Das gesamte Publikum im voll besetzten Leipheimer Zehntstadel hat sich erhoben und probt die deutsche Nationalhymne. Der Münchner Kabarettist Christian Springer, dessen Karriere im Kinderchor der Münchner Staatsoper begann, coacht die Zuschauer mit seiner Opernstimme. Denn in der aktuellen Fassung seines Programms „Trotzdem“ geht es um die viel beschworene deutsche Leitkultur, der sich die Flüchtlinge unterzuordnen haben. Springer zeigt an mehreren Beispielen auf, dass diese gar nicht so deutsch ist. Eben auch die deutsche Nationalhymne.
Der Dichter Fallersleben bezahlte mit dem Text im damals noch zu England gehörenden Helgoland die Zeche. Also mussten die Deutschen erst mal den Text zurückkaufen. Die Kaiserhymne des Österreichers Joseph Haydn, auf die der Text gelegt wurde, hatte Haydn geklaut. Sie war ursprünglich ein kroatisches Volkslied.
Springer, der in München Arabisch studierte, erzählt von seiner Arbeit mit Flüchtlingen im Libanon und in Deutschland. Im Libanon treffen auf fünf Millionen Gesamtbevölkerung 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge. Angesichts dieser Verhältnisse regt er sich über Seehofers Forderung nach einer Obergrenze in Deutschland auf. Also schrieb Springer einen 88 Seiten langen Brief an den Ministerpräsidenten. Dieser Brief fand in Buchform im Anschluss an die Vorstellung reißenden Absatz. In dem Brief legte Springer dem Landesvater dar, dass die bayerische Kultur maßgeblich von der türkischen beeinflusst wurde. Das Vorbild für die Blasmusik war die Musik der Janitscharen. Das Geld für die Finanzierung des Festspielhauses in Bayreuth lieferte der osmanische Sultan Abdylmetys. Doch nicht nur heute sucht Christian Springer die Auseinandersetzung mit der bayerischen Politik. Während seiner Studienzeit wollte er Franz Josef Strauß mit zwei rohen Eiern bewerfen. Ausführlich erklärt er dem Publikum, warum die Eier den Politiker verfehlten. Springer war in der Schule in Physik sehr schlecht, also konnte er nicht die ideale Flugbahn berechnen. Außerdem hatten seine Eltern einen Obst-und Gemüseladen, in dem er und sein Bruder immer wieder mitarbeiten mussten. Daher hatte er den Respekt vor Lebensmitteln gelernt, und dass man diese nicht als Wurfgeschosse missbrauchen soll. Ebenso ausführlich erklärt Springer dem Publikum die schier unglaublichen Konsequenzen des missglückten Anschlags. Strauß und Stoiber behaupteten nämlich, Springer hätte getroffen und zeigten ihn wegen Körperverletzung an.
Mit einer Anekdote aus dem Leben von Beethoven legt Springer seinen Zuschauern ans Herz, auf ihrem eigenen Weg zu bleiben. Während eines Spaziergangs in Wien kam dem Komponisten die Kaiserfamilie entgegen. Mit dieser hatte Beethoven noch eine Rechnung offen. Zwei Tage vor der Premiere seines „Fidelio“ kam Napoleon nach Wien. Die Kaiserfamilie sagte ihre Teilnahme ab und verschenkte ihre Karten an Soldaten. Diese verstanden das Stück nicht, die Premiere wurde zum Fiasko. Also ging Beethoven der Kaiserfamilie nicht aus dem Weg, wie es sich gehört hätte. Die Kaiserfamilie bildete eine Gasse für Beethoven.
Bei der Zugabe bedankt sich Springer bei den Zuschauern für die Steuergelder, mit denen der bayerische Staat die Arbeit seines Vereins „Orienthelfer“ mittlerweile unterstützt.