„Du kasch doch jetzt et na laufa, wenn d’Kirchaleit rauf laufad“: Diesen Satz sagt die entsetzte Mutter zu ihrer Tochter im Film „Landrauschen“. Wer in der Region auf dem Dorf aufgewachsen ist, versteht diese Worte auf Anhieb. So etwas tut man nicht. Das Leben auf dem Land, die Zusammengehörigkeit, das Geborgensein, aber auch der Zwang und die Enge werden in „Landrauschen“ mit viel Humor und ebenso viel Einfühlungsvermögen dargestellt. Die „kosmopolitische“ Toni (Kathi Wolf) kehrt in ihr Heimatdorf zurück und erlebt auch dessen Enge, der sie einst entflohen ist. Doch zum Glück trifft sie auf die lebensfreudige Rosa (Nadine Sauter). Zu sehen sind im Film die Weißenhorner Faschingsgruppe Giggalesbronzer und die Fronleichnamsprozession in Bubenhausen. Das Überraschende: Mehrere der Darsteller kommen aus Orten in der Region wie Edelstetten, Thannhausen, Münsterhausen, Bubenhausen oder Holzheim (Kreis Dillingen).
Lisa Miller, 31, aus Bubenhausen bei Weißenhorn ist die Regisseurin und Drehbuchautorin. Mit ihrem Film, der bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurde, hat sie einen Volltreffer gelandet. Unter anderem wurde der Streifen beim renommierten Saarbrücker Max-Ophüls-Festival mit dem Hauptpreis und zwei weiteren Preisen bedacht. Produziert wurde „Landrauschen“ gemeinsam von Johannes Müller aus Leipzig und Lisa Miller. „Keiner hat damit gerechnet, dass der Film so durch die Decke geht“, sagt Miller, die in London und Madrid studiert hat. Miller hat auf zahlreiche Laiendarsteller zurückgegriffen. Und auch auf ihre Verwandtschaft. Sie beginnt zusammen zu zählen: Dabei sind ihre Mutter, ihr Vater, der Bruder, drei Onkel, zwei Cousinen, ein Cousin und eine Tante.
Der Fischer Karre ist um keinen Spruch verlegen
Eine bedeutende Rolle spielt der Edelstetter Karl Fischer, 66, besser bekannt als Fischer Karre, ein Onkel von Lisa Miller. Und wer den Karre kennt, weiß, dass er nie um einen Spruch verlegen ist und kein Blatt vor den Mund nimmt. Lisa Miller hat ihrem Onkel freie Hand oder besser „freien Mund“ gelassen. Nur die Richtung wurde von ihr vorgegeben. Ansonsten konnte der Onkel improvisieren. „Die Dialoge entstehen im spontanen Gespräch“, sagt die Filmemacherin.
Fischer mit den Familienvater, der gerne mit seinen „Amigos“ Geschäfte macht. „Er ist ein Naturschauspieler, er schert sich um nichts“, sagt die Nichte bewundernd. Viele Jahre hat Karl Fischer bei der Firma Leitenmaier in Thannhausen als Schlosser gearbeitet. „Jetzt bin ich nur noch auf dem roten Teppich unterwegs“, meint er spitzbübisch. Bei den internationalen Filmfestspielen in Berlin – dort wurde „Landrauschen“ ebenfalls gezeigt – flanierte Fischer mit seinen Schauspielerkollegen jedenfalls über jenen roten Teppich.
Die Lehrkraft für Altenpflege mimt den Landrat
Auf die Frage, ob beim Filmen mal was schief ging, überlegt Fischer nur kurz und sagt dann lachend: „Die Bettszene war zu kurz.“ Dass die Kamera auf ihn gerichtet war, habe ihn „Null gejuckt“, betont er. Karl Fischer ist der Bruder von Lisa Millers Mutter. Die Mutter ist eine geborene Fischer und stammt aus Edelstetten. Lisas Vater, Max Miller, wiederum ist in Münsterhausen aufgewachsen. Die Eltern leben in Bubenhausen. Der Vater arbeitet als Stadtförster in Weißenhorn. Ein weiterer Laiendarsteller aus der Region ist der Thannhauser Peter (Pit) Schmid, 62. Er spielt den Landrat. Schmid arbeitet im wahren Leben als Lehrkraft an der Berufsfachschule für Altenpflege in Ursberg. Aber nur noch wenige Tage, dann beginnt für ihn das Rentnerdasein, erzählt er. Bekannt ist Schmid auch als Laienschauspieler und als Musiker.
Warum manchmal Untertitel nötig sind
Die 29 Jahre alte Hauptdarstellerin Nadine Sauter ist in Bubenhausen aufgewachsen und wohnt jetzt in Holzheim. Sie arbeitet als Heilerziehungspflegerin in Dürrlauingen. Theaterspielen war schon immer eine Leidenschaft von ihr. Nadine Sauter scheint ein Naturtalent zu sein. Die Rolle der Rosa verkörpert sie auf sehr intensive Weise. Ob sie nun „Blut geleckt“ habe, beantwortet Sauter mit einem spontanen „Ja“. Im Film spielten zwei studierte Schauspieler und zwei Musical-Darsteller mit. Ansonsten sind die Rollen mit Laiendarstellern besetzt. Auch Manfred Miller, 58, aus Münsterhausen, ebenfalls ein Onkel von Lisa Miller, wurde eingebunden. Er ist in „Landrauschen“ das, was er auch im wahren Leben über Jahre hinweg war: ein Dirigent. Im Film eskaliert bei einer Musikprobe die Situation. Der Dirigent verlässt wutentbrannt die Probe. „Alles schon erlebt“, sagt Miller. Er arbeitet als technischer Leiter bei LS Bau in Ziemetshausen.
Da schwäbisch geredet wird, werden zeitweise Untertitel in Hochdeutsch eingeblendet. Schließlich sollen nicht nur Schwaben den Film verstehen.