Es war vermutlich das letzte Mal, dass Jörg Meuthen vor gut drei Monaten als Bundessprecher der Alternative für Deutschland (AfD) im Landkreis Günzburg unterwegs war – und das ohne eine vorherige Ankündigung. Auf der Rückfahrt von München schaute der Politiker damals beim unter anderem von Gerd Mannes (Leipheim) organisierten Meinungsaustausch verschiedener rechtspopulistischer Politiker aus mehreren europäischen Ländern vorbei – gewissermaßen als Überraschungsgast im Günzburger Forum am Hofgarten. Mit ganz offiziellem Besuch hätte wieder eine größere Sicherheitsmaschinerie anlaufen müssen. Das wollte der Parteichef vermeiden.
Jetzt hat der in der AfD nicht unumstrittene Politiker, der dem weniger radikalen Spektrum zugerechnet wird, einen Schlussstrich gezogen mit der Ankündigung, im Dezember auf dem Bundesparteitag in Wiesbaden nicht mehr als AfD-Vorsitzender zu kandidieren. In einem Schreiben an die Mitglieder teilt er diese Entscheidung nach sechseinhalb Jahren an der Parteispitze mit, die er nach "vielen intensiven Gesprächen, insbesondere auch mit meiner Familie" getroffen habe. Meuthen hat sieben Kinder und bisher drei Enkelkinder, wie er den Mitgliedern mitteilt. Er werde, auch zum Wohle des Nachwuchses, nicht verstummen und sich ins Privatleben zurückziehen, sondern weiterhin seine politische Arbeit tun – nur nicht mehr in der Funktion des Bundessprechers.
Mannes über Meuthen: "Gesellschaftliches Sperrfeuer kostet sehr viel Kraft"
Gerd Mannes, der im Landtag sitzt und einer von drei stellvertretenden bayerischen AfD-Landesvorsitzenden ist, empfindet das nicht als wirklich große Überraschung. Er habe die Möglichkeit, dass Meuthen weitermacht, mit "50 zu 50" taxiert. "Es fordert unheimlich viel Energie, Strukturen in dieser Partei zu schaffen und etwas aufzubauen, sagt der 2018 in den Landtag und 2020 in den Günzburger Kreistag gewählte Politiker. Das "gesellschaftliche und mediale Sperrfeuer kostet sehr viel Kraft", stellt Mannes in der Vordergrund, der auf Nachfrage dann einräumt, dass Meuthen auch innerparteilich auf erhebliche Widerstände gestoßen ist.
Im Gegensatz zu den meisten politischen Beobachtern sieht Mannes in dem Rückzug Meuthens "keine Richtungsentscheidung" in seiner Partei. Den Entschluss habe der Noch-Bundessprecher persönlich getroffen. Dennoch twitterte Rechtsaußen Andreas Kalbitz (Brandenburg), dessen Rauswurf aus der AfD Meuthen betrieben hatte, nach dem Bekanntwerden der Personalie: "Gute Entscheidung".
Der Leipheimer AfD-Mann rät Alice Weidel von einer Kandidatur ab
Mannes zufolge komme jeder und jede im Bundesvorstand als potenzieller Nachfolger beziehungsweise potenzielle Nachfolgerin in Betracht – ebenso erfolgreich agierende Landesvorsitzende. Auf die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alice Weidel, angesprochen, die vor der Bundestagswahl den AfD-Direktkandidaten Mannes noch in Mindelzell bei einer Kundgebung unterstützt hatte, äußerte sich der Politiker zurückhaltend – und riet davon ab, Bundes- und Fraktionsvorsitz zu vereinen. "Weidel soll lieber die Finger davon lassen", sagte er gegenüber unserer Redaktion und begründete das mit dem großen Pensum, dass sie bereits absolviere. "Lieber eine Sache richtig machen und nicht zwei mit halber Kraft."
Mit 12,0 Prozent Erststimmenanteil lag Gerd Mannes am 26. September 1,6 Prozentpunkte hinter dem AfD-Kandidaten Gerhard Großkurth, der sich vor vier Jahren als Direktbewerber für den Bundestag hatte aufstellen lassen. Bereits an diesem Wochenende stellt sich Mannes wieder zur Wahl – diesmal auf Parteiebene . Denn am Samstag und Sonntag ist im unweit zur A9 gelegenen Hippodrom in Greding (Landkreis Roth) Landesparteitag der bayerischen AfD. Und der Leipheimer wird aller Voraussicht nach wieder für einen der Stellvertreterposten kandidieren. "Ich denke, dass ich beweisen konnte, dass ich die AfD in ihrer Organisationsstruktur und im IT-Bereich vorangebracht habe. Dafür bin ich zuständig" Könnte es sogar mehr werden und würde Mannes nach dem Vorsitz greifen, sollte sich die Gelegenheit dazu bieten? "Dazu gibt es von mir keine Antwort", sagt er. Ausdrücklich ausgeschlossen hat er es nicht.