Um sie herum hat längst wieder alles geöffnet: Selbst Kneipen dürfen nach monatelanger Schließung wegen der Corona-Pandemie inzwischen wieder unter strengen Auflagen Gäste empfangen. Nur Diskotheken müssen weiter geschlossen bleiben. Wie geht es den Betreibern der Tanztempel im Landkreis? Wie halten sie sich über Wasser? Welche Perspektiven haben sie? Wir haben uns umgehört.
Ari Sant Tastan, der erst im vergangenen September die Diskothek W3 in Ichenhausen von seiner Tante übernommen hat und daraus eine Gesellschaft gemacht hat, spricht von „katastrophalen Monaten für uns“. Im März musste er seinen Betrieb schließen. Etwa 30 Minijobber, die er und sein Partner Thorsten Tetzlaff beschäftigt hatten, wurden „auf Eis gelegt“, wie er es ausdrückt. Schätzungsweise 90 Prozent der Umsätze seien ihm in den vergangenen Monaten verloren gegangen. Da die Disco sein Haupterwerb gewesen sei und er sonst nebenbei in der Spielhalle seiner Tante und als DJ gearbeitet habe, sei es für ihn besonders hart gewesen. Er zehre von seinen Rücklagen.
W3-Chef Ari Sant Tastan: "Selbst Bordelle dürfen wieder öffnen"
Wann er überhaupt wieder öffnen darf, weiß er nicht. Die Entscheidung der Politik, Diskotheken weiterhin geschlossen zu lassen, kann er nicht nachvollziehen. „Was sind das für Entscheidungen? Selbst Bordelle dürfen wieder öffnen, nur wir nicht, das kann keiner verstehen.“ Er rechnet nicht damit, heuer überhaupt noch mal an den Start gehen zu können. Dass sein Betrieb trotzdem weiter existiert, verdanke er dem Umstand, dass das Gebäude seinem Vater gehöre und er die Pacht an ihn bezahle. Derzeit werde ihm die Miete gestundet.
Immerhin darf Tastan seit zwei Monaten das an die Diskothek angegliederte, durch einen separaten Eingang erreichbare Bistro „Lounge“ wieder für Kunden öffnen. Einen der zwei Räume hat Tastan zuletzt in Eigenarbeit renoviert, auch im Außenbereich hat er Platz geschaffen für etwa 30 Besucher.
"Wir kämpfen uns immer wieder durch"
War in Discozeiten das Bistro nur freitags und samstags geöffnet, hat es jetzt sogar an sechs Tagen offen. Er und der Partner stehen selbst hinter dem Tresen, unterstützt werden sie von fünf Mitarbeitern. Zusätzlich vermieten sie einen der Bistroräume für private Geburtstagsfeiern oder Junggesellenabschiede, „das kommt gut an“. Die Idee, den Discobetrieb in veränderter Form auf einer Open-Air-Bühne ins Freie zu verlegen, wie es Konkurrenten wohl gemacht haben, hat Tastan schnell verworfen. „Die Kosten und der Aufwand dafür wären viel zu hoch, das stünde in keinem Verhältnis zu den Einnahmen.“
Trotz der prekären Lage will er so schnell nicht aufgeben. Sein Vater habe den Betrieb 1988 aufgebaut, schwierige Situationen erlebt, und er selbst werde auch diese Krise überleben. „Wir kämpfen uns immer wieder durch.“ Tastan verspricht: „Sobald Corona ausgestanden ist, sind wir wieder am Start.“
Auch die Günzburger Disco Puls will nicht aufgeben
Das gilt auch für die Günzburger Disco Puls. Einer der beiden Chefs, Volker Meyer-Hertäg, betont: „Wir schaffen es auf jeden Fall durch die Krise.“ Momentan werde weiter renoviert, die Diskothek wird zudem für private Geburtstagsfeiern für maximal 100 Gäste vermietet. Da lasse sich anhand der Ausweise für die Corona-Auflagen am leichtesten überprüfen, ob jemand tatsächlich Geburtstag hatte. Bis Mitte November sei man bereits ausgebucht. Angeboten wurden auch Schulabschlussfeiern und im Advent seien ebenso Weihnachtsfeiern für Unternehmen möglich. Eine Disco für sich und seine Mitarbeiter zu haben, das gebe es sonst so ja nicht.
Zwar habe man dank der hervorragenden Saison im vergangenen Jahr gute Rücklagen, es gebe Überbrückungshilfen vom Staat und durch die Privat-Feiern komme etwas Geld rein – wenngleich die Auslastung wegen der Personenzahl-Begrenzung nur bei gerade einmal fünf Prozent liege –, aber natürlich verliere man viel Geld. Der reine Umsatzverlust liege bis Ende Dezember bei über einer Million Euro.
Die Gäste werden schon ungeduldig: Wann geht es wieder los?
Meyer-Hertäg geht auch nicht davon aus, in diesem Jahr wieder regulär öffnen zu können, wodurch die umsatzstärksten Monate September, Oktober, November und Dezember wegfallen. Doch er schätzt, dass im nächsten Jahr nach Fasching ein Neustart unter Auflagen möglich sein wird. Nur zwei oder drei Mitarbeiter hätten die Disco verlassen, für die Privat-Feiern brauche man auch Personal. Das eigentliche Problem sei die Perspektivlosigkeit für die Branche, da die Politik keinen Termin für eine Wiedereröffnung in Aussicht gestellt habe. „Dabei wäre es so wichtig, wenn es hier endlich eine Aussage gäbe.“
Während sich etwa manche Gastronomen in Innenstädten mit einer Bewirtung von Getränken und Speisen zum Mitnehmen über Wasser hielten, sei das hier im Gewerbegebiet ohne Laufkundschaft von vornherein als Möglichkeit ausgeschlossen worden. Aber der Vermieter sei bei der Pacht entgegengekommen. Die Ungeduld der Gäste jedenfalls steige, es gebe immer mehr Anfragen, wann die Disco wieder regulär öffnet. Das kann Meyer-Hertäg ihnen nicht sagen – aber, dass es auf jeden Fall weitergehen werde. „Würden wir nicht daran glauben: Würden wir dann renovieren?“
Die harte Zeit beginnt auch für die Kellerstuben erst jetzt
Weitergehen soll es definitiv auch im Tanzlokal Kellerstuben in Seifertshofen. Horst Keller, der es mit seinem Bruder Alfred betreibt, erzählt, dass in den vergangenen Wochen und Monaten zumindest der Gasthausbereich mit dem Biergarten sehr gut gelaufen sei, „mit dem Sommer sind wir voll zufrieden“. Doch nun im Herbst werde es ohne den Biergartenbetrieb schwieriger. „Es beginnt die harte Zeit“, auch weil in der Hochsaison Partys wegfallen oder nicht so möglich sind wie gewohnt. Er hofft, dass sie zumindest im kleinen, privaten Rahmen machbar sind. „Aber wirklich etwas dazu sagen kann man nicht, weil man nicht weiß, wie es weitergeht.“
Es fehlten konkrete Aussagen der Politik, der er aber keinen Vorwurf mache, weil das Virus nicht kalkulierbar sei. Die Gastronomie könne weitergehen, denn in einem großen Saal des Gasthauses könne auch mit Abstand bewirtet werden. Und das mit dem Tanzen, „das kommt schon wieder“. Bei jemandem, der Pacht zahlen müsse, sei die Lage weitaus schwieriger als bei ihm. Daher sei kein Ende der Kellerstuben in Sicht.
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