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Landkreis: Der Biertest wird auch online zum Bierfest im Landkreis Günzburg

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Der Biertest wird auch online zum Bierfest im Landkreis Günzburg

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    Wohl bekomm’s! Die Experten Martin Wörner (links) von der Schlossbrauerei Autenried und Georg Bucher von der Radbrauerei Günzburg fachsimpelten auf Youtube mit mehr als 200 Testern.
    Wohl bekomm’s! Die Experten Martin Wörner (links) von der Schlossbrauerei Autenried und Georg Bucher von der Radbrauerei Günzburg fachsimpelten auf Youtube mit mehr als 200 Testern. Foto: Radbrauerei Günzburg (Bildschirmfoto)

    „Was gibt es Schöneres, als ein gutes Bier zu genießen und ein gutes Gewissen dabei zu haben?“ Die Frage von Georg Bucher stand ganz am Ende der Online-Bierverkostung, die heimische Brauer zum alljährlich in Erinnerung an das Reinheitsgebot von 1516 gefeierten Tag des Bieres angeboten haben. Am Ende hatten alle gewonnen. Für die regionalen Unternehmer gab’s während der Liveübertragung auf Youtube jede Menge Sympathiepunkte. Die Tester konnten in der in Sachen Trinkkultur ungewohnt privaten Umgebung Bier von einer ganz neuen, entschleunigten Seite kennenlernen. Und der Reinerlös von 1500 Euro geht an die Kartei der Not, das Leserhilfswerk unserer Zeitung, und damit an Menschen, die in diesen für uns alle schweren Tagen weit größere Sorgen plagen als die Frage, wann die staatlich verordnete Ungeselligkeit endlich ein Ende findet.

    Sachkenntnis als Sommeliers

    Die Braumeister Georg Bucher (Radbrauerei Günzburg) und Martin Wörner (Schlossbrauerei Autenried) führten mit ihrer bodenständig-schwäbischen Art und ihrer Sachkenntnis als Sommeliers sehr unterhaltsam durch den Abend.

    Den hatten einige Teilnehmer offenbar herbeigesehnt wie Kinder das Christkind: Dem privaten Vorgeplänkel diverser Tester war jedenfalls zu entnehmen, dass diese Aktion ein Stück Gemeinsamkeit, beinahe Biergarten-Atmosphäre in das wegen der Corona-Pandemie seit Monaten brachliegende Sozialleben zurückbringen sollte. So erklärt sich die auch für die Initiatoren überraschend hohe Zahl von 250 Bierpaketen, die innerhalb kürzester Zeit ausverkauft waren.

    Vom Sinn des Trinkens

    Gemeinsam verkostet wurden fünf Spezialitäten heimischer Brauer. Wobei Bucher schon im Vorfeld der Veranstaltung betont hatte, dass es ausdrücklich nicht darum geht, wem welches Bier „besser“ oder „weniger gut“ schmeckt. Sinn des Trinkens sollte diesmal sein, die Feinheiten der einzelnen Produkte herauszufiltern und zu lernen, welche Unterschiede die Brauerei-Erzeugnisse aufweisen. Die waren übrigens allesamt hochwertig, ein Urteil, das schon ein prüfender Blick auf die Inhaltsstoffe nahelegte. Die Unsitte der Hopfenextrakt-Beigabe bleibt demnach in der Region bislang eine Ausnahme, dafür werden die Hopfensorten teilweise sogar konkret ausgewiesen.

    Ein Dunkles wird zum heimlichen Star

    Heimlicher Star des Abends war ein Trunk, der ein Auswärtsspiel absolvierte: das Ur-Dunkel aus Biberach im Landkreis Neu-Ulm. Das einhellige Lob war womöglich auch ein bisschen dem Umstand geschuldet, dass es bereits vorab den Preis für die schönste Verpackung gewonnen hatte. Dieses im Unterschied zu vielen gefärbten Hellen tatsächlich echte Dunkle war das einzige in der Auswahl, das in eine Maurerflasche abgefüllt wird, die zudem ein wunderschönes, nostalgisches Etikett trägt. Schnell tauchte unter den Live-Kommentaren die Bemerkung „Flasche gut, Bier auch – so was mog i“ auf.

    Dass die Tester den kräftigen Geschmack dieses Trunks so prägnant wahrnehmen konnten, lag vor allem an der keineswegs zufälligen Reihenfolge, in denen die Biere verkostet wurden. Das Schlossbräu Original war nämlich nicht etwa deshalb das erste in der Reihe, weil es dem Autenrieder Braumeister einen Heimvorteil verschaffen sollte. Es stand einfach deshalb am Anfang, weil es unter den fünf angebotenen Bieren den am wenigsten ausgeprägten, unmittelbaren Zungengeschmack verschafft. Hätte man es beispielsweise nach dem herzerwärmend-vollmundigen Ursberger Märzen verkostet (das Bier mit dem höchsten Alkoholgehalt bildete in ebenso sinnvoller Weise den Abschluss der Testserie), wäre es am Gaumen untergegangen – was keinerlei Wertung von Güte oder Geschmack des Autenrieder Erzeugnisses darstellt. Vielmehr konnte es einzig an Position eins seine wohl größte Stärke – ein frisches, zitroniges, absolut appetitanregendes Aroma – voll entfalten.

    Die Seele des Bieres

    Womit sofort das Gespräch über die Seele aller untergärigen Biere, den Hopfen, eröffnet war. In diesem Bereich „hat der Brauer eine herrliche Spielwiese“, sagte Wörner. Bucher verwies unterdessen auf die Wichtigkeit, „mit allen Sinnen zu genießen und das Bier nicht nur in sich rein zu schütten“. Das echte Erleben könne zum Beispiel mit einer Hörprobe beginnen, sagte der Biersommelier und löste schnell auf: „Wenn man wenig hört, zerplatzen nur wenige Schaumbläschen – und das ist gut.“

    Zur Frage nach dem Charakter eines Bieres passt Buchers Überzeugung, dass nicht jedes Bier jedem Menschen gleich gut munden muss. Es spreche also keineswegs gegen die Qualität eines Bieres, sondern allein für die Vielfalt der Varianten, wenn Konsumenten den einen Trunk mehr schätzen als den anderen, führte er sinngemäß aus. Ein solches Produkt seiner ohnehin weitgehend auf Weißbier-Produktion ausgerichteten Radbrauerei ist das Günzburger Ur-Weizen. Schon beim Riechen an dieser Nummer vier in der Verkostungslinie wurde klar, dass für diese dunklere Sorte sehr spezielle Malze verwendet werden. Bucher bekräftigte selbst, es sei „ein Bier, das nicht jedem schmeckt. Aber es ist ein Bier, das seine Liebhaber hat.“

    Ein Charakterbier aus Waldstetten

    Zweifellos zu den Charakterbieren zählte während der Verkostung das Keltenbier aus der Brauerei Engel in Waldstetten. In der Diskussion mit dem zugeschalteten Ein-Mann-Brauer Hans Mayer lobten Bucher und Wörner unisono Optik (herrlich bernsteinfarben) und Gesamteindruck (dunkel, aber relativ leicht und dennoch hopfig) dieses Produkts. Mayer betonte die Bodenständigkeit der Herstellung: „Wir verwenden nur Spalter Aromahopfen und Memminger Malz, also heimatnahe Rohstoffe“.

    Überhaupt war schier überwältigend, wie viele Spezialinformationen die heimischen Brauer bei diesem Bierfest an ihr Publikum übermittelten. Selbst ausgewiesene Kenner unter den letztlich mehr als 200 Testtrinkern bedankten sich für diverse Details, die ihnen zuvor verborgen geblieben waren. Aufgrund ihrer Wissbegierde wurde der Live-Stream auch nie zur Einbahnstraße; begeistert stellten die Teilnehmer immer wieder Fragen nach Techniken der Produktion, richtiger Trinktemperatur, korrekter Glaspflege, Wasserhärte oder dem Unterschied zwischen Fass- und Flaschenbier. Irgendwann, das dritte der fünf getesteten Biere ging bereits zur Neige, fragte einer in die Runde: „Können wir das jetzt jede Woche machen?“; ein anderer flehte: „Bitte, bitte wieder!“ Die pure Freude an diesem Format sowie die launigen und inhaltsreichen Antworten der heimischen Brauer fesselten die Allermeisten tatsächlich bis zum Schluss der Zwei-Stunden-Bierverkostung.

    Warum wurden nur fünf Biere verkostet?

    In der Nachbetrachtung blieb eigentlich nur eine Frage offen: Warum enthielt das Bierpaket neun Flaschen, wenn beim Online-Biertasting nur fünf Biere ins Glas kamen? Bucher war um eine Antwort nicht verlegen und servierte sie mit einem Augenzwinkern: „Der Schwabe sagt ja, das habe ich bezahlt, das trinke ich auch. Der lässt kein halbes Glas stehen. Und da tut er sich bei fünf Bieren leichter als bei neun.“

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