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Landkreis Günzburg: Die Flatterulme wird verkannt

Landkreis Günzburg

Die Flatterulme wird verkannt

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    Das hier ist – von der Anzahl und dem Alter der Bäume aus gesehen (die ältesten sind etwa 80 Jahre) – der einzige relevante Standort für die Flatterulme im Landkreis Günzburg: das Auwaldgebiet bei Offingen.
    Das hier ist – von der Anzahl und dem Alter der Bäume aus gesehen (die ältesten sind etwa 80 Jahre) – der einzige relevante Standort für die Flatterulme im Landkreis Günzburg: das Auwaldgebiet bei Offingen. Foto: Till Hofmann

    Das grüne Blätterdach weit über den Köpfen der Besucher bewegt der Wind. Vögel zwitschern durcheinander, als ob Kaffeeklatsch wäre. Es ist feucht in diesem Waldstück nordöstlich von Offingen, das manche als Pitzinsel kennen. Ungezählte Stechmücken schwirren um die durchaus willkommenen Gäste. Die sind allerdings nicht wegen der zudringlichen Tierchen gekommen.

    Es geht um die Pflanzenwelt – exakter um eine „verkannte Baumart“, wie die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald schreibt: Der Auwald zwischen Donau und Mindel ist das Reich der Flatterulme. Nahe am Gewässer fühlt sie sich wohl. Auf einer Fläche von 1500 Quadratmetern steht hier diese im Vergleich zur Berg- und zu Feldulme weithin unbekannte Ulmenart. „Weiter hinten gibt es noch einmal 800 Quadratmeter“, sagt Revierförster Thomas Zimmermann.

    Der Ulmensplintkäfer bringt seine tödliche Fracht mit

    „Zu Unrecht“ führt der Baum in den Augen von Eva-Maria Birkholz vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten dieses Schattendasein. Denn die Flatterulme weise ganz entscheidende Vorteile gegenüber den zwei anderen Ulmenarten auf. Der wichtigste dürfte sein, dass sie – warum auch immer – weit weniger vom Ulmensplintkäfer heimgesucht wird als die Feld- und die Bergulme.

    Der Käfer an sich ist nicht das Problem. Er bringt aber tödliche Fracht mit – einen Pilz, der einst aus Asien eingeschleppt worden ist und der auch vor knapp 100 Jahren aus Nordamerika unbeabsichtigt reimportiert wurde – allerdings in mutierter, noch aggressiverer Form. Die durch den Käfer ausgebrachten Pilzsporen setzen sich in den Leitbahnen des Baumes ab. Sie wachsen dort. Die Ulme wehrt sich gegen den Eindringling, verschließt die Leitbahnen – und vertrocknet letztlich. Welkende Blätter, eine dünner belaubte Krone, vorzeitiger Blattfall, das Absterben einzelner Äste und schließlich des ganzen Baumes sind die Stadien des Verfalls.

    Das alles gilt, wie bereits erwähnt, für die Flatterulme nicht in diesem Ausmaß. „Das scheinen die meisten vergessen zu haben“, sagt Birkholz, die es gut findet, dass ausgerechnet diese Art 2019 mit dem Titel „Baum des Jahres“ geschmückt worden ist.

    Das einzige große Vorkommen im Kreis steht bei Offingen

    Die bisher selten anzutreffende Flatterulme hat ihren einzigen nennenswerten Bestand im Landkreis Günzburg tatsächlich in dem Gemeindewald nahe Offingen. Noch ist das Potenzial der Flatterulme von vielen Waldbesitzern nicht erkannt, sind Birkholz und Zimmermann überzeugt. Der Baum ist trotz seiner Vorliebe für nasse Standorte (bei Überschwemmungen kann die Flatterulme 100 Tage problemlos im Wasser stehen) auch ziemlich unempfindlich gegenüber Trockenzeiten. Warmes Klima verträgt die Ulmenart ebenfalls, was Vorkommen in Norditalien, Südfrankreich und Spanien belegen. Es ist also durchaus, wenn im Zuge des Klimawandels vom „Waldumbau“ gesprochen wird, ein Baum mit Zukunft.

    Unempfindlich zeigt sich der Baum des Jahres gegenüber Stadtklima und Abgasen. Deshalb ist er als Stadtbaum „hervorragend geeignet“, wie die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald schreibt. Erhebungen im Stadtgebiet von Landshut konnten die Vitalität der Bäume zeigen: „Von Augsburg bis Zwickau stehen Flatterulmen, wenn auch manchmal unerkannt oder falsch bestimmt.“

    Das letzte "Rettungsboot" für manches Tier

    Darüber hinaus bieten Ulmen vielen Tieren einen Lebensraum. Manche wie der Ulmen-Blattfloh und der Ulmen-Zipfelfalter sind regelrechte Spezialisten, die ohne diese Baumart nicht existieren können. Die Flatterulme dient darüber hinaus nicht wenigen Tierarten als letztes „Rettungsboot“, da auch vermehrt feuchtigkeitsliebende Eschen und Erlen von Pilzen befallen werden und absterben.

    Ökologie und Ökonomie passen hier zueinander. Die Flatterulme ist eine der ersten Pollenquellen für Bienen im Frühjahr. Ein Festmeter dieses schwer zu spaltenden und faserigen Holzes erzielte bei der jüngsten Holzversteigerung im Landkreis im Schnitt den vierfachen Preis im Vergleich zu einer Fichte.

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