Lieferengpässe machen auch Alko zu schaffen
Mit der erreichten Produktionsqualität sei man im Fluss, betont Posthumus. Um die 90 Beschäftigte arbeiten nach seinen Angaben derzeit in der E-Factory. Vor etwas weniger als eineinhalb Jahren ist der Start eher holprig verlaufen. Denn bereits damals ist als Ziel ausgegeben worden, dass sich im Schnitt 80 Mitarbeiter mit dem E-Projekt beschäftigen sollten. Faktisch waren es im Januar 2020 weniger als die Hälfte. Doch diese Anfangsschwierigkeiten sind offenbar überwunden, wenngleich die damals genannte Zahl umgerüsteter Fahrzeuge - bis zu 10.000 im Jahr - weit entfernt von dem tatsächlich Erreichten liegt.
Seinerzeit fehlten technische Komponenten. Jetzt gibt es ebenfalls Lieferketten-Engpässe (Posthumus: "Das ist nicht einfacher geworden"), allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass dies kein spezifisches Alko- und Zulieferer-Problem sei, sondern coronabedingt eine ganz grundsätzliche Problematik darstelle.
Das sind die Perspektiven für die E-Factory in Deffingen
Perspektivisch soll die Produktions- und Montagestätte nicht nur dazu dienen, die Aufträge Dritter zu erfüllen, sondern selbst elektrifizierte Anhänger und das Hybrid Power Chassis (HPC) für Wohnmobile und Nutzfahrzeuge in Serie ab Ende 2023 herzustellen. Erwin Gentner ist als einer der Geschäftsführer von Alko Fahrzeugtechnik unter anderem für die Produktion und das Prozessmanagement zuständig.
Bereits 2010 präsentierte Alko Fahrzeugtechnik - damals noch ein Teil des Kötzer Familienunternehmens - mit diesem Fahrgestell eine erste Lösung auf dem Caravan Salon Düsseldorf, das ist eine Leitmesse für die Reisemobil-Branche. Mit dem Hybrid-Chassis fahren Nutzer emissionsfrei in städtischen Zonen. Über Land kann dann auf Betrieb mit einem Dieselmotor umgestellt werden. Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) für Nutzfahrzeuge 2018 in Hannover ist das noch als Konzeptstudie vorgestellt worden. Im vergangenen Jahr begann dann die Realisierungsphase der Zusammenarbeit von Alko Fahrzeugtechnik und Huber Automotive aus dem baden-württembergischen Mühlhausen. Diese Firma liefert den elektrischen Part. Für die Integration im Fahrgestell ist dann das Unternehmen aus dem Kreis Günzburg verantwortlich. Die Batteriekapazität ist je nach Kundenbedarf für eine vollelektrische Reichweite zwischen 50 und 100 Kilometer ausgelegt. Aktuell sind Prototypen im Feldversuch unterwegs.
Elektromobilität: Reichweite ist und bleibt die Herausforderung
Eine Herausforderung von E-Mobilität ist die geringe Reichweite. Und wenn das E-Fahrzeug noch einen Anhänger zieht, sinkt nach den Worten von Posthumus diese Reichweite nochmals um bis zu 70 Prozent. "Das ist kein Zustand. Das wollen wir ändern, den Reichweitenverlust ein Stück weit vermindern." Um das zu erreichen, hat die Alko Vehicle Technology Group bereits innovative Fahrzeugstudien realisiert. An der Achse ist ein eigener Antrieb, der beispielsweise beim Anfahren unterstützt. Diese modernen, zukunftsfähigen Trailer von E-Zugfahrzeugen sind elektrifiziert und leicht. Sie hätten mit dem Werkstoff Stahl die "mit Abstand beste CO2-Bilanz", was sich in der Recyclingfähigkeit und der Energiebilanz im Herstellungsprozess erweise.
Frank Sager, Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Alko Vehicle Technology Group, setzt sehr bewusst auf dieses Produktionsmaterial für die "Green Trailer". Den Vorteil der Reichweiten-Optimierung will Sager "mit cleveren Komfortfunktionen zu attraktiven Kosten“ verbinden.
Alko Fahrzeugtechnik kooperiert mit Münchner Start-up
Wie vielschichtig Alko Fahrzeugtechnik auf dem immer größerer werdenden Markt der elektrisch betriebenen Sonderfahrzeuge unterwegs ist, zeigt eine weitere Kooperation - die mit dem Münchener Start-up Evum Motors, das Mitte des vergangenen Jahres mit dem Vertrieb seines robusten und vielseitigen Elektrotransporters, dem aCar, startete. Hier wird ein minimalistisches Prinzip umgesetzt. Der vollelektrisch betriebene Transporter nimmt bis zu eine Tonne Nutzlast auf und bringt sie von A nach B - ob in Werkshallen, im Bereich der Landwirtschaft, der Wald- und Forstwirtschaft oder für kommunale Zwecke. Nun sind weitere Varianten mit längerem Radstand mittels Alko-Chassis in Planung. „Wir freuen uns über die Vertiefung der Zusammenarbeit. Durch unsere Systemkompetenz können wir Evum Motors auch bereits bei Sitz- und Achssystemen unterstützen“, so Harald Hiller.
Wie groß die Alko Vehicle Technology Group ist, kann jenseits des Umsatzes auch an diesen Zahlen verdeutlicht werden: Im Jahr werden konzernweit 700.000 Achsen und Achssysteme hergestellt sowie 100.000 Chassis-Plattformen: für Reisemobile, Wohnwagen, Nutzfahrzeuge und Nutzanhänger in Kötz, in Ettenbeuren, Paderborn (Tiny Houses) und England (mobile homes). In Australien und Südafrika fallen diese Rahmen robuster und Offroad-tauglich aus. Sie sind höher gelegt. Eine Leichtbauweise ist dort wegen topografischer Gegebenheiten eher nicht gefragt.
Die Strategie bei Alko in Kötz heißt Wachstum
Die Strategie von Alko-Fahrzeugtechnik ist weiterhin auf Wachstum ausgerichtet, was anorganisch - also durch Zukäufe in den vergangenen Jahren - immer wieder geschehen ist. Ein Beispiel ist die Übernahme des italienischen Bremssystem-Spezialisten Safim.. Durch das Wissen und die Erfahrung der Mitarbeiter dort können jetzt Bremsenkomponenten etwa an den Traktorhersteller Fendt verkauft werden..
Heuer steuert der Konzernumsatz nach Unternehmensangaben auf die 800 Millionen US-Dollar zu. Ein Ergebnis, das im Jahr 2025 verdoppelt werden soll - wenn es nach den Lenkern von Dexko Global geht, unter dessen Dach Alko Fahrzeugtechnik fusioniert hat. "Wir sind froh, dass wir in einer Branche arbeiten, die von Corona weit weniger negativ beeinflusst worden ist, als das in anderen Sparten der Fall war", sagt Sprecher Posthumus und setzt hinzu: "Natürlich sind es nicht die Folgen von Corona, auf denen wir aufbauen."
Megatrends, von denen Alko Fahrzeugtechnik profitieren will
Es sind die Megatrends, die die Verantwortlichen zuversichtlich stimmen. Neben der Elektromobilität wird den Tiny Houses als neuer Trend und der bereits seit längerer Zeit wachsenden Caravaning-Bewegung weiterhin großes Potenzial vorhergesagt. Außerdem werde der Bau- und Agrarsektor angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung nicht stehenbleiben. Klimaneutrale Sonderfahrzeuge sind im Transport-Einsatz für die Nahrungsmittelproduktion und die Baustellen dieses Planeten vermutlich nicht die schlechteste Wahl.
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