In Kürze sollen die zusätzlichen Krankentransportleistungen für den Landkreis Günzburg ausgeschrieben werden. Die Johanniter werden sich auf jeden Fall dafür bewerben. Bislang betreiben sie in Kötz einen Stellplatz mit einem Rettungswagen (RTW) sowie einem Hintergrundfahrzeug. Auch eine Rettungshundestaffel gibt es hier. Im Jahr 2014 hatte die Hilfsorganisation den Zuschlag für einen bis dahin beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK) in Günzburg stationierten RTW erhalten, doch der Vertrag dafür läuft Ende Oktober 2019 aus. Die Johanniter befürchten gravierende Verschlechterungen für das Personal, sollte der Zuschlag an einen Mitbewerber gehen.
Um darüber zu sprechen, sind Michael Rettenmaier, Mitglied des Vorstands im Regionalverband Schwaben, und Rettungsdienstleiter Ole Kaske nach Kötz gekommen. Hier arbeiten drei Rettungsassistenten in Voll- und zwei in Teilzeit, außerdem gibt es zwei Rettungssanitäter in Vollzeit und einen Sanitäter, der ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert. Hinzu kommen 23 Ehrenamtliche. Vor jeder Vergabe müssten die Personalkosten für die Bewerbung kalkuliert werden. Wer einen Standort betreibt, rechne mit den Bestandskosten der Mitarbeiter und deren Eingruppierung in der Berufsjahresstaffel.
So werden etwa Kollegen, die länger als zwei Jahre eingestellt sind, in der zweiten Stufe geführt. Ein Mitbewerber kalkuliere mit der ersten, günstigeren Stufe, weil er beim Zuschlag das Personal neu einstelle. Wegen des wirtschaftlicheren Angebots mit den niedrigeren Mitarbeiterkosten erhalte dieser dann den Zuschlag. Weil es äußerst schwierig sei, neues Personal im Rettungsdienst zu finden, würden die vom bisherigen Betreiber betriebsbedingt Gekündigten übernommen, aber nur die günstigeren Gehälter gezahlt. Und auch dieser Vertrag sei auf fünf Jahre befristet.
Der Fachkräftemangel im Rettungsdienst werde verschärft
Die Johanniter zahlen in der ersten Stufe als Basisgehalt knapp 2500 Euro brutto, hinzu kommen Zulagen. In dieser Stufe bleibt ein Mitarbeiter für 24 Monate. In Stufe zwei mit einer Verweildauer von 60 Monaten sind es 2700 Euro, in Stufe drei mit 84 Monaten 2800 und in der vierten, letzten Stufe fast 3000 Euro. Alle Hilfsorganisationen zahlten ungefähr gleich. Wenn Personal bei einem neuen Träger eingesetzt wird, komme hinzu, dass auch Zulagen für Sonderfunktionen verloren gehen könnten. Und nur weil der Arbeitgeber wechselt, die Mitarbeiter aber am gleichen Standort den gleichen Tätigkeiten nachgehen, würden sie schlechter bezahlt.
Das müsse aufhören, fordern Rettenmaier und Kaske, denn so werde der Fachkräftemangel im Rettungsdienst nur weiter verschärft. Es dauere mitunter Monate, Personal zu finden, weil der Markt leer sei. Die Johanniter zahlten sogar eine Wechselprämie von 1000 Euro, wenn jemand von einer anderen Organisation kommt. Zumindest derzeit sei der Standort Kötz aber personell gut ausgestattet.
Vorstandsmitglied: „Es ist ein Zuschussgeschäft“
Nicht tangiert von der Neuvergabe seien Wachen, die vor einem bestimmten Stichtag schon bestanden. Dem dort beschäftigten Personal passiere nichts. Kötz sei auch der erste Standort für die Johanniter in Schwaben, den sie durch eine Ausschreibung erhalten hätten. „Es ist ein Zuschussgeschäft, aber wichtig, um sich dieses Gebiet zu erschließen“, betont Rettenmaier. Es gehe auch darum, wie viel man für fünf Jahre investieren will – abgesehen davon, dass sich Netzwerke und Kontakte kaum entwickeln könnten, wenn danach wieder ein anderer kommt. „Hier wird nur die Wirtschaftlichkeit betrachtet“, kritisiert Rettenmaier.
Mit Ehrenamtlichen würden sie zwar auf jeden Fall in Kötz bleiben, und sie hoffen hier auch auf eine Zukunft im Rettungsdienst. Aber sie könnten und wollten „nicht massiv draufzahlen“. Auf die Probleme hätten sie das Bayerische Innenministerium aufmerksam gemacht, doch Staatssekretär Gerhard Eck interessiere sich nicht dafür. Seine Antwort wollen die Johanniter unserer Zeitung lieber nicht zur Verfügung stellen. Zumindest der Augsburger Bundestagsabgeordnete und CSU-Kollege Volker Ullrich wolle sich kümmern.
Ministerium: Es geht nicht um das billigste Angebot
Ein Sprecher des Innenministeriums erklärt auf Anfrage unserer Zeitung, dass seit dem 18. April 2016 eine Gesetzesnovelle des Bundes, die auf europäischen Regeln basiere, eine europaweite Ausschreibung nötig mache. Fragen zum Stichtag seien teilweise rechtlich allerdings noch nicht geklärt. Rettenmaier von den Johannitern betont, dass schon im Jahr 2008 im Bayerischen Rettungsdienstgesetz Regelungen ergänzt wurden, wonach ein Auswahlverfahren implementiert wurde und Aufträge im Regelfall nur für fünf Jahre gelten sollen.
Zwar gibt es im neuen Gesetz aus 2016 auch eine Ausnahme für gemeinnützige Organisationen und Vereinigungen für Katastrophen- und Zivilschutz sowie die Gefahrenabwehr, aber für den alltäglichen Rettungsdienst greift sie nicht. Ausgeschrieben werden muss nach Auskunft des Ministeriums, „wenn das Auftragsvolumen den Schwellenwert von 5,548 Millionen Euro überschreitet“. Zuständig sei der jeweilige Zweckverband. Es gebe Musterunterlagen, bei denen die Gewichtung von Leistung und Preis je zur Hälfte vorgesehen ist. Es gehe nicht um das billigste Angebot.
Keine pauschale Kündigung wegen Neuausschreibung
Personal im Rettungsdienst zu finden sei zwar nicht immer einfach, aber mit der Einführung des von der Ausbildung her höherwertigen Notfallsanitäters seien die Probleme in weiten Bereichen gelöst oder deutlich gemildert; es seien auch genug in der Ausbildung, um den bayernweiten Bedarf zu decken. Wie die Johanniter betonen, sei die Übergangsfrist für die Einführung des Notfallsanitäters jedoch von 2021 auf 2024 verschoben worden, weil es eben nicht genug Personal gebe.
Nach Einschätzung des Ministeriums treffe es ebenfalls nicht zu, dass Neuausschreibungen pauschal zur Kündigung von Mitarbeitern führten. Vielmehr würden sie an andere Standorte der Träger versetzt. „In Angeboten für neue Standorte wird mit einer Mischkalkulation aus neuen und erfahrenen Mitarbeitern gearbeitet. Im Bayerischen Innenministerium sind daher auch keine Fälle bekannt, in denen ein neu ausgeschriebener Standort deutlich günstiger als die umliegende Konkurrenz betrieben werden würde.“
„Bescheidenes Lohnniveau“ führe zu Problemen
Die Landesvereinigung Privater Rettungsdienste sieht Trägerwechsel bei Rettungswachen übrigens als „eher seltenen Ausnahmefall. Dass sich die unterschiedlichen und nicht kompatiblen Gehaltsstrukturen auswirken können, erklärt sich von selbst“, erläutert Vorstandsmitglied Reimund Wagenseil. Das Gehaltsniveau habe sich auf einer Stufe ohne gravierende Unterschiede eingependelt. Probleme, Personal zu finden, resultierten vor allem aus dem „bescheidenen Lohnniveau“. Der Berufsverband Rettungsdienst sowie der Verband Privater Rettungsdienste antworten nicht auf unsere Anfrage, die Gewerkschaft Verdi und die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern sehen sich nicht zuständig.
Beim BRK in Günzburg gebe es derzeit keine Personalprobleme, alle Stellen seien besetzt und bis Mitte 2019 sollen die entsprechenden Mitarbeiter zum Notfallsanitäter weitergebildet sein, erklärt Rettungsdienstleiter Alexander Faith. Von einer Verschiebung der Notfallsanitäter-Übergangsfrist wisse er nichts.
BRK: Johanniter konnten günstiger kalkulieren
Die Wachen in Günzburg, Krumbach und Jettingen-Scheppach seien Bestandswachen, aber wenn dort zusätzliche Leistungen angeboten werden sollten, müssten auch diese ausgeschrieben werden. Die Vergabepraxis allgemein sei ein Problem, sagt Faith, gerade auch wegen der Befristungen für das Personal. Aber das BRK habe den betreffenden Rettungswagen damals an die Johanniter verloren, weil diese eben aus den selbst genannten Gründen günstiger kalkulieren konnten.
Die Geschäftsführerin des Rettungsdienst-Zweckverbands Donaul-Iller, Julia Lindner, erklärt, „maßgeblich für die Entscheidung ist eine wirtschaftliche und effektive Leistungserbringung“. Mustervorlagen seien nur eine Grundlage. Bei bestehenden Standorten sei ihr kein Personalmangel bekannt, die Gesetzesnovelle habe nach ihrer Erfahrung weder mehr noch weniger Probleme im Auswahlverfahren gebracht. Auch wisse sie nichts davon, dass neu ausgeschriebene Standorte deutlich günstiger als die umliegende Konkurrenz betrieben würden.