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Kreis Günzburg: Schwere Zeiten für die Innenstädte – und doch gibt es Chancen

Kreis Günzburg

Schwere Zeiten für die Innenstädte – und doch gibt es Chancen

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    Die Leerstände nehmen in vielen Zentren zu.
    Die Leerstände nehmen in vielen Zentren zu. Foto: Alexander Kaya (Symbolbild)

    Der HDE, der Handelsverband Deutschland, zeichnet ein düsteres Bild von der Zukunft der deutschen Innenstädte. Der zunehmende Internet-Handel zwinge immer mehr kleine und mittelständische Händler dazu, ihr Geschäft aufzugeben. Innerhalb der nächsten drei Jahre könnten deutschlandweit 50000 Handelsstandorte verschwinden – zehn Prozent des jetzigen Angebots. Es drohten noch mehr Leerstände, und das auch in attraktiven Lagen. Die Fußgängerzonen müssten „gesundgeschrumpft“, Geschäftsräume gerade in Randlagen in Wohnraum umfunktioniert werden. Der Handelsexperte der Industrie- und Handelskammer Schwaben, André Köhn, ist allerdings nicht der Ansicht, dass dies auch für den Landkreis Günzburg gilt. „Hier sind 1A-Lagen schon übersichtlich, wo will man hier noch etwas gesundschrumpfen?“, fragt er.

    Vielmehr gelte es in der Region, die Zentren zu entwickeln und nicht die Randbereiche, die gute Erreichbarkeit sei wichtig. Zunehmend würden die Innenstädte mittelgroßer Städte auch von großen Handelsketten wie H&M entdeckt, was eine neue Chance biete. Zudem gebe es Fördergelder für die Entwicklung der Zentren. Generell gelte: Je spezieller das Sortiment eines Geschäfts ist und je breiter es dabei mit einem guten Service aufgestellt ist, desto größer sei die Chance, zu bestehen. Wie sieht es nun vor Ort aus?

    In der mit mehr als 20000 Einwohnern größten Stadt im Landkreis, Günzburg, wirkt seit Anfang des Jahres die City-Managerin Nikola Tesch. Sie soll dem Einzelhandel Impulse geben. Ein ehrgeiziges Projekt ist die sogenannte „Digitale Einkaufsstadt“, die Mitte Juli der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Eines der Ziele ist, Waren, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt online bestellt werden, noch am selben Tag auszuliefern. Außerdem sollen die Geschäftsleute eine digitale Plattform haben, um ihr Angebot vorzustellen. „Auch einer Spenglerei kann ich nur empfehlen, sich im Internet zu präsentieren“, sagt Peter Schleifer, der Vorsitzende der Günzburger Wirtschaftsvereinigung.

    Der Glaube an den stationären Handel bleibt

    Und er sagt: „Wir können wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen und uns darüber beklagen, dass der Online-Handel alles platt macht. Oder wir können dieses Instrument selbst nutzen.“ Der Automobilhändler nennt ein Beispiel: Wer nach einem bestimmten Wein im Internet sucht und in der Umgebung fündig wird, „der wird auch hier bestellen. Dann haben wir alles gut gemacht.“ Schleifer glaubt weiter an den stationären Handel, obwohl er in seiner Branche das Internet seit vielen Jahren nutzt. „Ein Besuch in einem Laden ist körperlicher, emotionaler.“ Wichtig dabei sei, dass sich der Kunde gut aufgehoben fühle.

    Zahlreiche Geschäftsschließungen, viele Leerstände: Das war lange Zeit prägend für die Krumbacher Innenstadt. Leerstände gibt es immer noch viele, doch in jüngster Zeit gibt es auch positive Signale. Dafür stehen unter anderem das neue Reformhaus Glück und der Neubau des Kachelofen-Hotels auf dem Krumbacher Marktplatz. Mit dem Ziel, die Entwicklung der Innenstadt voranzubringen, hat die Stadt im Jahr 2016 das Fachbüro Cima (unter anderem mit Niederlassungen in München, Stuttgart, Köln und Leipzig) beauftragt. Unter anderem soll der Einzelhandel mit verschiedenen Fortbildungen fit gemacht werden gegen die Online-Konkurrenz. Präsenz im Netz sei heute auch für den lokalen Einzelhandel wichtig, sagen Solveig Lüthje und Markus Jocher, die das Krumbacher Projekt für Cima mitbetreuen. Der Einzelhandel könne auf Dauer aber nur bestehen, wenn er auf Service setze. Dies habe er dem Online-Handel voraus. Systematisch erfasst wurden die leer stehenden Geschäftsflächen in Krumbach. Unter anderem durch intensive Kontakte zur IHK sollen Investoren nach Krumbach gezogen werden.

    In Leipheim ist es der Internet-Handel nicht schuld

    In Leipheim gibt es Bauamtsleiter Jürgen Mößle zufolge einen relativ hohen Anteil an Leerständen. Der Internet-Handel sei dafür aber nicht verantwortlich. Die Sortimente, die online relevant seien, habe man in der Innenstadt viel früher verloren – an Supermärkte mit ihrem immer größer werdenden Warenangebot zum Beispiel. „Wir haben eher ein Generationsproblem. Es finden sich oft keine Nachfolger.“ Mößle nennt als Beispiel einen Laden für orthopädische Schuhe sowie Bäckerei und Metzgerei. Letztere scheiterten teilweise auch an EU-Erfordernissen. In Leipheim versuche man, Leerstände in Wohnraum umzuwandeln. „Die Tendenz geht eher zurück zum Wohnen in der Innenstadt. Die Leute wollen nicht mehr nur raus ins Grüne.“ Aber auch Dienstleister wie Ärzte und Apotheken ließen sich im Zentrum nieder und seien dort gefragt. „Die Bauchschmerzen sind nicht mehr so groß wie vor ein paar Jahren.“

    Die Innenstadt durch Wohnnutzung zu beleben versucht man auch in Ichenhausen, erklärt Gabriele Rau vom Bauamt. Zudem kämen eher Dienstleister ins Zentrum. Dass der Handel aus dem Zentrum verschwinde, hänge mit dem veränderten Kaufverhalten zusammen. „Die Kunden wollen mit dem Auto auf einen großen Parkplatz fahren, dort ein großes Angebot vorfinden und den Synergieeffekt nutzen.“ Daher habe sich alles an den Ortsrand verlagert. Franz E. Zenker, Vorsitzender der Wirtschaftsvereinigung Ichenhausen, bedauert, dass die Geschäfte in die Peripherie gehen. Aber den klassischen Einzelhandel – Schuhe, Bücher oder Schreibwaren – könne man nicht mehr in die Innenstadt holen. „Das ist der Lauf der Zeit. Der Onlinehandel blüht und der Einzelhandel geht zurück.“ Ausgestorbene Zentren seien ein Stück selbst gemacht. Von einer Ladenöffnung am Sonntag halten Zenker und Rau nichts. Wer den Einkauf von Montag bis Samstag nicht schaffe, der schaffe ihn auch sonntags nicht, sagt Zenker. Man müsse auch an die Angestellten denken.

    Eine Nische zu finden ist wichtig

    Michael Hackenberg, Vize-Vorsitzender des Handelsvereins in Burgau und Betreiber eines Modegeschäfts in der Stadt, sagt: „Wir haben gar nicht die Möglichkeit, doppelt so viel Personal einzustellen für weitere Öffnungen.“ Beim Internet-Handel gelte: „Man muss sich eine Nische suchen“, um zu bestehen.

    Dass sich nochmals mehr Handel im Zentrum von Jettingen-Scheppach ansiedelt, glaubt Bürgermeister Hans Reichhart nicht. Es gehe darum, durch die Belebung des Wohnungsmarkts die vorhandenen Geschäfte zu stärken, damit sie blieben. Generell gelte: Die Gesellschaft und das Einkaufsverhalten veränderten sich. „Das Rad können wir nicht zurückdrehen, und Veränderungen hat es immer gegeben.“ Er sieht auch keinen Widerspruch zwischen einer Sanierung des Zentrums und den Outlets. Denn was dort angeboten wird, „gibt es so bei uns nicht oder nicht mehr“ – und die Leute müssten nicht bis nach Ulm oder Augsburg fahren. So viele Leerstände gebe es in Jettingen-Scheppach ohnehin nicht. Und allzu viele Läden habe der Markt nie gehabt.

    Josef Brandner, Wirtschaftsreferent der Stadt Thannhausen, sieht einen „gewaltigen“ Umbau, dem der Handel unterworfen ist. Man dürfe lokale Entwicklungen aber nicht mit globalen gleichsetzen. Es werde trotzdem weiter Kleinzentren auch in ländlichen Regionen geben. Die sollten dann auch funktionieren. Mit dem Kreuzwirt hat Thannhausen seit Jahren ein leer stehendes Gebäude im Zentrum. Ansonsten habe die Innenstadt an Attraktivität gewonnen. Derzeit arbeiten die Stadt, die Uni Augsburg und die IHK an einem Konzept mit der Vorstellung, mehr Leben in den Innenstadtbereich zu holen. „Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir Akteure, die einen Nutzen daraus ziehen, zusammenbringen.“ slor, cki, rbod, pb, ioa

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