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Landgericht Memmingen: Vermeintlicher Vergewaltiger wird freigesprochen

Landgericht Memmingen

Vermeintlicher Vergewaltiger wird freigesprochen

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    Am Landgericht werden Berufungsverhandlungen vom Amtsgericht Günzburg verhandelt.
    Am Landgericht werden Berufungsverhandlungen vom Amtsgericht Günzburg verhandelt. Foto: Ralf Lienert (Symbolbild)

    Als der Angeklagte die Entscheidung der 2. Strafkammer am Landgericht Memmingen hört, fällt die Anspannung sichtlich von ihm ab. Freispruch. Während die Vorsitzende Richterin Sabine Schuhmaier das Urteil der Kammer begründet, kämpft der Mann mit den Tränen. Dass die Richterin betont, dass der Vorwurf der Vergewaltigung nur aufgehoben wird, weil ihm die Tat nicht nachgewiesen werden konnte, bekommt er gar nicht richtig mit. Es ist das Ende jahrelanger Ermittlungen und juristischer Auseinandersetzungen.

    Im Oktober 2017 war der heute 43-Jährige in erster Instanz am Amtsgericht Günzburg noch zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Das Jugendschöffengericht sah es damals als erwiesen an, dass der Angeklagte seine damalige Freundin im Jahr 2002 trotz deren Gegenwehr zum Analsex gezwungen habe. Das Paar lebte damals im nördlichen Landkreis

    Opfer erscheint nicht zur Verhandlung am Landgericht Memmingen

    Jetzt aber die Wende. Das Landgericht Memmingen hat das Günzburger Urteil am Donnerstag im Berufungsverfahren aufgehoben. Schon zu Beginn der Verhandlung wird klar, dass die weitere Aufklärung der Tatumstände schwierig wird. Anders als in Günzburg, ist das Opfer in Memmingen nicht zur Verhandlung erschienen. Ein Arzt bescheinigt der heute 39 Jahre alten Frau, auf absehbare Zeit nicht zur Aussage fähig zu sein. Bereits seit Dezember ist sie in München stationär in der Psychiatrie untergebracht. Selbst ihre Anwältin, die sie als Nebenklägerin vertritt, hatte zuletzt keinen Kontakt.

    So führt als einziger Zeuge ein Beamter der Kriminalpolizei Neu-Ulm im Eiltempo durch den Hergang der Ermittlungen. Auf den Angeklagten gestoßen war man bei Nachforschungen in einem Fall von schwerem Kindesmissbrauch. Der Mann gehörte vor rund acht Jahren zu den Verdächtigen. Die Kripo sprach daher mit den Frauen, mit denen der Mann gemeinsame Kinder hat. Dazu gehörte auch die heute 39-Jährige. Im Missbrauchsverfahren entlastete sie ihren Ex-Freund zwar. Doch die erlebte Vergewaltigung vertraute sie wenig später der Polizei an. Die Ermittlungen wegen

    Psychologin bescheinigt der Frau eine psychotische Problematik

    Dass die Aussage für die Frau eine schwere Belastung ist, hatte sich damals deutlich gezeigt. Laut der Rechtspsychologin Dr. Monika Aymans, die in Memmingen geladen war, um die Glaubwürdigkeit der Frau als Belastungszeugin zu beurteilen, ist die Angst bei der Frau groß, als Lügnerin dazustehen. Und da die Frau wohl seit ihrer Kindheit mit psychischen Problemen zu kämpfen habe und sie aktuell wegen einer bipolaren Störung behandelt werde, müsse man sie eigentlich eingehend prüfen. „Eine mögliche Vergewaltigung zu beurteilen, erst recht nach so einer langen Zeit, ist schon schwer genug. Aber da vieles bei der Frau auf eine sehr schwere psychotische Problematik hindeutet, ist eine Aussage vor Gericht nicht zu verantworten.“

    Weil es auch möglich sei, dass die Frau im Tatzeitraum bereits unter einer psychischen Erkrankung litt, die womöglich Einfluss auf Erinnerung und Wahrnehmung hat, bleibt nur die Version des Angeklagten. Er beharrt nach wie vor auf einvernehmlichem Geschlechtsverkehr. Der Freispruch ist die logische Konsequenz, auch wenn Richterin Schuhmaier betont: „Die Geschädigte steht nicht als Lügnerin da. Aber ein Tatnachweis ist unter diesen Umständen einfach nicht möglich.“ Fallen gelassen wurde auch der Vorwurf des Missbrauchs mittels der Chatnachrichten. Denn es könne nicht nachgewiesen werden, so die Richterin, dass das Mädchen dadurch Schäden davongetragen hätte. Die gewählten Worte des Vaters seien auch nicht zu explizit gewesen. Trotzdem beendet die Vorsitzende den Prozess mit den Worten: „Sie sind Ihrer Verantwortung als Vater in keiner Weise gerecht geworden. Es ist juristisch nicht zu verurteilen, aber menschlich ist das unglaublich.“

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