Die Zeiten sind für viele Menschen sehr anstrengend – physisch wie psychisch. Gerade auch die ambulanten Pflegedienste stehen vor großen Herausforderungen, haben sie doch mit den Menschen zu tun, denen das Coronavirus mit am meisten anhaben kann.
Weil er schon früh Probleme kommen sah, hatte Volker Heinrich, Geschäftsführer des Pflegeservice Waldkirch in Dürrlauingen, vor gut drei Wochen eine Kontaktsperre für die Mitarbeiter erlassen: Sie dürfen sich nicht mehr begegnen, um den Betrieb zu gewährleisten. Nun hat er den Restbestand des vorrätigen OP-Mundschutzes an das Personal ausgegeben, damit die Patienten geschützt werden. Alle 110 von ihnen gehörten zur Risikogruppe. Am vergangenen Wochenende hätte eine neue Mundschutz-Lieferung kommen sollen, doch dann sei er auf dieses Wochenende vertröstet worden. „Am Montag gehen unsere Bestände zu Ende“, sagt Heinrich. Er wisse nicht, wie es dann weitergehen soll.
"Ich hoffe, das geht alles nicht mehr so lange"
Ein anderes Problem: Acht von 18 Mitarbeitern haben Kinder. Das Thema Betreuung spielt hier eine große Rolle. Zum Glück seien die Notfallregeln nachgebessert worden, aber es sei nach wie vor schwierig. Er ist daher sehr froh, dass die Kollegen vieles kompensierten, „ich staune jeden Tag über ihren großen Einfallsreichtum“.
Zwar würden vier oder fünf Patienten nun von Angehörigen betreut, doch die Zahl sei zu klein, als dass sie den Pflegedienst entlaste. Ohnehin sei die Versorgung durch Fachkräfte unabdingbar – wobei alle über ihrer Leistungsfähigkeit lägen. „Ich hoffe, das geht alles nicht mehr lange so“, sagt Heinrich. Dabei habe man im Landkreis noch Glück, was die Corona-Fallzahlen angeht, seiner Meinung nach müssten die Entscheider in der Politik jetzt in erster Linie auf die Risikopatienten schauen, sonst ließen sich die Maßnahmen nicht mehr lange durchhalten. Er appelliert zudem an die gefährdeten Bürger, sich bei ihren Gemeinden zu melden, wenn sie Bedarf für Besorgungen oder hauswirtschaftliche Unterstützung hätten. Inzwischen gebe es viele Nachbarschaftshilfen.
Eine Stimmung wie vor einem Gewitter
Die Leiterin der ambulanten Pflege beim Diakoniezentrum Schertlinhaus Burtenbach, Inge Endres, beschreibt die Stimmung wie vor einem Gewitter – man sei in angespannter Erwartungshaltung und froh über jeden normalen Moment. Die Patienten seien besorgt – aber oft um die Mitarbeiter. Schließlich seien diese in vielen Fällen die einzige Bezugsperson im Alltag. „Man wächst noch mehr zusammen.“ Vereinzelt hätten Patienten Leistungen gekürzt oder Besuche gestrichen aus Sorge, aber das seien nur sehr wenige Fälle.
Es stelle sich ohnehin die Frage, welches Risiko höher ist: das einer Erkrankung oder das der Vereinsamung. Das Diakoniezentrum habe die hauswirtschaftlichen Leistungen heruntergefahren und konzentriere sich auf die Pflege, um so Ressourcen zu schonen für den Fall, dass mehr Kräfte benötigt werden. Wichtig ist Endres zu betonen, dass auch Patienten weiter versorgt würden, sollten sie am Coronavirus erkranken. Man kümmere sich in jedem Fall um sie, das stehe außer Frage. Schutzvorkehrungen in der Einrichtung selbst zu treffen wie das Abstandhalten sei übrigens gar nicht einfach, sagt sie.
Wann kommt endlich neues Schutzmaterial?
Der Leiter des stationären Bereichs, Stephan Mücke, berichtet ebenfalls, dass die Patienten verständnisvoll reagierten, teils mehr als die Angehörigen. Die Mitarbeiter seien mit Mundschutz und weiterer Schutzausrüstung unterwegs, aber das Material werde knapp. Wenn es sparsam verwendet wird, reiche es vielleicht zwei Wochen. Der Träger habe Nachschub geordert, aber wann er kommt, lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen.
Auf neues Material von der zentralen staatlichen Vergabe wartet auch die Ökumenische Sozialstation Günzburg. Aber man habe noch Vorräte, sagt Geschäftsführer Stefan Riederle. Die Tagespflege in Günzburg ist seit Montag geschlossen. die für Mitte April geplante Eröffnung der Tagespflege in Ettenbeuren erst einmal verschoben, und im Erst-Ott-Seniorenzentrum in Ichenhausen gilt – wie überall in solchen Häusern – ein Besuchsverbot.
Außerdem wurde Sorge getragen, dass sich Mitarbeiter möglichst nicht begegnen, etwa die Pflegedienstleitung und die Stellvertretung arbeiten versetzt, um das zu gewährleisten. Das Angebot für nicht so schwere ambulante Pflegefälle wurde reduziert, um Ressourcen frei zu haben. Man habe noch keine Corona-Infizierten bei Personal und Patienten und warte auf die Welle, die Experten für Deutschland noch vorhersagen. Zwar sei die Situation natürlich belastend für die Kollegen, „aber wir fühlen uns gut vorbereitet“, was auch am guten Informationsfluss durch den Caritasverband liege.
Es sollen Schutzmasken getragen werden - aber es gibt kaum noch welche
Die Pflegedienste in Krumbach leiden unter einer dünnen Personaldecke, die von Harald Tenta und Richard Snehotta haben seit fast einem Jahr einen Aufnahmestopp. Neue Patienten können nur genommen werden, wenn ein Bestandskunde wegfällt. Bislang können alle Mitarbeiter zur Arbeit kommen, ein Fall von vorsorglicher häuslicher Quarantäne ist demnächst erledigt. In dieser prekären Situation trifft die Corona-Krise besonders hart. Es sei nicht nur der Personalmangel, mit dem man kämpfen müsse. Da es extreme Probleme gebe, die Schutzausrüstungen zu bekommen, komme ein weiteres Risiko auf einen zu, erklären die Verantwortlichen der drei in Krumbach tätigen Pflegedienste, denn auch die Katholische Sozialstation leidet unter den allgemeinen Umständen.
„Ich versuche seit Januar, mehr Ausrüstung zu bekommen, verbringe Stunden am Telefon, rufe in ganz Deutschland an, aber es gibt so gut wie ausschließlich Absagen“, schildert Pflegedienstleiterin Martina Pilz die Lage. „Ich bin froh, wenigsten über eine ortsansässige Apotheke Desinfektionsmittel zu bekommen.“ Und Tenta klagt, dass zwar der Berufsverband in seinem letzten Schreiben dringend darauf hingewiesen habe, beim Kontakt mit Patienten Schutzmasken zu tragen, doch es seien keine aufzutreiben. Wenn sie Material bekommen, dann seien es lächerlich kleine Mengen. Die eigenen Bestände seien so gut wie aufgebraucht. Jetzt setzen die Pflegedienste ihre Hoffnung auf das Beschaffungsprogramm des Landkreises, wo sie ihren Bedarf anmelden konnten. Aber es bleibt Skepsis, denn, so vermuten sie, die Hauptmenge werde an die Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen verteilt.
Ohne freiwillige Hilfsdienste wäre das alles kaum mehr zu schaffen
Bei der Katholischen Sozialstation haben einige Patienten gekündigt, aus Angst, sich bei einem Pfleger anzustecken. Tenta stellt einen erhöhten Erklärungsbedarf fest. Und es gibt etwa den Fall einer Frau, älter als 100 Jahre, die allein wohnt. „Die Tochter lebt in Italien. Bisher hat sich eine Angehörige aus dem Umland um den Einkauf gekümmert, die traut sich nicht mehr aus dem Haus. Ich bin froh, dass es freiwillige Hilfsdienste gibt, die sich jetzt um die alte Dame kümmern können. Sie ist nicht unser einziger Fall. Für uns wäre die zusätzliche Belastung kaum mehr zu schaffen.“
Auch in der Tagespflege Snehotta stellt sich in manchen Fällen die Frage einer weitergehenden Betreuung. „Wir haben ein ähnliches Problem mit unserer Tagesstätte, die wir nun schließen mussten. 40 Personen kommen in der Woche. Die müssen nun daheim versorgt werden. Das ist eine außerordentliche Belastung für die Angehörigen, die ja oft berufstätig sind.“ Um Personal für die erhöhten Anforderungen im ambulanten Dienst zu haben, hat Snehotta den hauswirtschaftlichen Service weitgehend heruntergefahren. Das Personal wird für die dringenden Fälle gebündelt. Dabei achtet das Pflegeteam darauf, untereinander jeglichen Kontakt zu vermeiden, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren. „Wir haben die Übergaben neu geregelt und alle Besprechungen finden per Videokonferenz statt.“
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